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Bei der Diabetes-Diagnose spielt der Blutzuckerlangzeitwert eine immer größere Rolle. Eine neue Einheit für den HbA1c-Wert macht Veränderungen zudem schnell und deutlich sichtbar.
Bisher diente die Bestimmung des HbA1c-Wertes in Deutschland dazu, eine Aussage über die Blutzucker-Langzeiteinstellung zu treffen. Zur Erinnerung: Der HbA1c-Wert spiegelt die mittleren Blutzuckerwerte der vorangegangenen 8 bis 12 Wochen wider; er ist somit ein Qualitätsmerkmal für die Güte der Blutzuckereinstellung – schon seit Jahrzehnten.
Neu ist also zumindest in den USA und in Deutschland, dass der HbA1c-Wert herangezogen wird zur Diagnose eines Diabetes. Dies bietet gegenüber der reinen Blutzuckerbestimmung entscheidende Vorteile: Vor allem muss der Patient zum Zeitpunkt der Blutentnahme nicht nüchtern sein. Und:
Die Blutproben, die ja in ein anerkanntes zertifiziertes Labor geschickt werden müssen, sind stabiler als die zur Blutzuckerbestimmung. Es reicht außerdem im Gegensatz zu den Blutzuckerbestimmungen eine einzige Blutprobe aus; intraindividuelle Blutzuckerschwankungen, die jeder Mensch hat, haben keinen direkten Einfluss auf den HbA1c-Wert. Dadurch wird hoffentlich gerade bei älteren Menschen durch die routinemäßige Bestimmung des HbA1c-Wertes der Diabetes viel häufiger und früher entdeckt und so behandelbar!
Frühere große Studien haben gezeigt, dass viele Menschen zwar noch normale Nüchternblutzuckerwerte haben, aber oftmals schon Jahre vorher die Werte nach den Mahlzeiten erhöht waren – diese aber sind es, die in besonderem Maß für die Entstehung der Folgeschäden des Diabetes verantwortlich gemacht werden. Im Umkehrschluss: Nimmt man nur den Nüchternblutzuckerwert zur Diagnose eines Diabetes mellitus, so entgehen etwa ⅓ aller Diabetiker der rechtzeitigen Diagnose!
Darüber hinaus gibt es Millionen arbeitende Menschen, die nicht morgens um 8 oder 9 Uhr beim Arzt zum Messen des Nüchternblutzuckers erscheinen können: kein Auto, zu weit weg, Praxis erst zu spät geöffnet, Arbeitsbeginn schon sehr früh etc. Deshalb wurden und werden Tausende Menschen mit beginnendem Diabetes oder seiner Vorstufe (dem Metabolischen Syndrom) nicht oder zu spät entdeckt – oft erst anlässlich des Auftretens von z. B. Herzinfarkt, Nierenveränderungen, Nervenschmerzen etc.
Die Diagnose eines Diabetes mellitus anhand des HbA1c-Wertes, der zu jeder Tageszeit anhand einer einzigen Blutentnahme (und egal, ob nüchtern oder nicht) bestimmt werden kann, könnte diese Situation rasch und dramatisch verbessern!
Wichtig war die Frage: Spiegeln denn die HbA1c-Werte immer tatsächlich die vergleichbaren Blutzuckerwerte der letzten 8 bis 12 Wochen wider? Und: Lässt sich anhand des HbA1c-Wertes ein Diabetes mellitus sicher nachweisen – oder auch sicher ausschließen?
Eigene Studien der DDG haben diese Frage weitgehend positiv beantwortet: So hat die DDG zumindest teilweise die Empfehlungen der amerikanischen Diabetes-Gesellschaft (ADA) übernommen.
Voraussetzung für die Diagnose des Diabetes mittels HbA1c ist allerdings die Messung nach einem zertifizierten Testverfahren, das internationalen Standards entspricht: National Glycohemoglobin Standardization Program (NGSP/DCCT-Methoden).
Der Vorteil dieser neuen Standardisierung (in mmol/mol Hb) liegt darin, dass Veränderungen des HbA1c-Wertes im klinisch für den Menschen relevanten Bereich schneller und deutlicher sichtbar werden. Blutzuckerschwankungen z. B. im Rahmen einer fieberhaften Erkrankung könnten so rascher entdeckt und es könnte womöglich auch medikamentös gegengesteuert werden; längerfristig erhöhte Blutzuckerwerte schaden eher den kleinen und auch großen Blutgefäßen mehrerer Organe wie Augen, Nieren, Nerven sowie dem Herzen und dem Gehirn.
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Diese neue Methode soll den Blutzuckerwert eines Menschen genauer widerspiegeln und so besser reproduzierbare Ergebnisse liefern – die Methode soll also zusätzlich verlässlicher sein als die bisherigen Angaben in Prozent Hb. Die Einheit mol bzw. mmol bezieht sich auf das Molekulargewicht des Erwachsenen-Hämoglobins (Hb).
Die Zahlenwerte bei dieser neuen Methode liegen allerdings in einer völlig anderen Größenordnung: z. B. entsprechen 31 mmol/mol Hb dem bisherigen Wert von 5 Prozent. Ein HbA1c-Wert von 5 Prozent bisher bedeutete, dass 5 Prozent des Hämoglobins mit Zucker (Glukose) eine Bindung eingegangen waren. In der neuen Einheit mmol/mol Hb sind es 31 mmol/mol des Erwachsenen-Hämoglobins.
Zur Eingewöhnung wurde die neue Einheit entsprechend den Empfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und der Deutschen Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin sehr langsam eingeführt und neben den bisherigen Prozentwerten für den HbA1c-Wert in mmol/mol Hb angegeben.
Der Referenzbereich (Normalwertbereich) liegt bei 22 bis 42 mmol/mol Hb und soll stärker als die bisherige Prozentangabe des HbA1c mit langfristigen Durchschnittswerten des Blutzuckers eines Diabetikers zusammenhängen. Die Angabe Prozent entfällt jetzt aber immer häufiger auf den Laborbefunden, so dass auch Diabetiker die neuen Werte verinnerlichen sollten.
Unabhängig von diesen Standardisierungen gibt es Faktoren, die den HbA1c-Wert beeinflussen und diesen unabhängig von den tatsächlichen mittleren Blutzuckerwerten der letzten 8 bis 12 Wochen verfälschen können:
Die Empfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft lauten deshalb folgendermaßen:
Die Möglichkeit, den Diabetes mellitus anhand eines einzigen Parameters – des HbA1c-Werts – zu diagnostizieren, stellt einen Meilenstein in der Diabetologie dar. So kann hoffentlich der Diabetes mellitus viel früher entdeckt und leitliniengerecht behandelt werden – besonders, da bereits die Vorstufen des Typ-2-Diabetes gefährliche Folgeerkrankungen initiieren können.
Zur Beurteilung der Qualität einer Blutzuckereinstellung, also um das Risiko für mögliche Folgeerkrankungen abzuschätzen, bleibt er ebenso weiterhin unentbehrlich.
von Dr. Gerhard-W. Schmeisl
Internist/Angiologe/Diabetologe, Chefarzt Deegenbergklinik sowie Chefarzt Diabetologie Klinik Saale (DRV-Bund)
Kontakt:
Deegenbergklinik, Burgstraße 21, 97688 Bad Kissingen, Tel.: 09 71/8 21-0
sowie Klinik Saale, Pfaffstraße 10, 97688 Bad Kissingen, Tel.: 09 71/8 5-01
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2014; 63 (3) Seite 36-39
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