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Nachdem auch die Ärztin mein positives Testergebnis gesehen hatte, stellte sie mir eine Bescheinigung über das Ergebnis sowie ein Rezept aus. Ich bezahlte (dank meiner Krankenversicherung) umgerechnet nur 4€ und machte mich auf zur Apotheke. Dort erhielt ich ohne Zuzahlung eine Unmenge an Tabletten, was anscheinend zur Standardmedikation hier zählt. Von Schmerztabletten und Hustensaft über Magenschutz bis hin zum Antibiotikum. Letzteres machte mich dann doch etwas stutzig. Da ich weiß, dass koreanische Ärzt*innen gerne vorbeugend Antibiotika verschreiben, habe ich damit schon gerechnet. Ich hielt kurz Rücksprache mit einer Freundin, die in Deutschland als Gesundheitspflegerin tätig ist und auch auf der Corona-Station gearbeitet hat, und entschied mich dann „auf eigene Gefahr“ gegen die Einnahme des Antibiotikums.
Kaum war ich zuhause angekommen, erhielt ich eine SMS mit der Bestätigung meines positiven Testergebnisses, einer offiziellen Bescheinigung vom Gesundheitsamt und einen Anruf von diesem. Am anderen Ende der Telefonleitung war zunächst eine Dame, welche versuchte, auf Koreanisch mit mir zu sprechen. Ich teilte ihr dann mit, dass ich zwar etwas Koreanisch verstehe, bei medizinischen Anliegen jedoch gerne mit jemandem sprechen möchte, der auch Englisch versteht. Sie legte auf und keine fünf Minuten später hatte ich eine englischsprachige Ärztin am Telefon. Sie ging mit mir verschiedene Fragen durch, ob ich bereits einen Tag hatte, an dem es besonders schlimm war, ob ich alleine wohne und wie viel ich denn wiege. Ich war geschockt. Ich wiege mich selbst so gut wie nie und konnte ihr daher auch keine klare Antwort geben. Sie entschuldigte sich mehrfach, dass sie das fragen musste, allerdings seien sie sehr am BMI der Infizierten interessiert. Zu Beginn der Pandemie wurden nicht nur Risikopatienten mit Vorerkrankungen in „Corona-Krankenhäuser“ gebracht, sondern auch Menschen mit einem BMI, welcher über dem Normalbereich lag. Danach fragte sie mich, ob ich eine chronische Erkrankung habe – was ich natürlich bejahte. Ich erklärte ihr, dass ich mit Typ-1-Diabetes lebe, woraufhin sie sich versicherte, dass ich bisher gut mit dem Diabetesmanagement klarkomme und diesbezüglich keine ärztliche Betreuung benötige.
Nach unserem Telefonat schickte mir die Ärztin nochmal alle wichtigen Informationen, inklusive Adressen und Handynummern von Krankenhäusern und Praxen in meiner Nähe, per Nachricht. Da sie wusste, dass ich Deutsche bin, schickte sie es mir sogar auf Deutsch! Damit hatte ich nicht gerechnet und freute mich sogar ein wenig darüber, dass sie so aufmerksam war.
In einem Land, in welchem Englisch kaum gesprochen wird, das Gesundheitssystem ebenfalls überlastet mit den steigenden Zahlen ist, musste ich mich für insgesamt knapp zwei Wochen selbst isolieren und versorgen. Während die offizielle Quarantänezeit nur sieben Tage beträgt, isolierte ich mich jedoch direkt bei den ersten Anzeichen und auch nach der offiziellen Quarantäne blieb ich noch ein paar Tage zuhause und vermied Kontakt. Zum Glück konnte ich meine Lebensmittel online bestellen und bekam regelmäßige Check-ups vom Gesundheitsamt via einer Messenger-App.
Ich muss sagen, dass ich zeitweise den Diabetes sogar vergessen hatte, da ich ganz andere „Baustellen“ in meinem Körper hatte (die Kopf- und Gliederschmerzen, der Husten und die Atemprobleme). Da ich auch keinen Hunger und somit kaum etwas gegessen hatte, musste ich mich nicht um Bolusabgaben oder ähnliches kümmern. Erst, als mein Insulin leer war und die Pumpe einen Alarm gab, bemerkte ich, dass ich trotz dessen, dass ich nichts/kaum gegessen hatte, sehr viel Insulin benötigte. Meine Pumpe war schneller leer als zuvor, obwohl ich immer gerne und nicht wenige Kohlenhydrate zu mir nehme. Das Protokoll zeigte mir, dass der Loop meistens auf 400% lief – die Basalrate war also vierfach so hoch eingestellt wie zuvor.
Meine Erkrankung liegt nun knapp fünf Wochen zurück. Körperlich geht es mir mittlerweile wieder sehr gut. Ich hatte allerdings eine längere Zeit noch mit Atemproblemen zu kämpfen. Ein normaler Treppenabsatz fühlte sich für mich an wie ein Marathonlauf und ich musste mich nach kleinsten Anstrengungen ausruhen. Mein Diabetes hatte ich dank des selbstgebauten Loops meistens sehr gut unter Kontrolle, nur mein Insulinbedarf hat sich vervierfacht. Obwohl hier in Seoul Millionen von Menschen leben und ich zu einer Zeit infiziert war, in welcher die Zahlen komplett durch die Decke gingen (über 200.000 Neuinfektionen pro Tag), hatte das Gesundheitsamt dennoch die Kontrolle nicht verloren und sich sogar persönlich (via Telefon) um mich gekümmert.
Übrigens: Das Gesundheitsamt bietet eine kostenlose Desinfektion der Wohnung nach überstandener Quarantänezeit an! Die Viren überleben zwar nicht allzu lange auf Oberflächen, aber dass es diesen Service (kostenlos) gibt, finde ich super!
Ich hoffe, dass diese Pandemie bald vorüber geht und nicht noch mehr Menschenleben gefährdet werden.
Passt weiterhin gut auf euch auf und unterschätzt dieses Virus bitte nicht. 🙂
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