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Um mich herum das Summen von Unterhaltungen, von Stühlen, die zurechtgerückt, Gläsern und Tellern, die hingestellt werden. Am Raumende ein Buffet, vorne eine provisorische Bühne und eine große Leinwand, auf der „Willkommen bei Diabetes UK“ prangt. Um mich herum ungefähr 100 weitere Menschen – Wissenschaftler:innen, Diabetolog:innen, Diabetesberater:innen, Ernährungsberater:innen, Menschen mit Diabetes und Mitarbeitende von Diabetes UK. Es ist 2018 und Diabetes UK hat so genannte „Clinical Studies Groups“ ins Leben gerufen, in denen Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven sich austauschen dürfen, um gemeinsam zu entscheiden, welche Art von Forschung in den nächsten Jahren gefördert werden soll. Heute heißen sie „Diabetes Research Steering Groups“ und sind online hier zu finden: https://www.diabetes.org.uk/research/our-approach-to-research/diabetes-research-steering-groups.
Ich darf dabei sein, als ein Mensch mit Diabetes, der zu diesem Zeitpunkt gerade in Schottland lebt. Gleichzeitig habe ich auch den Hut einer Forscherin auf, denn ich habe gerade die Daten für meine Promotion gesammelt: Gespräche zwischen 16 Menschen mit Typ-1-Diabetes in Schottland. Das ist natürlich spannend, denn ich kann nicht nur meine eigene Perspektive einbringen als jemand, der zwei medizinische Systeme kennt, sondern auch aus meiner Datenanalyse und aus meinen informellen Gesprächen mit anderen Menschen mit Diabetes.
Die Research Steering Groups sind ein Pilotprojekt, das es im Kontext anderer Krankheitsbilder schon mal gab. Das Wesentliche: Hier sollen nicht nur Forschende und Behandelnde entscheiden, woran sie denn so weiter forschen und wie sie denn so behandeln wollen, sondern es wird ein Dialog auf Augenhöhe mit den Betroffenen gesucht. Menschen mit Diabetes, und zwar aller Typen, sitzen hier als Expert:innen mit am Tisch. Wir werden explizit danach gefragt, was für uns wichtige Veränderungen wären, welche Forschung uns in unserem Alltag wirklich helfen würde und was wir uns in der Behandlung wünschen. Das ist toll, denn durch einen super strukturierten Prozess, in dem erst Themen gesammelt und dann von der Gruppe gemeinsam nach Prioritäten in eine Reihenfolge gebracht werden, sind wirklich alle Meinungen gleichberechtigt repräsentiert.
Insgesamt gibt es sieben verschiedene Gruppen, ich bin in der zweiten, die „Type 1 treatments and prevention“ heißt. Wichtige Themen, die bei unserem Prozess und in den darauffolgenden Diskussionen herauskommen: vermutlich wenig überraschend für uns als Online-Community – Mental Health. Außerdem sind Hormone total zentral – insbesondere im Bezug auf den weiblichen Zyklus und die (Peri-)Menopause. Zu diesen zwei Bereichen gibt es noch viel zu wenig Forschung. Aber auch im Hinblick auf die Pubertät oder das Älterwerden oder bei Erkrankungen oder anderen Medikamenten, die irgendwie mit Hormonen zusammenhängen. Und natürlich der Themenblock Glukose-Sensoren und Closed-Loop-Optionen.
Das Beste daran: Unsere Diskussionen und Priorisierungen verlaufen nicht im Sande, sondern es passiert etwas. Diabetes UK unterstützt uns in der Einrichtung einer „Cross-CSG“-Gruppe, die sich mit Hormonen beschäftigt, und schreibt einen „Call for Proposals“ aus, in dem sie Gelder für Forschung im Hormon-Bereich vergibt. Mental Health wird zu einem Prioritätsthema gemacht und es finden Workshops und Austausch-Veranstaltungen statt, sodass dieser Themenbereich mehr Aufmerksamkeit bekommt und sich weiterentwickeln kann.
Die Themen Closed Loop und Sensoren sind im Grunde Selbstläufer, aber auch hier gibt es Anschlussprojekte und Ausschreibungen. Dieses Gefühl, gemeinsam die Diabetesforschung nach vorne zu bringen und Prioritäten zu setzen, die die Perspektiven vieler Beteiligter und Betroffener zusammenbringen, war für mich eine großartige Erfahrung. Mittlerweile bin ich zurück in Deutschland und deswegen nicht mehr in der Gruppe dabei, doch die Updates verfolge ich noch immer aufmerksam. Wer Lust hat, kann ja mal schauen, was Diabetes UK so alles treibt – und wohin die Reise der Research Steering Groups als Nächstes geht.
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