Neue Ursache zur Entstehung des Diabetes entdeckt

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© Kuznetsov | Pixabay
Neue Ursache zur Entstehung des Diabetes entdeckt

Können Fische Diabetes bekommen? Ja: Auf ihrer Suche nach molekularen Schaltern im Stoffwechsel des Zebrafischs haben Wissenschaftler aus Mannheim einen Schutzmechanismus entdeckt, der – wenn er ausgehebelt wird – beim Fisch die gleichen Folgen zeigt wie Typ-2-Diabetes bei Menschen – unter anderem Schäden an Auge und Nieren. Könnte diese Entdeckung ein Ansatzpunkt zur Diagnostik und für neue Therapien sein?

Können Fische einen Diabetes bekommen? In der Tat: Der Mexikanische Tetra (Astyanax mexicanus), auch Höhlensalmler genannt, speichert nach periodischer Nahrungsaufnahme die Glukose im Blut, um so längere Phasen eines Nahrungsmangels zu überstehen*. Professor Dr. Jens Kroll vom European Center for Angioscience der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg konnte in den vergangenen Jahren zeigen, dass Fische auch, wie der Mensch, durch Diabetes verursachte Organschäden ausbilden können. Die Forscher erhoffen sich von den Fischen Antworten auf die Frage, wie solche Diabetes-induzierten Organschäden entstehen.

Für seine Forschung nutzt Kroll nicht den Mexikanischen Tetra, sondern genetisch veränderte Zebrafische (Danio rerio) mit spezifischen Änderungen im Glukose- und Insulinstoffwechsel, die auch beim Menschen einen Diabetes verursachen. Diese Zebrafische zeigen die typischen Veränderungen in den Blutgefäßen, Augen und Nieren, wie sie häufig bei Menschen mit Diabetes beobachtet werden. Die als diabetische Retinopathie und diabetische Nephropathie bezeichneten Krankheitsbilder gehören zu den mikrovaskulären Folgeschäden der Diabeteserkrankung. Sie können bis hin zur Erblindung und Dialysepflicht führen.

Bestimmte Stoffwechselwege können zu Diabetes führen

Auf ihrer Suche nach molekularen Schaltern im Stoffwechsel des Zebrafischs, die sich möglicherweise zur Diagnostik und für neue Therapien des Diabetes nutzen lassen, haben die Wissenschaftler nun einen Schutzmechanismus entdeckt, der, wenn er ausgehebelt wird, beim Fisch die gleichen Folgen zeigt wie der Typ-2-Diabetes bei Menschen.

Neben den klassischen Risikofaktoren für eine Erkrankung an Typ-2-Diabetes wie Bewegungsmangel, falsche Ernährung und das Alter, steht im Zentrum der Forschung von Professor Kroll der Metabolismus, also Stoffwechselwege, die unter anderem durch die Nahrungsaufnahme im Körper aktiviert werden. Hier wurde in den letzten Jahren gezeigt, dass eine Reihe von ungewollten und zum Teil problematischen Verbindungen entstehen, die im Organismus die Funktion der Proteine, Fette und des Erbguts (DNA) verändern können, was längerfristig zu verschiedenen Erkrankungen, und eben auch zum Diabetes, führen kann. Zu diesen Verbindungen gehören auch sogenannte reaktive Aldehyde, die aufgrund ihrer chemischen Struktur sehr reaktionsfreudig sind.

Im Video: Prof. Kroll und sein Team stellen die Forschung an Zebrafischen vor:


Was passiert, wenn Schutzmechanismen ausfallen?

Um diese im Stoffwechsel gebildeten Aldehyde schnell abbauen zu können, hat der Körper vielfältige Schutzmechanismen entwickelt. Was aber passiert, wenn diese Schutzmechanismen ausfallen? Genau diese Frage hat Kroll mit seinem Team untersucht. Die Wissenschaftler deaktivierten im Zebrafisch ein Enzym (Akr1a1a), das im Normalfall das Aldehyd Acrolein unschädlich macht. Die Fische zeigten daraufhin erhöhte Mengen an Acrolein und entwickelten einen Diabetes sowie diabetische Organschäden in Augen und Nieren. Als Ursache zeigte sich eine Insulinresistenz, wie sie genauso auch im Typ 2 Diabetes in diabetischen Patienten auftritt. Die Arbeiten sind aktuell in der hochrangigen Zeitschrift Advanced Science publiziert.

© UMM | Die retinalen Blutgefäße (grün) in einem erwachsenen Zebrafischauge.

„Diese Erkenntnisse erweitern unser Verständnis zur Entstehung der Diabeteserkrankung wesentlich“, so Kroll. Sie zeigen, dass neben den klassischen Risikofaktoren Veränderungen im Metabolismus eine zentrale Ursache für die Entstehung des Diabetes sind.

Ob sich die reaktiven Aldehyde als Biomarker zur Vorhersage der Entstehung des Diabetes und der späteren Ausprägung diabetischer Organschäden eignen, ist eine der Fragestellungen, denen Kroll mit seinem Team und Kollaborationspartnern an der Universität Heidelberg im Rahmen des Internationalen Graduiertenkollegs DIAMICOM und des Sonderforschungsbereiches SFB 1118 nachgehen wird. Darüber hinaus wollen sie aufklären, was einen Ausfall der Schutzsysteme bewirken kann und ob die Schutzsysteme oder auch die reaktiven Aldehyde Ansatzpunkte zur Prävention und Therapie des Diabetes und seiner Folgeerkrankungen sein können.

*Misty R. Riddle et al., Nature 2018

Originalpublikation
Reduced Acrolein Detoxification in akr1a1a Zebrafish Mutants Causes Impaired Insulin Receptor Signaling and Microvascular Alterations
Haozhe Qi, Felix Schmöhl, Xiaogang Li, Xin Qian, Christoph T. Tabler, Katrin Bennewitz, Carsten Sticht, Jakob Morgenstern, Thomas Fleming, Nadine Volk, Ingrid Hausser, Elena Heidenreich, Rüdiger Hell, Peter Paul Nawroth, Jens Kroll
Advanced Science
first published: 18 July 2021
DOI: https://doi.org/10.1002/advs.202101281

Universitätsmedizin Mannheim | Redaktion

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  • gingergirl postete ein Update vor 1 Woche

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

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    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

  • hexle postete ein Update vor 1 Woche, 1 Tag

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

  • tako111 postete ein Update vor 1 Woche, 4 Tagen

    Fussschmerzen lassen leider keine Aktivitäten zu!

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