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Die Pubertät ist eine Herausforderung sowohl für die Jugendlichen als auch für die Eltern. Für die Jugendlichen ist es wie eine Art Umbaumaßnahme. Der Körper verändert sich und für die Psyche gibt es ebenfalls einige Neuerungen zu verarbeiten. Die neue Rolle im sozialen Umfeld zu finden, ist da manchmal gar nicht so einfach. Und wie sieht es bei den Eltern aus? Ein Spagat zwischen Verantwortung abgeben und trotzdem noch behüten wollen. Auf jeden Fall für beide Seiten eine Menge zu tun in dieser Zeit.
Es ist zwar schon eine Weile her mit meiner Pubertät und der Diagnose, aber ich kann mich noch ganz gut an einige Situationen erinnern, die mich echt herausgefordert haben.
Wir stehen in einer Runde mit Freunden zusammen. Jemand bringt Süßigkeiten mit und bietet allen etwas an. Was soll ich tun? Sage ich, dass ich Diabetes habe und keine Süßigkeiten essen darf? Damals gab es leider noch die „Schwarze Liste“ und Süßigkeiten waren ein Tabu. Oder greife ich einfach zu und denke: „Ach, das eine Mal, wird schon nicht so schlimm sein.“? Ein innerer Zwiespalt, den ich so oft erlebt habe und der mir das Leben damals echt schwer gemacht hat.
Ich brauche Insulin, um zu überleben. Das war klar, aber wie gehe ich mit dem Spritzen um? Ich war in der Pubertät nicht so selbstbewusst, einfach meine Spritze rauszuholen, um zu spritzen. Es war mir unangenehm und peinlich. Ich wollte nicht darauf angesprochen werden. Ich wollte kein Mitleid und ich wollte auch keine Sprüche. Also bin ich auf die Toilette gegangen oder habe gar nicht gespritzt. In diesen Fällen habe ich mich gegen mich und meine Gesundheit entschieden. Leider viel zu oft!
Besonderes Essen, extra abgewogenes Essen, nicht dann essen, wenn ich etwas essen will. Ich esse gerne und das Thema Essen hat mich total genervt. Ich wollte einfach selbst bestimmen, was ich esse, wann ich etwas esse und wie viel ich esse. Das hat mich so wütend gemacht, dass mir der Diabetes jeden Tag wieder einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Gefühlt war es jeden Tag ein Kampf, nicht meinen eigenen Willen durchzusetzen und neben dem Erwachsenwerden auch immer noch Rücksicht auf den Diabetes nehmen zu müssen.
Die ersten Gefühle, die erste Liebe und immer die Frage im Hinterkopf: „Sag’ ich’s oder sag’ ich’s nicht?“ Wann ist ein guter Zeitpunkt? Ich hatte natürlich Bedenken, wie die Jungs reagieren, wenn sie von meinem Diabetes erfahren und das erste Mal meine Einwegspritzen sehen. Die Assoziation dazu ist wahrscheinlich erst einmal eine andere. Bekomme ich die Chance zu erklären, was ich da tue? Oder verhindert der Diabetes vielleicht, dass wir ein Paar werden? Ich hatte Angst vor Ablehnung wegen des Diabetes. Am Ende war es dann doch ganz einfach. Ich habe gleich gesagt, was Sache ist, denn das Basal-Insulin mit der Spritze lag sowieso immer sichtbar an meinem Bett.
Als klar war, dass ich diesen Artikel schreiben will, habe ich meiner Mama ein paar Fragen geschickt, denn mich interessiert einfach ihre Sichtweise. Früher haben wir leider einfach zu wenig über den Diabetes und was er mit unserem Alltag macht gesprochen. In den Fragen geht es um Angst, Sorgen, Wünsche, Freude, Unterstützungen und Herausforderungen. Ich war selber sehr gespannt, was ich für Antworten bekommen würde. „Am Anfang war alles neu. Wie viele BE hat was? Das musste ich erst einmal lernen. Ich hatte keine Schulung. Das habe ich alles aus deinen Unterlagen und von dir gelernt. Ich habe mir viel Mühe gegeben, alles ganz genau abzuwiegen, auszurechnen, um es dir leicht zu machen. Am Anfang warst du auch motiviert dabei, doch dann hatte ich immer mehr den Eindruck, dass dir alles egal ist.
Du hast einfach andere Sachen gegessen, nicht gemessen und nicht gespritzt. Das hat mich schon geärgert. Angst hatte ich keine, als ich von deiner Diagnose erfahren habe, denn ich wusste, dass man mit Diabetes gut (über)leben kann. Allerdings ist die Voraussetzung, dass man sich an seine Therapie hält. Das hat mir Sorgen bereitet, denn mit der Disziplin hattest du doch so deine Schwierigkeiten. Ich hatte einfach Sorge, dass du Spätschäden bekommst, wenn du so sorglos mit der Krankheit umgehst.“ Heute ist meine Mama froh, dass ich mich jetzt gut um mich kümmere und die Chancen nutze, die sich mir bieten, wie z.B. den Sensor zu tragen. Sie merkt, dass sich mein Leben und meine Beziehung zu meinem Diabetes verändert haben. Ich lebe jetzt in der Tat meistens nach den Regeln, die notwendig sind, damit es mir gut geht.
Wir können die Zeit nicht zurückdrehen oder Situationen aus der Vergangenheit verändern. Ein paar Ideen habe ich allerdings doch, die anderen Menschen, die sich gerade in einer ähnlichen Situation befinden, helfen können.
Über die Erwartungen, Sorgen und Nöte gerade in schwierigen Zeit zu sprechen, finde ich wichtig. Auch wenn es nicht immer einfach ist, über den eigenen Schatten zu springen. Wir können dadurch nur gewinnen, wenn wir über die Themen sprechen, die uns bewegen.
Auch wenn ich schon auf dem Weg war, erwachsen zu werden, wäre es gut gewesen, wenn auch meine Mutter eine Schulung bekommen hätte. Ich weiß nach so vielen Jahren nicht mehr, warum sie keine bekommen hat, aber es wäre wichtig gewesen.
Die Pubertät ist ein besonderer Lebensabschnitt eines Menschen. Damit sich auch die Rollen im Umgang mit dem Diabetes neu finden können, ist aus meiner Sicht wichtig für Jugendliche und Eltern, sich mit der Verantwortung auseinanderzusetzen, die jeder dabei trägt. Aufwachsen mit Diabetes war für mich eine große Herausforderung. Seid mutig und betretet diese Baustelle. Auch wenn es sehr lange gedauert hat, habe ich die Kurve gekriegt. Und das wünsche ich euch auch, egal in welcher Lebensphase ihr gerade seid!
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