Typ-2-Diabetes: Leichter abnehmen mit Darmhormonen

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Typ-2-Diabetes: Leichter abnehmen mit Darmhormonen

Einen regelrechten Hype hat in den letzten Wochen und Monaten eine neue Gruppe von Wirkstoffen ausgelöst, die beim Abnehmen helfen. Die GLP-1-Rezeptor-Agonisten sowie Zweifach- und Dreifach-Rezeptor-Agonisten standen auch bei der diesjährigen Jahrestagung der amerikanischen Diabetes-Gesellschaft (American Diabetes Association, ADA) im Juni im Mittelpunkt.

Schon seit Längerem ist der GLP-1-Rezeptor-Agonist Semaglutid als Blutzucker-senkendes Medikament für die Therapie des Typ-2-Diabetes auf dem Markt. Aufgrund seiner Wirkungen wurde Semaglutid auch als Präparat zur Gewichtsabnahme bei Adipositas zugelassen. Bei GLP-1-Rezeptor-Agonisten handelt es sich um synthetisch hergestellte Varianten des im Darm gebildeten Hormons Glucagon-like peptide-1, kurz GLP-1. Die Agonisten imitieren die Wirkung des körpereigenen Darmhormons, das eine vermehrte Ausschüttung von Insulin bewirkt, den Blutzuckerspiegel senkt, die Entleerung des Magens verlangsamt und den Appetit zügelt. Das gelingt unter anderem dadurch, dass GLP-1 ein Sättigungs-Signal an das Gehirn sendet.

Imitation der körpereigenen Hormone

An dieser Stelle setzt die neue Gruppe von Wirkstoffen an. Sie imitieren die körpereigenen Darmhormone, haben aber durch ihre länger anhaltende Wirksamkeit eine appetitzügelnde Wirkung im Gehirn. Die künstlichen Hormone docken an die gleichen Rezeptoren an wie die körpereigenen Hormone. Im Fall von GLP-1 bezeichnet man sie deshalb als GLP-1-Rezeptor-Agonisten. Als Agonisten werden in der Medizin Wirkstoffe bezeichnet, die durch die Bindung an den passenden Rezeptor einer Zelle biochemische Effekte auslösen und so diese Zelle in Aktion versetzen. Hier haben die künstlichen Darmhormone sogar einen Vorteil gegenüber den natürlichen Varianten: Semaglutid wirkt besser, weil mehr GLP-1-Rezeptor-Agonisten im Gehirn ankommen und dort durch die längere Halbwertszeit länger verfügbar sind.

In Kombination ist die Wirkung noch besser

Forschungsarbeiten von Prof. Dr. Matthias Tschöp und PD Dr. Timo Müller, beide von Helmholtz Munich und dem Deutschen Zentrum für Diabetesforschung, sowie dem amerikanischen Chemiker Prof. Dr. Richard DiMarchi haben gezeigt, dass die Kombination von künstlichen Darmhormonen, die Botschafter zwischen Verdauungssystem und Gehirn sind, zu einer noch besseren Wirkung führt. Als besonders geeignet für die Kombination mit GLP-1 erwiesen sich das in der Bauchspeicheldrüse gebildete Hormon Glukagon und das Darmhormon GIP (Glucose-dependent insulinotropic polypeptide). Während Glukagon unter anderem den Abbau von Fettgewebe unterstützt, fördert GIP das Ausschütten von Insulin in der Bauchspeicheldrüse und senkt den Blutzuckerspiegel.

Erster Zweifach-Agonist für Therapie des Diabetes zugelassen

Mittlerweile befinden sich zahlreiche Zweifach-Agonisten, auch als duale Agonisten bezeichnet, in der Entwicklung. Ein solcher dualer Agonist ist Tirzepatid. Er ist seit letztem Jahr in den USA und der EU für die Therapie des Typ-2-Diabetes zugelassen und wirkt am GLP-1-Rezeptor und am GIP-Rezeptor. Klinische Studien zeigen, dass die Effekte dieses neuen Medikaments deutlich stärker sind als die Behandlung mit den einzelnen Hormonen. So bewirkt die Substanz eine gesteigerte Insulin-Ausschüttung, wodurch unter anderem der Anstieg des Blutzuckers nach einer Mahlzeit reduziert und die Nahrungsaufnahme dank eines reduzierten Appetits verringert werden. In der Folge senkt Tirzepatid bei regelmäßiger Anwendung – es wird einmal in der Woche ins Unterhautfettgewebe gespritzt – das Körpergewicht um durchschnittlich 22 Prozent. Das ist weitaus mehr als jede bisherige sichere Behandlung von Übergewicht mit Medikamenten.

Noch mehr Hormone, noch mehr Wirkung

In den Dreifach-Agonisten werden alle drei Hormone, sprich GLP-1, Glukagon und GIP, in einem Medikament kombiniert. Beim Kongress der ADA in diesem Jahr wurden erste vielversprechende Ergebnisse aus Phase-II-Studien zu dem Dreifach-Agonisten Retatrutid vorgestellt. Phase-II-Studien sind Studien mit Menschen mit der jeweiligen Krankheit, in diesem Fall also Menschen mit extremem Übergewicht (Adipositas) und/oder mit Typ-2-Diabetes. Sowohl bei Menschen mit Adipositas als auch bei Menschen mit Typ-2-Diabetes wurden stärkere Reduktionen des Körpergewichts erzielt als mit GLP-1-Rezeptor-Agonisten allein.

Nicht ohne Risiken

Angesichts all der Hoffnung, die mittlerweile auch Menschen ohne Diabetes in die neue Wirkstoffgruppe setzen, raten viele Experten aber auch zur Vorsicht – und das nicht nur, weil der Wirkstoff Semaglutid mancherorts bereits knapp geworden ist. Wie alle Medikamente haben auch GLP-1-Rezeptor-Agonisten und die neuen Mehrfach-Agonisten Risiken und Nebenwirkungen. Begleiterscheinungen im Magen-Darm-Trakt, wie Übelkeit, Durchfall und Erbrechen, gehören zu den häufigsten. Im Allgemeinen waren diese Reaktionen meist leicht oder moderat, traten häufiger während eines Steigerns der Dosis auf und nahmen mit der Zeit ab.

Wichtig ist, dass die in den Studien gezeigten Therapie-Erfolge immer in Kombination mit einem gesunden Lebensstil erreicht wurden. Ob eine Behandlung mit einem der neuen Wirkstoffe sinnvoll und im Einzelfall geeignet ist, sollten Menschen mit und ohne Diabetes immer mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin besprechen.

Schwerpunkt Forschung: besser leben mit Diabetes


von PD Dr. Timo Müller

Avatar von timo-mueller

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2023; 72 (9) Seite 24-25

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  • bloodychaos postete ein Update vor 2 Tagen, 2 Stunden

    Hey, brauche Eure Hilfe. Habe den G7 genutzt. Als der über mehrere Monate (Frühjahr/Sommer 2025) massive Probleme (teils Abweichungen von 150 mg/dL, Messfaden schaute oben heraus) machte bin ich zum G6 zurückgegangen. Dessen Produktion wird nun eingestellt. Ich habe solche Panik, wieder den G7 zu nutzen. Habe absolut kein Vertrauen mehr in diesen Sensor. Aber mit meiner TSlim ist nur Dexcom kompatibel. Ich weiß nicht was ich machen soll, ich habe solche Angst.

    • Mit “meinem” Omnipod 5 wird der Dexcom G7 Ende 2026 voraussichtlich der einzige verfügbare Sensor sein.

      So richtig begeistert über die Einstellung des G6 bin ich auch nicht, auch wenn es absehbar war.
      Ich habe einfach die Hoffnung, dass die Qualitätsprobleme beim G7 bis dahin ausgestanden sind.

      Ich warte das Thema noch einige Monate ab.
      Wenn ich Ende 2026 feststelle, dass die Kombination aus meiner Pumpe und dem CGM für mich nicht funktioniert, bin mir sicher, dass meine Diabetes-Ärztin und ich eine gute Lösung für mich finden.

      Hier habe ich aufgeschnappt, dass für die t:slim wohl eine Anbindung des Libre 3 in der Mache ist:
      https://insulinclub.de/index.php?thread/36852-t-slim-mit-libre-3-wann/
      Leider steht keine überprüfbare Quelle dabei. 🤷‍♂️

      Ein weiterer mir wichtiger Gedanke:
      Angst und Panik sind in diesem Zusammenhang vermutlich keine hilfreichen Ratgeber. Hoffentlich schaffst Du es, dem Thema etwas gelassener zu begegnen.
      (Das sagt der Richtige: Ich habe in meinem letzten DiaDoc-Termin auch die Hausaufgabe bekommen, mal zu schauen, was mir gut tut.)

    • @ole-t1: Hey Ole, ganz lieben Dank für Deine Nachricht. Die Produktion des G6 endet laut einem Artikel auf dieser Seite ja zum 1. Juli 2026. Wann der Libre3 mit der TSlim kompatibel sein wird weiß man ja noch nicht. An sich gefällt mir Dexcom auch besser als Libre und die erste Zeit lief der G7 ja auch super bei mir. Ich kann mir schwer vorstellen, dass der G7 von heute auf Morgen nicht mehr bei mir funktioniert? Es gab ja auch das Gerücht das Dexcom eine zeitlang Produktionsprobleme hatte, dass wäre ja eine Erklärung, aber da geht Dexcom natürlich auch nicht mit hausieren.

    • @bloodychaos: Moin, ich benutze den G 7 seit Dezember 2022 (vorher G 6). Seit Dezember 2024 in Kombination mit der t:slim X 2 Ja, es hat immer mal wieder einen Sensor gegeben, der nicht richtig funktioniert hat . Dann wurde ein neuer gesetzt, der Vorfall an Dexcom gemeldet und es gab dann wenige Tage später einen neuen Sensor.
      Wie ole-t1 schon geschrieben hat, erst einmal die Ruhe bewahren und nicht in Panik verfallen. Alle auf dem Markt erhältlichen Sensoren haben Schwankungen in der Genauigkeit ihrer Angaben. Wichtig ist daher zu beurteilen, ob das, was der Sensor anzeigt, überhaupt sein kann.
      Zum Beispiel durch blutiges Nachmessen (dabei bitte dran denken, dass der Gewebezucker, den die Sensoren messen, rd. 20-30 Minuten hinter dem Blutzucker hinterher hinkt).

  • loredana postete ein Update vor 3 Tagen, 23 Stunden

    Die Registrierung mit dem Geburtsjahr war echt sportlich. Wollte es schon fast wieder abbrechen.

  • ambrosia postete ein Update vor 4 Tagen, 21 Stunden

    Ich wünsche allen einen schönen Mittwoch.

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