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Warum ist der Weltdiabetestag ausgerechnet am 14. November? Warum ist es eine Sensation, dass Theodore Ryder 76 Jahre alt wurde? Worüber wissen zwei Millionen Menschen in Deutschland nicht Bescheid? Und welches Wahrzeichen macht auch mal blau?
Im Sommer 1921 gelang es dem kanadischen Arzt Frederick Banting und dem Medizinstudenten Charles H. Best, einen Hund ohne Bauchspeicheldrüse mit einem Extrakt aus der Bauchspeicheldrüse eines anderen Hundes fünf Tage lang am Leben zu erhalten. Wenig später schafften sie es, einen anderen Versuchshund mit einem Extrakt der Bauchspeicheldrüsen von Kalbsembryonen 70 Tage lang am Leben zu erhalten.
Charles H. Best (links) und Frederick Banting (rechts) zusammen mit dem ersten Hund, der ohne Bauchspeicheldrüse durch Injektionen mit einem Extrakt aus der Bauchspeicheldrüse eines anderen Hundes über einen längeren Zeitraum überlebte.
Im Juli 1922 behandelten Banting und Best dann einen Jungen mit Typ-1-Diabetes (s. Illustration oben). Bis zu diesem Zeitpunkt bedeutete die Erkrankung den sicheren Tod. Doch Theodore Ryder sollte dank der Entdeckung von Banting und Best und der nun möglichen Behandlung mit Insulin 76 Jahre alt werden. Die Entdeckung des Insulins war bahnbrechend – das war schnell klar. Und schon 1923 erhielten Banting und der Physiologe John Macleod den Nobelpreis für Medizin. Charles H. Best ging leer aus.
Illustration der Insulinpioniere: Frederick Banting (links) und Charles H. Best.
Wie das Insulin entdeckt wurde, mehr über Frederick Banting (der voller Eifer zu Werke ging, seine chirurgischen Fähigkeiten aber überschätzt hatte) und Charles Best (der im Alter selbst an Diabetes litt) können Sie noch ausführlicher auf Wikipedia nachlesen. Und einige Anekdoten und Geschichten rund ums Insulin hat Professor Hellmut Mehnert, Deutschlands bekanntester Diabetologe, hier zusammengetragen.
Die Entdeckung von Banting und Best war also der Anfang der effektiven Behandlung von Diabetes – einer Krankheit, die laut Weltgesundheitsorganisation heute über 400 Millionen Menschen auf der ganzen Welt betrifft und für die es neben AIDS als einzige Erkrankung einen „Tag der Vereinten Nationen“ gibt. Warum aber wurde gerade der 14. November gewählt? Weil dieses Datum an den Geburtstag von Frederick Banting erinnert, der am 14. November 1891 geboren wurde.
Den Weltdiabetestag ins Leben gerufen haben 1991 die International Diabetes Federation (IDF) und die Weltgesundheitsorganisation (WHO). 2018 und 2019 steht der Weltdiabetestag unter dem Motto “Diabetes und Familie”.
Allein in Deutschland soll es nach Schätzungen zwei Millionen Menschen geben, die Typ-2-Diabetes haben – und nichts davon wissen. Dabei kann eine frühe Diagnose Leben retten! Sollten Sie also jemanden kennen, der Diabetes haben könnte, sollten Sie ihn oder sie unbedingt auf den Risikotest aufmerksam machen! Übrigens: Auch viele Typ-1-Diabetiker werden oft erst notfallmäßig im Krankenhaus diagnostiziert!
Falls Sie sich fragen, wie viele Menschen in Deutschland schon von ihrem Diabetes wissen: Es sind über 6 Millionen, davon über 300.000 mit Typ-1-Diabetes (5 Prozent). Weitere wichtige Informationen zum Thema Diabetes werden – jährlich aktualisiert – im Deutschen Gesundheitsbericht Diabetes veröffentlicht.
Zurück zum Weltdiabetestag: Jedes Jahr gibt es an diesem Tag und auch in der Zeit davor und danach einige Aktionen – hier finden Sie die Termine. Die zentrale Veranstaltung in Deutschland von diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe und der Selbsthilfeorgansiation DDH-M ist am 18. November in Berlin; die Schwerpunkte sind “Diabetes und Familie”, “Neues aus Therapie und Technik” und “Ernährung bei Typ 1 und Typ 2”.
Zum Weltdiabetestag gehört auch die Blue Monument Challenge, bei der berühmte Gebäude und andere Sehenswürdigkeiten blau illuminiert werden – in diesem Jahr wird es in Deutschland die “Zitronenpresse” (Glaskuppel der Kunstakademie) und die Hochschule der Bildenden Künste in Dresden sein, die am 14. November ganz in Blau leuchten werden. Das sieht toll aus – vielleicht können Sie an diesem Tag ja sogar selbst ab 19.00 Uhr bewundern, wie sich die Zitronenpresse blau leuchtet.
Auch wir von diabetes-online.de und dem Diabetes-Journal ehren natürlich den Weltdiabetestag – unter anderem immer wieder auf unseren Social Media-Kanälen – zu finden sind wir mit dem Diabetes-Journal (DJ) und der Online-Community Blood Sugar Lounge (BSL) auf Facebook, (DJ, BSL) Twitter (DJ, BSL) und Instagram (DJ, BSL).
Gut über Diabetes Bescheid wissen in der breiten Öffentlichkeit nämlich nur wenige, wie eine repräsentative Umfrage aus dem Jahr 2016 zeigt. So kennen fast die Hälfte der Befragten nicht die Symptome und Anzeichen für Typ-1-oder Typ-2-Diabetes – und genauso viele fühlen sich schlecht informiert. Das sollte sich unbedingt ändern – man denke an die zwei Millionen Menschen in Deutschland, die Diabetes haben, es aber nicht wissen.
Wer mehr über Philipp Lahms Diabetes-Engagement und das Video wissen möchte und außerdem erfahren will, was das alles mit dem Diabetesmonat November zu tun hat, klickt hier.
Kein Wunder, dass es immer noch so viele falsche Vorstellungen darüber gibt, wie man Diabetes bekommt („Hast wohl zu viel Süßes gegessen!“) und wie sich Diabetiker ernähren sollten. Außerdem ist doch jeder, der Diabetes hat, schwerbehindert, oder? Wie es wirklich ist, können Sie hier nachlesen.
Bleibt zu hoffen, dass sich die Wissenslücken genauso schnell schließen, wie im Moment die technische Entwicklung voranschreitet. Viele Diabetiker haben seit einiger Zeit zum ersten Mal die Möglichkeit, ihren Zuckerverlauf zu kontrollieren, ohne auf Blutzuckermessungen angewiesen zu sein. Flash Glucose Monitoring (FGM, FreeStyle Libre) und die kontinuierliche Glukosemessung mittels CGM- und rtCGM-Systemen machen es möglich, was derzeit vor allem vielen Typ-1-Diabetikern das Leben etwas erleichtert..
Da viele nun nicht mehr punktuell den Blutzucker messen, sondern den Verlauf ihres Gewebezuckers verfolgen können, müssen neue Interpretationshilfen her. Wir als Diabetes-Verlag haben schon früh Experten angesprochen und bieten verlässliche Informationen – zum Beispiel in der „CGM- und Insulinpumpenfibel“ (auch als E-Book) und in „CGM interpretieren“.
Auch in unseren Zeitschriften (Diabetes-Journal und Diabetes-Eltern-Journal) sind FGM und CGMS immer wieder Thema, ebenso auf diabetes-online.de und in der Blood Sugar Lounge (dort schreiben Menschen mit Diabetes für Menschen mit Diabetes – kenntnisreich und mitten aus dem Leben).
Und die Forschung geht weiter: Längst ist die „künstliche Bauchspeicheldrüse“ (Closed Loop) in Sicht – bestehend aus einem CGM-System und einer Insulinpumpe, die miteinander verbunden sind und den Diabetes selbsttätig managen. Und in den USA wurde schon ein Hybrid Closed Loop-System auf den Markt gebracht – für Europa gibt es mittlerweile die CE-Kennzeichnung.
Es geht also voran – aber längst nicht für alle. Am Weltdiabetestag (und nicht nur dann!) müssen wir auch an alle Diabetiker auf der Welt denken, die nicht von einer guten Diabetesbehandlung profitieren können. Jeder von uns kann etwas tun, denn es gibt Hilfsprojekte, für die wir uns engagieren können – ob mit tatkräftiger Hilfe oder durch eine Spende.
von Nicole Finkenauer-Ganz
Redaktion Diabetes-Journal, Kirchheim-Verlag,
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