Nebenwirkungen melden: Wie Arzneimittel noch sicherer werden

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Nebenwirkungen melden: Wie Arzneimittel noch sicherer werden

In Deutschland wird die Sicherheit von Arzneimitteln und Medizinprodukten kontinuierlich überwacht – so soll möglichen Problemen bei ihrer Anwendung vorgebeugt oder abgeholfen werden. Deshalb ist es wichtig, Nebenwirkungen zu melden. Wie das geschieht, beschreiben Dr. André Said und Prof. Martin Schulz von der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker.

Nebenwirkungen zu melden, trägt dazu bei, dass das Risikoprofil von Arzneimitteln besser verstanden wird und gesundheitliche Schäden für Patienten vermieden werden können.

Die Überwachung der ­Arzneimittelsicherheit in Deutschland

Die Überwachung der Arzneimittelsicherheit, auch bekannt als Pharmakovigilanz, umfasst alle Tätigkeiten, die sich mit dem Erkennen, dem Bewerten, dem Verständnis und der Prävention von Risiken im Zusammenhang mit dem Anwenden von Arzneimitteln befassen. Hierzu gehört insbesondere die kontinuierliche und systematische Sammlung von Meldungen zu möglichen (neuen) Nebenwirkungen von Arzneimitteln durch die zuständigen Stellen und Behörden.

Dies ist notwendig, da die Kenntnisse zur Sicherheit von Arzneimitteln zunächst aus den Phasen der klinischen Prüfung in der Entwicklung kommen. Dabei wendet eine relativ geringe Zahl ausgesuchter Patienten Arzneimittel unter streng kontrollierten Bedingungen an. Hinweise auf seltene und sehr seltene Nebenwirkungen können hier noch nicht oder nur unzureichend erkannt werden; dies gilt auch für (potenzielle) Wechselwirkungen und andere Probleme im Zusammenhang mit der Arzneimittelanwendung im Alltag.

Die fortlaufende Überwachung der Arzneimittelsicherheit, auch nach Zulassung, garantiert somit den sicheren, rationalen und wirksamen Einsatz von Arzneimitteln. Denn auf Basis der gesammelten Informationen und Daten können notwendige Maßnahmen zur Abwehr (neu) identifizierter Arzneimittelrisiken entwickelt, kommuniziert und umgesetzt werden. Insbesondere Patienten werden daher gebeten, vermutete Nebenwirkungen zu melden und damit einen aktiven Beitrag zu leisten, die Arzneimittelsicherheit zu erhöhen.

Wie werden Nebenwirkungen gemeldet?

Sobald vermutet wird, dass eine Nebenwirkung im Zusammenhang mit der Arzneimittelanwendung auftrat, sollten sich Patienten und Patientinnen an ihren Arzt oder ihren Apotheker wenden. Dies gilt insbesondere für Nebenwirkungen, die (noch) nicht im Beipackzettel genannt sind.

Für das Melden eines Verdachtsfalls einer Nebenwirkung nutzen Ärzte und Apotheker ein etabliertes Berichtssystem für Heilberufe mit standardisierten Meldebögen. In der Arztpraxis oder in der Apotheke können diese zusammen mit dem Patienten ausgefüllt und an die zuständige Stelle weitergeleitet werden. Alternativ stehen Patienten auch direkt ­Online-Meldeformulare der nationalen Behörden, dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI), zur Verfügung (www.nebenwirkungen.pei.de).

In jedem Fall stehen Ärzte und Apotheker bei Bedarf helfend zur Seite, um zu erkennen, ob es sich um eine Reaktion auf ein Arzneimittel handelt, also eine vermutete Nebenwirkung, oder andere Ursachen in Frage kommen. Ob das Ereignis in jedem Fall durch das in Verdacht stehende Arzneimittel hervorgerufen wurde, ist allerdings nicht vom Meldenden zu entscheiden. Dies wird nach Begutachtung und Bewertung des Berichts durch die zuständige Stelle vorgenommen. In Deutschland sind dies BfArM und PEI sowie die Pharmakovigilanz-Zentren der Heilberufe.

Folgende Angaben sind bei einer Meldung in jedem Fall zu machen:
  • Information zum betroffenen Patienten: Initialen, Alter, Geschlecht
  • Nebenwirkung(en), die aufgetreten ist/sind
  • Handelsname und/oder Wirkstoffbezeichnung sowie Dosierung des Arzneimittels, von dem vermutet wird, dass es zu einer Nebenwirkung geführt hat (falls möglich, auch Angabe der Chargen-Nummer)
  • Name und Kontaktdaten des Meldenden (Apotheker/Arzt)
Wenn möglich, sollten zu einer Meldung auch folgende (ergänzende) Angaben gemacht werden:
  • Angabe aller Arzneimittel, die zur gleichen Zeit angewendet wurden (auch nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, Nahrungsergänzungsmittel usw.)
  • individueller Gesundheitsstatus mit sämtlichen Grund- und Begleiterkrankungen
  • Angaben zur Verbesserung oder Verschlechterung der Symptome nach Absetzen des verdächtigten Arzneimittels oder nach wiederholter Anwendung
  • Schwere der Nebenwirkungen, inklusive der Folgen für den Patienten/die Patientin
  • Maßnahmen/Therapien zur Symptomlinderung sowie relevante Untersuchungsergebnisse
  • sollten Nebenwirkungen im Zusammenhang mit einem möglichen Qualitätsmangel des Arzneimittels stehen, sind auch Informationen hierzu anzugeben und das Arzneimittel ggf. für weitere Untersuchungen dem meldenden Arzt/Apotheker zu überlassen

Um die zuständigen Stellen bei der Bewertung von Ursache und Wirkung zu unterstützen, ist es daher bedeutsam, alle wichtigen Informationen so vollumfänglich und konkret wie möglich im Rahmen einer Meldung anzugeben (siehe Kasten oben). Aus diesem Grund ist es von Vorteil, wenn Patienten oder deren Angehörige den Meldebogen idealerweise von ihrem Arzt oder ihrem Apotheker ausfüllen lassen.

Alle persönlichen Daten im Zusammenhang mit der Meldung werden dabei gemäß den europäischen datenschutzrechtlichen Bestimmungen verarbeitet und ausschließlich zum Zweck der wissenschaftlichen Bewertung eines Arzneimittelrisikos verwendet. Sind dringende Rückfragen durch die zuständigen Stellen nötig, ist es überdies wichtig, dass der meldende Arzt oder der meldende Apotheker die Kontaktdaten des Patienten intern (also nur für sich) dokumentiert.

Was passiert mit einer Meldung, ­nachdem sie verschickt wurde?

Alle in Deutschland berichteten Verdachtsfälle von Nebenwirkungen werden von den zuständigen Stellen und Behörden gesammelt und hinsichtlich Vollständigkeit und Qualität geprüft. Für meldende Apotheker übernimmt dies die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) in Berlin. Die Verdachtsfälle werden gemäß nationalen Vorgaben an die jeweilige Behörde, BfArM oder PEI, weitergeleitet und in eine europäische Datenbank für Nebenwirkungsverdachtsfälle (EudraVigilance) eingepflegt. Die gesammelten Informationen stehen dann europaweit der kontinuierlichen und systematischen Arzneimittelüberwachung zur Verfügung.

Sollten sich aufgrund der eingehenden Daten neue Hinweise (Signale) für potenzielle Arzneimittelrisiken ergeben, werden diese geprüft und ggf. erforderliche Maßnahmen eingeleitet. So können sich, je nach Art und Schwere des Risikos, das Ergänzen von neuen Warnhinweisen in den Produktinformationen oder neue Anwendungsbeschränkungen ergeben, es kann aber auch zum kompletten Verbot des weiteren Inverkehrbringens des Arzneimittels kommen.

Über die neu bekannt gewordenen Risiken bzw. über die notwendigen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr werden die Heilberufe informiert, die ihrerseits dafür Sorge tragen, dass die Patientensicherheit gewahrt bleibt. In besonderen Fällen kann die zuständige Behörde die Öffentlichkeit auch direkt über Arzneimittelrisiken informieren.

Wo sind Informationen zu ­Nebenwirkungen zu finden?

In den Gebrauchsinformationen der Arzneimittel (Beipackzettel) sind die bislang bekannten möglichen Nebenwirkungen entsprechend ihrer Häufigkeit des Auftretens ausgewiesen. Weiterhin finden sich in einer öffentlich zugänglichen europäischen Datenbank (siehe folgenden Kasten) all jene Ereignisse, die bislang im Rahmen der Anwendung eines Arzneimittels beobachtet und berichtet wurden.

Weitere Infos
  • Sprechen Sie für die Meldung eines Verdachtsfalls einer Nebenwirkung Ihren Arzt oder Apotheker an. Alternativ stehen Ihnen auch Online-Meldeformulare zur Verfügung: www.nebenwirkungen.pei.de
  • In der öffentlich zugänglichen „Europäischen Datenbank gemeldeter Verdachtsfälle von Arzneimittelnebenwirkungen“ finden sich alle Ereignisse, die bislang im Rahmen der Anwendung eines Arzneimittels beobachtet und berichtet wurden. Dies bedeutet aber nicht notwendigerweise, dass diese Ereignisse mit diesem Arzneimittel in Zusammenhang stehen oder von diesem verursacht wurden.

Patienten sollten sich bei Fragen oder Bedenken aufgrund einer vermuteten Nebenwirkung daher immer an ihren Arzt oder ihren Apotheker wenden.


von Dr. André Said und Prof. Dr. Martin Schulz

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2019; 68 (8) Seite 30-32

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  • insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 1 Woche

    Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 2 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

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    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 3 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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