Systeme zur kontinuierlichen Glukosemessung (CGM-Systeme) sind für Menschen mit Diabetes, die intensiv Sport treiben, sehr hilfreich. Wie genau ein CGM-System Sportlern nützen kann, erklärt Dr. Nicolin Datz in unserer Schulungsserie.
Im Diabetes-Eltern-Journal 1/2015 berichteten wir in der Serie Gute Schule über die Handhabung der Insulintherapie unter körperlicher Belastung. Ausführlich wurde die Anpassung des Insulins und der Kohlenhydrate beschrieben und auf den Umgang mit Hypoglykämien und Hyperglykämien eingegangen.
Messung im Gewebe
Die kontinuierliche Glukosemessung (engl. Continuous Glucose Monitoring (CGM)) ist ein System, das bereits seit einigen Jahren auf dem Markt erhältlich ist und sich zunehmend in der Diabetestechnologie weiterentwickelt und durchsetzt.
Dabei handelt es sich um ein Glukosemesssystem, das mittels subkutan (also im Unterhautfettgewebe) liegender Glukosesensoren kontinuierlich die Glukosewerte des Gewebes auf ein für den Patienten sichtbares Display überträgt. Der Sensorträger erhält dabei 24 Stunden lang nicht nur Informationen über seine aktuellen Gewebezuckerwerte, sondern auch über Anstiege und Abfälle dieser Werte. Außerdem kann er sich per Alarm bei zu niedrigen und zu hohen Werten warnen lassen und so effektiv Über- und Unterzuckerungen verhindern.
Zudem können einige dieser Geräte in Kombination mit einer Insulinpumpe effektiv Hypoglykämien verhindern, da sie bei drohender Hypoglykämie bzw. Unterschreiten eines selbst definierten Grenzwertes die Insulinzufuhr über die Pumpe für zwei Stunden unterbrechen.
Kostenübernahme bisher nur in Einzelfällen
Bisher werden diese Geräte zur kontinuierlichen Glukosemessung nur bei bestimmten medizinischen Indikationen – nämlich bei häufigen, schweren oder nächtlichen Unterzuckerungen – auf Einzelanträge durch die Krankenkassen finanziert.
Viele Vorteile für alle, die intensiv Sport treiben
Für Patienten mit Diabetes, die intensiv Sport treiben und damit durch mögliche Unterzuckerungen gefährdet sind, können diese Geräte ebenfalls eine Menge Vorteile bringen. Während sonst vor, während und nach der sportlichen Belastung sehr engmaschige Blutzuckermessungen durchgeführt werden müssen, reicht hier zunächst ein Blick auf das Display. Dieses zeigt zusätzlich zum aktuellen Wert auch noch Informationen über den Trend des Wertes an (ansteigend oder abfallend). Diese zusätzliche Information ist für die Kohlenhydratzufuhr und Insulinsteuerung bei körperlicher Belastung von großem Vorteil.
Außerdem bietet die kontinuierliche Glukosemessung einen nicht zu unterschätzenden Sicherheitsvorteil für diejenigen, die z. B. am späten Nachmittag oder Abend Sport treiben und im Rahmen des Muskelauffülleffektes durch möglicherweise entstehende Unterzuckerungen gefährdet sind. Auch diese können durch das CGM-System frühzeitig erkannt und verhindert werden.
CGM-System gibt Sportlern Sicherheit
Ein weiteres wichtiges Argument für die kontinuierliche Glukosemessung bei Sportlern ist, dass sie es den Aktiven ermöglicht, sich verstärkt dem Wettkampf und ihrer Leistung zu widmen und sich gedanklich mehr und mehr von den Gefahren, die ihnen durch eine Entgleisung des Stoffwechsels drohen, zu entfernen – denn sie tragen ja ein “Sicherheitssystem” bei sich.
Wie sieht das konkret aus: CGM und Sport?
1. Vor dem Sport den Blutzucker messen, auch bei CGM
Wie im letzten Diabetes-Eltern-Journal beschrieben, empfehlen wir für Kinder und Jugendliche mit Typ-1-Diabetes einen Blutzucker von mindestens 150 mg/dl (8,3 mmol/l) vor dem Sport, anderenfalls sollte mindestens eine zusätzliche Kohlenhydrateinheit aufgenommen werden.
Beim CGM sollte der Wert selbstverständlich auch vor dem Sport angeschaut werden. Der Trendpfeil hilft hier zu entscheiden, ob bei einem BZ-Wert von 150 mg/dl (8,3 mmol/l) etwas zusätzlich gegessen werden sollte oder nicht. Bei deutlich ansteigendem Trend wäre das nicht erforderlich, bei deutlich sinkenden Werten sollte ein Kind je nach zu erwartender Belastung zusätzliche Kohlenhydrate zu sich nehmen.
2. Ein praktischer Tipp zur Fixierung
Eine zusätzliche Fixierung des Sensors ist zu empfehlen, da sich durch starke körperliche Bewegung und starke Schweißproduktion das Pflaster lösen kann und der Sensor herausrutscht.
3. Alarmgrenzen ändern
Die von uns empfohlenen Alarmgrenzen für CGM im Alltag lauten üblicherweise 80 mg/dl (4,4 mmol/l) für “niedriger Blutzucker” (bei sehr kleinen Kindern ggf. auch höher) und 180 – 220 mg/dl (10 – 12,2 mmol/l) für “hoher Blutzucker”. Bei Sportlern werden andere Alarmgrenzen empfohlen, z. B.:
- 120 mg/dl (6,7 mmol/l) für “niedriger Blutzucker”
- 250 mg/dl (13,9 mmol/l) oder Deaktivierung des Alarms für “hoher Blutzucker”
Die Warnung vor Hypoglykämien wird so hoch angesetzt, da ein Blutzuckerabfall unter körperlicher Belastung sehr schnell erfolgen kann. Mit einem vorzeitigen Alarm kann dann noch rechtzeitig für eine ausreichende Kohlenhydratzufuhr gesorgt werden, ohne das Training oder den Wettkampf unterbrechen zu müssen.
Die Warnung vor Hyperglykämien ist etwas höher angesetzt, da aufgrund der Hypoglykämiegefahr während des Sports insgesamt höhere Werte angestrebt werden sollten. Bereits vor Sportbeginn ist deshalb ein Zielbereich von 150 – 200 mg/dl (8,3 – 11,1 mmol/l) anzustreben.
4. Praktische Nutzung der Alarme und Trendpfeile
- Alarme: Grenzen siehe oben. Einmal gut eingestellt, ermöglichen die Hypoglykämiealarme eine angstfreie Ausübung des Sports.
- Trendangaben: Der waagerechte Pfeil signalisiert eine Stabilität der Glukosewerte, während der schräg ansteigende Pfeil und der schräg abfallende Pfeil allmählich ansteigende bzw. abfallende Werte ankündigen. Die senkrechten Pfeile kündigen stark ansteigende bzw. stark abfallende Werte an. Diese Trends helfen Sportlern einzuschätzen, ob und wie schnell eine Kohlenhydrataufnahme notwendig wird.
Vor Beginn eines Wettkampfes z. B. ist eine steigende Tendenz der Glukosewerte anzustreben. Dies kann durch einen Blick auf das Display schnell überprüft werden. Nach einem Wettkampf kann im Rahmen des Muskelauffülleffektes durch einen Blick auf die Trendpfeile eingeschätzt werden, ob z. B. eine Reduktion der Basalrate zur Nacht notwendig ist.
5. Art der Alarme
Für Hypo- und Hyperalarm können unterschiedliche Alarme verwendet werden. Es gibt dabei die Möglichkeit, zwischen akustischen Alarmen und einem Vibrationsalarm zu wählen. Der Vorteil: Wenn für Hypo- und Hyperglykämiealarme unterschiedliche Alarme ausgewählt werden, kann das Problem erkannt werden, ohne dass das Display angeschaut werden muss.
Fazit
Ein System, das kontinuierlich die Glukosewerte im Gewebe misst (CGM-System), bietet gerade für Sportler sehr viele Vorteile: Die sehr engmaschigen Blutzuckerkontrollen, die während des Sports nötig sind, entfallen – es reicht ein Blick auf das Display. Außerdem liefert das System Informationen über den Trend der Werte (ansteigend oder abfallend), so wird es einfacher, die Aufnahme von Kohlenhydraten und die Insulinzufuhr zu steuern. Da sich Sportler durch CGM sicherer fühlen können, können sie sich mehr darauf konzentrieren, eine starke Leistung zu bringen. Derzeit werden die Kosten für ein CGM-System aber nur in Ausnahmefällen von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.
; Zeichnung bis Ende Juni) wird versucht, eine Aufnahme von CGM ins Hilfsmittelverzeichnis der GKV voranzubringen.
von Dr. med. Nicolin Datz
Oberärztin Pädiatrie III, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin „Auf der Bult“, Hannover, E-Mail: datz@hka.de
Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2015; 8 (2) Seite 22-24