Das CGM-System zeigt: Erst Insulin, dann Essen

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Das CGM-System zeigt: Erst Insulin, dann Essen

Gehört der Spritz-Ess-Abstand der Vergangenheit an? Nein, durch die Analyse von Sensorprofilen wird die Insulingabe einige Minuten vor dem Essen gerade wiederentdeckt – und zwar als Maßnahme, die hilft, Glukoseanstiege nach dem Essen zu vermeiden.

Je mehr Sensorprofile jeder Einzelne im Laufe der Zeit betrachtet, desto einfacher wird es, Muster zu erkennen und ungünstige Gewohnheiten zu entdecken. Die Daten helfen so, schwierige Situationen immer besser zu erklären und zu beherrschen.

Der richtige Zeitpunkt für den Mahlzeitenbolus

Besonders aufgefallen ist uns dabei in letzter Zeit, wie wichtig der richtige Zeitpunkt für die Gabe des Mahlzeitenbolus ist. Dies hat in unserer Klinik dazu geführt, den früher empfohlenen Spritz-Ess-Abstand heute wieder deutlich mehr einzubeziehen. Insbesondere bei kleinen Kindern, bei denen das Abschätzen der Mahlzeitenmenge schwierig ist, haben wir früher zum Nachbolen geraten.

Dabei sollte eine ggf. notwendige Korrektur vor der Mahlzeit abgegeben werden, das Mahlzeiteninsulin erst, wenn sicher war, was und wie viel das Kind wirklich gegessen hat. Dieses Vorgehen führt aber zu deutlichen Glukoseanstiegen nach dem Essen, die ja eigentlich vermieden werden sollen. Gleiches gilt für Unterzuckerungen vor dem Essen, die zu einer verzögerten Bolusabgabe und damit ebenfalls zu hohen Werten führen.

Die Sensordaten verändern das Handeln

Mit dem Wissen aus den Sensordaten, die sowohl bei der Analyse im Nachhinein als auch im Alltag viele neue Informationen liefern, kann hier ganz anders gehandelt werden.

Nach der Injektion muss das Insulin zunächst aus dem Unterhautfettgewebe in ausreichender Menge ins Blut aufgenommen werden, damit es den Blutzuckerspiegel wirksam senken kann. Das kann oft bis zu einer halben Stunde dauern.

Die Kohlenhydrate aus der Mahlzeit führen dagegen oft schon nach ca. 10 Minuten zu sichtbaren Veränderungen auf dem Display des Sensors. Entsprechend sind sehr hohe Werte nach dem Essen nicht zu vermeiden, wenn das Insulin erst kurz vor der Mahlzeit oder sogar erst danach gegeben wird.

Änderung des Boluszeitpunktes: eindrucksvoller Effekt

Abbildung 1 zeigt dazu zwei Beispiele: In der oberen Kurve wurde das Insulin 10 Minuten vor der Mahlzeit abgegeben, in der unteren Kurve erst gegen Ende des Essens. Die Folge ist ein deutlich höherer Anstieg des Glukosespiegels, außerdem dauert es deutlich länger, bis der Ausgangswert wieder erreicht wird.

Abb. 1: In der oberen Kurve wurde das Insulin 10 Minuten vor der Mahlzeit abgegeben, im unteren erst gegen Ende des Essens.

Abbildung 2 zeigt in einem Spaghetti-Diagramm ganz deutlich, welchen Effekt eine Änderung des Boluszeitpunktes auf ca. 10 min vor jeder Mahlzeit hat. Der Insulinplan und die Katheterstelle blieben dabei unverändert. Der Effekt ist eindrucksvoll.

Abb. 2 zeigt in einem Spaghetti-Diagramm ganz deutlich, welchen Effekt eine Änderung des Boluszeitpunktes auf ca. 10 MInuten vor jeder Mahlzeit hat. Der Insulinplan und die Katheterstelle blieben dabei unverändert. Der Effekt ist eindrucksvoll.

Besser: das Insulin vor der Mahlzeit geben

Daher sollte bei jeder Mahlzeit so viel Insulin wie möglich vorab gegeben werden. Auch bei Kleinkindern gibt es meistens eine „sichere“ Mahlzeitenmenge, z. B. 10 Gramm Kohlenhydrate (1 KE). Dafür sollte das Insulin schon vor der Mahlzeit gegeben werden. Im weiteren Verlauf kann, je nach „Stand“ der Mahlzeit, in weiteren Schritten Insulin gegeben werden. Dafür sind Insulinpumpen ideal, weil das Kind nicht erneut gestochen werden muss.

Besteht vor dem Essen eine „echte“ Unterzuckerung, die das Kind in seiner Handlung beeinträchtigt, sollte ihm schnell eine kleine Menge Traubenzucker (z. B. ¼-1/2 KE) gegeben werden. Anschließend kann das Mahlzeiteninsulin gegeben und gegessen werden.

Wichtig: immer vorher messen

Die einfache Verfügbarkeit von Werten durch Scannen oder durch einen Blick aufs Gerät führt auch immer wieder dazu, dass nach dem Essen gemessene Werte für Korrekturberechnungen verwendet werden. Ein nach dem Essen bestimmter Wert ist ja durch die Mahlzeit vorher erhöht. Eine zusätzliche Korrekturberechnung mit diesem Wert führt zu falsch hohen Insulinmengen und kann zu Unterzuckerungen führen.

Natürlich wird es im Alltag immer wieder Situationen geben, in denen der Idealfall mit einem Bolus ca. 10 Minuten vor dem Essen (schnelles Analoginsulin, bei Normalinsulin ca. 30 Minuten) nicht möglich ist. Aber ein Ziel sollte es dennoch bleiben. Die angesprochenen Regeln gelten sowohl für die Pumpen- wie auch für die Pentherapie.

Bei teilautomatischer Pumpe: Insulin vor der Mahlzeit abgeben

Übrigens: Mit der viel besprochenen und schon in anderen Ländern erhältlichen teilautomatischen Insulinpumpe MUSS Insulin immer vor der Mahlzeit abgegeben werden. Da diese Pumpe auf erhöhte Werte sofort mit einer Erhöhung der Insulindosis reagiert, ist für den Mahlzeitenanstieg bereits Insulin abgegeben, wenn der vollständige Mahlzeitenbolus nach dem Essen erfolgt. Unterzuckerungen wären die Folge.

Software zu den Glukosesensorgeräten

Auf diesen Seiten können Sie die Software für die jeweiligen Geräte herunterladen:


von PD Dr. med. Torben Biester

Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2019; 11 (2) Seite 8-9

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  • bloodychaos postete ein Update vor 1 Tag, 23 Stunden

    Hey, brauche Eure Hilfe. Habe den G7 genutzt. Als der über mehrere Monate (Frühjahr/Sommer 2025) massive Probleme (teils Abweichungen von 150 mg/dL, Messfaden schaute oben heraus) machte bin ich zum G6 zurückgegangen. Dessen Produktion wird nun eingestellt. Ich habe solche Panik, wieder den G7 zu nutzen. Habe absolut kein Vertrauen mehr in diesen Sensor. Aber mit meiner TSlim ist nur Dexcom kompatibel. Ich weiß nicht was ich machen soll, ich habe solche Angst.

    • Mit “meinem” Omnipod 5 wird der Dexcom G7 Ende 2026 voraussichtlich der einzige verfügbare Sensor sein.

      So richtig begeistert über die Einstellung des G6 bin ich auch nicht, auch wenn es absehbar war.
      Ich habe einfach die Hoffnung, dass die Qualitätsprobleme beim G7 bis dahin ausgestanden sind.

      Ich warte das Thema noch einige Monate ab.
      Wenn ich Ende 2026 feststelle, dass die Kombination aus meiner Pumpe und dem CGM für mich nicht funktioniert, bin mir sicher, dass meine Diabetes-Ärztin und ich eine gute Lösung für mich finden.

      Hier habe ich aufgeschnappt, dass für die t:slim wohl eine Anbindung des Libre 3 in der Mache ist:
      https://insulinclub.de/index.php?thread/36852-t-slim-mit-libre-3-wann/
      Leider steht keine überprüfbare Quelle dabei. 🤷‍♂️

      Ein weiterer mir wichtiger Gedanke:
      Angst und Panik sind in diesem Zusammenhang vermutlich keine hilfreichen Ratgeber. Hoffentlich schaffst Du es, dem Thema etwas gelassener zu begegnen.
      (Das sagt der Richtige: Ich habe in meinem letzten DiaDoc-Termin auch die Hausaufgabe bekommen, mal zu schauen, was mir gut tut.)

    • @ole-t1: Hey Ole, ganz lieben Dank für Deine Nachricht. Die Produktion des G6 endet laut einem Artikel auf dieser Seite ja zum 1. Juli 2026. Wann der Libre3 mit der TSlim kompatibel sein wird weiß man ja noch nicht. An sich gefällt mir Dexcom auch besser als Libre und die erste Zeit lief der G7 ja auch super bei mir. Ich kann mir schwer vorstellen, dass der G7 von heute auf Morgen nicht mehr bei mir funktioniert? Es gab ja auch das Gerücht das Dexcom eine zeitlang Produktionsprobleme hatte, dass wäre ja eine Erklärung, aber da geht Dexcom natürlich auch nicht mit hausieren.

  • loredana postete ein Update vor 3 Tagen, 19 Stunden

    Die Registrierung mit dem Geburtsjahr war echt sportlich. Wollte es schon fast wieder abbrechen.

  • ambrosia postete ein Update vor 4 Tagen, 17 Stunden

    Ich wünsche allen einen schönen Mittwoch.

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