- Eltern und Kind
Das Pferd als Spiegelbild der Seele
3 Minuten
Diabetes und Pubertät – keine einfache Kombination. Wie kann man Jugendlichen helfen, besser mit dieser Zeit, dieser Situtation umzugehen?, fragte sich Karl Florian Schettler. Es entstand die Idee zum “Diabetes Riding Camp”.
Anfang April 2013 startete das Projekt “Diabetes Riding Camp” zum ersten Mal – im Bayerischen Wald. Der Diabetologe Karl Florian Schettler vom Kinderkrankenhaus St. Marien in Landshut ist selbst ein begeisterter Reiter. Er wollte die Erfahrungen aus seinem Hobby nutzen und versuchen, den positiven Einfluss von Pferden auch seinen Patienten zugutekommen zu lassen. Mit Erfolg, wie die Rückmeldungen der Teilnehmer zeigen. “Im Camp haben die Jugendlichen gelernt, besser mit ihrem Diabetes zu leben”, sagt er im Rückblick. Hier sein Bericht.
Wenn das innere Gleichgewicht schwankt …
Der Bezug zum eigenen Spiegelbild ist manchmal schwierig. Besonders in der Pubertät, wenn die ganze Welt aus den Fugen zu geraten scheint und das innere Gleichgewicht bedrohlich schwankt. Wenn der Körper, der sich auf einmal so drastisch verändert, dann auch noch krank ist, verlieren viele Heranwachsende die Balance.
Warum muss ausgerechnet ich anders sein als die anderen? Viele Jugendliche mit Diabetes stellen sich genau diese Frage – und müssen erst lernen, ihren inneren Frieden mit der Diagnose zu schließen. Doch wie kann man diesen Jugendlichen helfen, besser damit umzugehen?
Pferde: sensible Interaktion mit dem Menschen
Ein Gedanke drängte sich mir bei dieser Überlegung sofort auf: Das Pferd könnte eine Lösung sein. Es gibt kaum ein anderes Tier, das so sensibel mit dem Menschen interagiert.
Gesagt, getan: Im April 2013 verbrachten dann neun Jugendliche, die im Kinderkrankenhaus St. Marien in Landshut behandelt werden, zusammen mit ihren drei Betreuern – Kinderkrankenschwester Sabine Stautner, Diabetesberaterin Cornelia Oberhauser – und mir fünf Tage auf einem Reiterhof im Bayerischen Wald.
Idyllischen Atmosphäre
In der idyllischen Atmosphäre sollten die Kinder unter Anleitung lernen und vertiefen, wie sie ihren Blutzucker richtig messen, was sie im Hinblick auf die Ernährung beachten müssen und wie sie ihren Blutzuckerspiegel im Alltag entspannt im Blick behalten können. Ein wichtiger Aspekt war dabei auch, dass sich die Jugendlichen viel bewegen, um ihnen zu zeigen, dass man Sport mit Diabetes gut vereinbaren kann.
In den im Tagesprogramm integrierten Diabetesschulungen lernten die Teenager dann unter anderem, Brot- und Kohlenhydrateinheiten von Lebensmitteln zu berechnen, korrektes Insulinspritzen bzw. Pumpenkatheteranlegen und wie sie bei regelmäßig erhöhten Blutzuckerwerten das eigene Insulin selbst anpassen können.
Die Arbeit mit den Pferden
Durch die Arbeit mit den Pferden sollten die Jugendlichen ein Gefühl für ihren Körper entwickeln und lernen, auf seine Signale zu achten. Pferde spüren die Herzfrequenz eines Reiters. Sie merken, wie er atmet und wie sein Gemütszustand ist. Strahlt ein Reiter zum Beispiel Unsicherheit aus, wird ein Pferd ihm unter Umständen nicht folgen. Als Fluchttiere sind sie extrem sensibel. Neben diesen körperlichen und mentalen Aspekten sollten die Teenager lernen, Verantwortung zu übernehmen.
Jedem Kind wurde ein Pferd zur Pflege an die Seite gestellt. Die mitgereisten Jungs und Mädchen striegelten und fütterten die Tiere, führten sie auf die Koppel, misteten den Stall aus, und täglich gab es Reitstunden. Reiterfahrung war keine Voraussetzung, denn es wurde auch grundlegendes Wissen über Pferde vermittelt. Wie zum Beispiel die Tatsache, dass Pferde keinen Schmerzlaut besitzen. Das erfordert im Umgang mit ihnen große Verantwortung.
Kummer von der Seele reden
Oft saßen wir spontan zusammen und haben dabei auch ganz locker über Diabetes gesprochen. Gerade dieses Beisammensitzen in gemütlicher Runde mit anderen Betroffenen hat dazu geführt, dass viele sich ganz offen ihren Kummer von der Seele geredet haben. Was muss ich beachten, wenn ich auf eine Party gehe? Wie sage ich anderen, dass ich Diabetes habe – zum Beispiel der ersten Liebe? Das waren Themen, die den Jugendlichen ganz besonders unter den Nägeln brannten.
Sehr am Herzen lag es uns, ihnen zu zeigen, dass sie mit Diabetes ihr Leben so leben können, wie alle anderen auch. Durch den Austausch haben jedoch nicht nur die Jungs und Mädchen etwas dazugelernt, sondern auch wir, die Betreuer. Das war eine kostbare Erfahrung für die tägliche Arbeit in der Klinik.
medizinische Erfolge
Ist etwas von diesen Gesprächen geblieben? Hat das Camp den Teilnehmern wirklich etwas gebracht? Die Antwort darauf lautet ganz eindeutig: Ja! Das bestätigen die Jugendlichen gegegenüber uns und den Eltern sowie in nach dem Camp ausgefüllten Fragebögen. Doch nicht nur mental hat die Zeit auf dem Reiterhof die Teenager vorangebracht. Auch gesundheitliche Verbesserungen wurden konkret überprüft:
So haben wir vor und nach dem Camp den Langzeitblutzucker der Jugendlichen gemessen und verglichen. Bei einigen unserer vorherigen Problemfälle zeigte sich bereits eine Besserung. Massive Auswirkungen zeigte die körperliche Betätigung auf dem Reiterhof: Manche Teilnehmer hatten durch den Sport ihren Insulinbedarf halbiert.
Wie geht es weiter?
Überzeugt von dem Projekt möchten wir das Camp nun gerne regelmäßig durchführen, und es laufen bereits die Planungen für 2014. Überlegt wird, noch Kinder- und Jugendpsychologen sowie einen Spezialisten für therapeutisches Reiten mit ins Boot zu holen und evtl. für diesen Zweck einen gemeinnützigen Verein zu gründen. DiabetesDE Deutsche Diabetes-Hilfe unterstützt die Idee bereits ideell. Es gab auch Gespräche mit einer Krankenkasse, die Interesse gezeigt hat.
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von Karl Florian Schettler
Diabetologe, Kinderkrankenhaus St. Marien, Landshut
Kontakt:
Kirchheim-Verlag, Kaiserstraße 41, 55116 Mainz, Tel.: (06131) 9 60 70 0,
Fax: (06131) 9 60 70 90, E-Mail: redaktion@diabetes-journal.de
Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2013; 6 (4) Seite 16-17
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sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 1 Woche, 2 Tagen
hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid
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stephanie-haack postete ein Update vor 1 Woche, 3 Tagen
Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂
Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/
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lena-schmidt antwortete vor 1 Woche, 3 Tagen
Ich bin dabei 🙂
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 3 Wochen, 4 Tagen
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 2 Wochen, 5 Tagen
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
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Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike
@mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid
Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike