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In meinem Beitrag „Das Privileg Schwangerschaft – Teil 1“ berichtete ich von den ersten Gedanken an eine Schwangerschaft, der Planung und damit verbundenen Konflikten.
[Dieser Beitrag enthält unbeauftragte Markennennung.]
Als ich zum ersten Mal die Pumpe angelegt und erklärt bekam, fühlte ich mich wirklich wie ein „Avatar“: ständig ab- und ankoppeln.
Schwimmen oder Sex mit einem „Kabelschwänzchen“ im Bauch fand ich zu Beginn am allerschlimmsten. Ich brauchte einige Zeit, mich mit der „Sichtbarkeit meiner Behinderung“ vertraut zu machen. Noch hatte ich kein Selbstbewusstsein und war sehr unerfahren in der Anbringung meiner Pumpe. Sobald ich es „draufhatte“, suchte ich bessere Stechstellen. Stellen, die interessant wirken oder sich gut verstecken lassen.
Darauf bezogen hatte ich erst in meiner zweiten Schwangerschaft 2017/18 die einschlagende Idee, mich von anderen Typ-1-Diabetikern im Netz – auf Diabetes-Blogs und auf Instagram – inspirieren zu lassen und mich mit ihnen auszutauschen. Das hätte mir in der ersten Schwangerschaft sehr geholfen, wo alles neu für mich war.
Obwohl die Kanüle im Bauch das Ungeborene überhaupt gar nicht beeinträchtigt, so fand ich es immer schöner, die Kanüle am Hintern oder knapp unterhalb der Taille zu platzieren, wenn ich vorhatte, schwimmen zu gehen.
Meinen Dexcom-G5-Sensor steche ich mir bis heute gerne in den Oberschenkel oder Oberarm. Der Pumpenanschluss und der Sensor sollen sowieso gut auseinander liegen. Ich persönlich finde es visuell zudem ansprechender, wenn man aufgrund zweier „Kanülen“ nicht sofort aussieht wie ein „Schwerverletzter“.
Der Hersteller warnt davor, dass die Gewebezuckerwerte durch andere „Platzierungen“ am Körper stark zu den kapillaren Zuckerwerten divergieren können. Nach häufigem Probieren konnte ich zumindest bei mir davon ausgehen, dass die Werte weitestgehend gleich bleiben.
Was mich jedoch einige Male stark in den Unterzucker trieb, waren falsche Messungen und Warnungen des Sensors. Zu Anfang irritierten mich besonders die lauten, wiederkehrenden Alarmierungen für den Überzucker nach dem Essen. Natürlich wusste ich, dass ich gespritzt hatte. Allerdings dachte ich immer, nun mehr Insulin zu benötigen, und spritzte mich ungewollt in den Unterzucker.
Ferner gab es unzählige Male, zu denen mein Sensor einen Wert von ~300 mg/dl (16,7 mmol/l) anzeigte. Da ich mir diesen Überzucker durch meine Handlungen zuvor nicht erklären konnte, maß ich kapillar nach und hatte mehrfach einen Normalwert, der mich davor bewahrte, erneut in den Unterzuckerwahn zu fallen.
Nachdem ich mich an die Handhabung der Gerätschaften gewöhnt hatte, funktionierte die Blutzuckereinstellung sehr gut – zumindest bis zur Mitte des 5. Schwangerschaftsmonats.
Das Streben nach optimalen Blutzuckerwerten erhöhte leider auch mein Risiko für Unterzuckerungen.
Meine Diabetologin sensibilisierte mich für das Thema Hypoglykämien in der Planungsphase meiner Schwangerschaft. Sie erklärte, dass in der Frühschwangerschaft schwere Hypoglykämien wesentlich häufiger auftreten als vor der Schwangerschaft und ich darauf jederzeit gefasst sein sollte.
Guter Tipp! Aufgrund dessen hatte ich mehr Zucker-Utensilien gebunkert als sonst. Es war August 2014, als ich begann, alle meine Zucker-Vorräte zu futtern. In weiser Vorahnung machte ich am 25. August 2014 schließlich meinen ersten positiven Schwangerschaftstest.
Wie alle Frauen mit Diabetes zählte auch ich von Beginn an zu einer Hochrisikogruppe. Das wurde überall, bei jedem Arzt, im Krankenhaus meiner Wahl fett auf alle Akten geschrieben.
Es beschämte mich teilweise, wenn ich mit meiner Akte irgendwo saß und andere Patienten auf meine rote „RISIKO-Headline“ starrten. Einige Male wurde ich von anderen werdenden Müttern angesprochen und es war unglaublich, mit wie vielen Schwierigkeiten auch vermeintlich gesunde Frauen umgehen mussten.
Darunter waren Tests, die eine Trisomie bestätigten, Muttermund- und Gebärmutterschwächen, Bluter, Schilddrüsenprobleme, vorausgegangene Fehlgeburten, überraschende Lebererkrankungen und vieles mehr.
Neben gesundheitlichen Defiziten klappte es zudem bei ganz vielen nicht auf natürlichem Weg mit dem Schwangerwerden. Hier wurde mit Hormonspritzen gearbeitet und die psychische Belastung war riesengroß.
In Summe betrachtet hatten alle werdenden Mütter ihre Geschichten und schlussendlich hatte ich das Gefühl, mich mit meinem Diabetes einreihen zu können und nicht hervorzustechen.
Mir wurde klar: Eine komplikationsfreie Schwangerschaft ist ein Privileg!
Es gibt wirklich viele physische sowie viele psychische Herausforderungen beim Abenteuer „Schwangerschaft mit Diabetes Typ 1“. Pro-aktiv über eine Arbeitsreduktion oder gar ein Berufsverbot zu sprechen, wagen meiner Erfahrung nach dennoch wenige.
Ich hatte damals in meiner ersten Schwangerschaft das Gefühl, es wäre verpönt, zu „schwächeln“ und den Arbeitgeber aufgrund einer anstrengenden Schwangerschaft um eine Arbeitsreduktion zu bitten. Entsprechend erhielt ich mit Schwangerschaftserkennung damals zusätzlich die Ansage von meinem Frauenarzt, dass „schwanger sein“ keine Krankheit sei!
Ich wollte es wirklich jedem beweisen, dass ich mich – bis auf den Diabetes – bester Gesundheit erfreute und ohne Abstriche so fit wäre wie alle „Nicht-Schwangeren“. Ich arbeitete Vollzeit mit bis zu drei Geschäftsreisen pro Monat bis Beginn des Mutterschutzes durch.
Mitte/Ende des 5. Monats stieg mein Insulinbedarf plötzlich auf über 170% an. Stetig benötigte ich mehr Insulin für meine verspeisten Kohlenhydrate. Bemerken konnte ich diesen steigenden Bedarf nur an dem alarmierenden Sensor, der mich unentwegt auf Überzucker hinwies – Tag und Nacht.
Nachdem ich im 7. Monat voller Erschöpfung auf einer Geschäftsreise in Amsterdam einen Auffahrunfall hatte, weigerte ich mich, (immerhin) weiterhin auswärtige Termine wahrzunehmen.
Endlich im Mutterschutz angekommen, konnte ich die Beine dann aber auch nicht hochlegen. Von Anträgen abgesehen gab es noch so viele Vorbereitungen zu treffen und Anschaffungen zu tätigen. Der „Nestbau“ breitete sich in vollen Zügen aus und parallel kämpfte ich gegen Unter- und Überzuckerungskurven und war im Grunde nur noch am Korrigieren. Zum Schwangerschaftsende hatte ich schließlich einen Insulinbedarf von „sage und schreibe“ 270%!!!
Rückblickend war ich „schön blöd“, mich so aufzureiben!
In der zweiten Schwangerschaft 2017/18 sprach ich meinen Frauenarzt sofort pro-aktiv an, sobald ich bemerkte, dass der Insulinbedarf wieder zu steigen begann. Ich holte mir damit um den 6. Monat direkt eine ärztliche Anweisung zur Arbeitsreduktion. Diese half mir runterzukommen, wenn die Nächte durch ständiges Korrigieren kurz waren und die Erschöpfung sich breitmachte. Darüber hinaus ermöglichte mir die reduzierte Arbeitszeit, viele Erledigungen bereits frühzeitig zu treffen, ohne am Schwangerschaftsende in unnötigen Stress zu geraten. Bereits zwei Monate vor Mutterschutzbeginn – als ich die 200% meines Insulinbedarfs durchbrach – ließ ich mich komplett „aus dem Verkehr ziehen“.
Die Entscheidung bei der zweiten Schwangerschaft, frühzeitig die Notbremse zu ziehen und dem steigenden Insulinbedarf mit Achtsamkeit entgegenzuwirken, hat meinem Kind und mir sehr geholfen.
In Teil 3 von Vivis Reihe „Das Privileg Schwangerschaft“ geht es um die ersten Monate nach der Geburt und ihre Teilnahme an verschiedenen Studien zur Diabetes-Früherkennung: Das Privileg Schwangerschaft – Teil 3
Im 4. und letzten Teil von Vivis Reihe „Das Privileg Schwangerschaft“ geht es um ihre Erfahrungen beim Stillen und sie zieht ein Fazit ihrer beiden Schwangerschaften mit den 10 wichtigsten Fakten: Das Privileg Schwangerschaft – Teil 4
Zum Thema Vererbbarkeit von Typ-1- und Typ-2-Diabetes hat sich auch Antje Gedanken gemacht: Mein Kind bekommt vielleicht Diabetes. Will ich das wirklich wissen?
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