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Das Ziel: den Tod der Betazellen verhindern
4 Minuten
Typ-1-Diabetes ist eine Autoimmunkrankheit, bei der Körperabwehrzellen die insulinproduzierenden Betazellen zerstören. Gibt es eine Möglichkeit, die Betazellen zu schützen? Daran forschen US-amerikanische Wissenschaftler. Professor Danne erklärt, was dahintersteckt.
Bekanntlich ist Typ-1-Diabetes eine Autoimmunkrankheit, bei der Körperabwehrzellen die insulinproduzierenden Betazellen zerstören. Im Februarheft der wissenschaftlichen Zeitschrift „CellMetabolism“ haben Forscher des Pacific Northwest National Laboratory in den USA berichtet, dass sie den Wachstums-/Differenzierungsfaktor 15 (GDF15) als Schutzfaktor für die Betazelle identifiziert haben.
Im Experiment konnte eine Zugabe von GDF15 den über entzündungsvermittelnde Botenstoffe (sogenannte Zytokine) drohenden Zelltod von menschlichen Inselzellen blockieren. GDF15 reduzierte auch die Autoimmunreaktion und verminderte den Ausbruch von Diabetes bei Mäusen um mehr als die Hälfte. Die Wissenschaftler folgern daraus, dass GDF15 ein potenzielles Ziel für die Entwicklung einer Therapie für Typ-1-Diabetes ist.
Wie sterben die Zellen?
Es gibt zwei Möglichkeiten, wie eine Zelle sterben kann: Nekrose und Apoptose. Nekrose tritt auf, wenn eine Zelle durch eine äußere Kraft, z.B. Gift, eine Körperverletzung, eine Infektion oder die Unterbrechung der Blutversorgung (wie sie bei einem Herzinfarkt oder Schlaganfall auftreten kann), zerstört wird. Wenn Zellen durch Nekrose absterben, ist das eine ziemlich chaotische Angelegenheit. Der Tod verursacht eine Entzündung, die zu weiteren Veränderungen oder Verletzungen im ganzen Körper führen kann.
Die Betazelle stirbt durch Apoptose
Der Zelltod der Betazelle bei Typ-1-Diabetes ist jedoch eine Apoptose – die Zelle begeht Selbstmord. Die Apoptose wird manchmal auch als programmierter Zelltod bezeichnet, und tatsächlich folgt der Prozess einer kontrollierten, vorhersehbaren Routine.
Wenn eine Zelle zum Selbstmord gezwungen wird, bauen spezifische Eiweiße die für das Überleben notwendigen Zellbestandteile ab und regen die Produktion von Enzymen an, die als DNasen bezeichnet werden und die DNA im Zellkern zerstören. Die Zelle schrumpft und sendet Notsignale aus, die von sogenannten Makrophagen beantwortet werden. Die Makrophagen säubern die geschrumpften Zellen und hinterlassen keine Spuren, so dass diese Zellen keine Chance haben, den Schaden zu verursachen, den nekrotische Zellen verursachen.
Die Wissenschaftler versuchen herauszufinden, wie sie die Apoptose modulieren können, so dass sie kontrollieren können, welche Zellen leben und welche den programmierten Zelltod erleiden. Krebsmedikamente und Strahlung zum Beispiel wirken, indem sie die Apoptose in kranken Zellen auslösen. Eine erhöhte Apoptose ist ein Merkmal von AIDS, Alzheimer und Parkinson, während eine verminderte Apoptose ein Signal für Krebs sein kann. Das Verständnis der Apoptose-Regulierung könnte somit der erste Schritt zur Behandlung vieler Erkrankungen sein.
Warum gibt es Apoptose?
Die Apoptose unterscheidet sich von der Nekrose auch dadurch, dass sie für die menschliche Entwicklung unerlässlich ist. Im Mutterleib sind zum Beispiel unsere Finger und Zehen durch eine Art Gewebe miteinander verbunden. Durch die Apoptose verschwindet dieses Gewebe, so dass uns 10 verschiedene Stellen bleiben, wo Finger und Zehen mit Hand bzw. Fuß verbunden bleiben. Der programmierte Zelltod ist auch notwendig, um den Prozess der Menstruation in Gang zu setzen.
Wie wird der Zelltod reguliert?
Am Beispiel des Typ-1-Diabetes sieht man, dass die Apoptose nicht immer ein perfekter Prozess ist. Aber wie wird Apoptose nun ausgelöst? Anstatt durch eine Verletzung zu sterben, sterben Zellen, die die Apoptose durchlaufen, als Reaktion auf Signale im Körper. Wenn Zellen Viren und Genmutationen erkennen, können sie den Tod herbeiführen, um die Ausbreitung der Schäden zu verhindern.
Wenn Zellen unter Stress stehen, wie man es bei der Auslösung von Typ-1-Diabetes annimmt, oder wenn eine Person bestrahlt wird, kann Apoptose auftreten.Aber es gibt auch gegenteilige Signale im Körper, die die Botschaft aussenden, dass eine Zelle weiterleben soll.
Alle Zellen haben eine unterschiedliche Empfindlichkeit gegenüber den positiven und negativen Auslösern, so dass manchmal die falschen Zellen leben und sterben. Für die Regulation dieses Prozesses spielen Zytokine eine große Rolle. Zytokine sind Signalmoleküle, die Immunität und Entzündung vermitteln und steuern. Sie werden von Zellen des Immunsystems freigesetzt und fungieren als chemische Botenstoffe. Zytokine beeinflussen die Aktionen anderer Zellen, indem sie an Rezeptoren auf ihrer Oberfläche binden.
Identifikation von GDF15
Um der fehlgeleiteten Regulation der Apoptose auf die Spur zu kommen, verwendeten die amerikanischen Forscher die Methode der Proteomik, also die Analyse von Eiweißen (Proteine). Es ist bekannt, dass der fortschreitende Verlust von Betazellen bei Typ-1-Diabetes durch entzündungsfördernde Zytokinsignale gefördert wird und das Gleichgewicht zwischen pro- und antiapoptotischen Signaleiweißen stört.
Um die an diesem Prozess beteiligten Proteine zu identifizieren, führten die Wissenschaftler eine umfassende Proteomik menschlicher Pankreasinseln durch, die sie vorher mit entzündungsfördernden Zytokinen behandelt hatten. Das führte zur Identifizierung von 11.324 Proteinen, von denen 387 durch die Behandlung mit Zytokinen nachweislich reguliert wurden. Einer von diesen 387 war der Wachstums-/Differenzierungsfaktors 15 (GDF15), der durch die Behandlung unterdrückt wurde.
Was macht GDF15 ?
Von GDF15 waren schützende Effekte in anderen Körperzellen bekannt, aber seine Rolle in der Bauchspeicheldrüse war bis dato nicht untersucht worden. Das Team aus den USA stellte fest, dass die Bildung von GDF15 während der Entzündung blockiert und dass das Vorhandensein von GDF15 in den Inselzellen von Personen mit Typ-1-Diabetes erschöpft war. Umgekehrt hemmte die Zugabe von GDF15 die Zytokin-ausgelöste Apoptose in Zellkulturen von menschlichen Inselzellen.
In einem Tiermodell für Typ-1-Diabetes, der sogenannten NOD-Maus, reduzierte die Verabreichung von GDF15 das Auftreten von Diabetes um 53 %. Mit der Methode der Proteomik wurde also eine einzigartige Datenbank für die Identifizierung der Proteine der menschlichen Inselzellen geschaffen, die durch Zytokine reguliert werden.
Proteomische Technologien haben verschiedene Bereiche der Arzneimittelforschung und -entwicklung durch die vergleichende Bewertung von normalen und erkrankten Geweben vorangebracht. Natürlich sind jetzt noch viele weitere Schritte erforderlich, um nach den experimentellen Ergebnissen zu GDF15 daraus ein Medikament zur Verhinderung des Fortschreitens der Autoimmunität bei Typ-1-Diabetes zu entwickeln. Aber ein erster Schritt ist getan
| von Prof. Dr. med. Thomas Danne |
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| Chefarzt Kinderkrankenhaus auf der Bult, Janusz-Korczak-Allee 12, 30173 Hannover, E-Mail: danne@hka.de |
Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2020; 12 (1) Seite 6-7
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sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 2 Tagen, 6 Stunden
hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid
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stephanie-haack postete ein Update vor 3 Tagen, 3 Stunden
Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂
Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/
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lena-schmidt antwortete vor 3 Tagen, 2 Stunden
Ich bin dabei 🙂
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 2 Wochen, 4 Tagen
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 1 Woche, 5 Tagen
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
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Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike
@mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid
Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike