Deutschland – USA

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Deutschland – USA

Die Behandlung von Kleinkindern mit Typ-1-Diabetes ist eine besondere Herausforderung, sowohl für die Eltern als auch für das Diabetesteam. Ein aktueller Vergleich mit den USA zeigt das hohe Niveau der medizinischen Versorgung in Deutschland und Österreich.

Die passende medizinische Behandlung von sehr kleinen Kindern unter sechs Jahren stellt die Eltern und das betreuende Diabetesteam vor große Herausforderungen. Zum einen ist besondere Aufmerksamkeit gefragt, weil Kinder in dieser Altersgruppe häufig unregelmäßig essen, zwischendurch herumtoben und die typischen Anzeichen für Unterzuckerungen noch nicht zuverlässig mitteilen können. Zum anderen muss die Entscheidung getroffen werden, welche Insulintherapie eingesetzt wird, um die sehr kleinen Insulindosen an den Bedarf des Kindes anzupassen.

In Deutschland hat sich für Vorschulkinder in den letzten Jahren die Pumpentherapie mehr und mehr durchgesetzt.

Diabetesregister

Interessant ist daher auch der Blick in andere Länder: Welche Therapie setzt man dort bevorzugt ein? Welche Unterschiede gibt es bei der Behandlung und Betreuung von Kleinkindern mit Typ-1-Diabetes?

In Deutschland und Österreich gibt es sehr verlässliche Daten über die aktuelle medizinische Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes. Seit 1995 werden durch die Initiative der Diabetes-Patienten-Verlaufsdokumentation (DPV), die an der Universität Ulm entwickelt wurde, bundesweite Daten zur medizinischen Behandlung sowie zu Therapieergebnissen – anonym erfasst. Die mehr als 400 an der DPV-Initiative teilnehmenden Diabeteszentren (Abbildung links, linke Hälfte) ermöglichen so ein genaues Bild der Situation von über 90 Prozent aller deutschen und über 70 Prozent aller österreichischen Patienten mit Typ-1-Diabetes unter 18 Jahren.

In den USA werden vergleichbare Daten seit September 2010 im Rahmen des Diabetesregisters T1D Exchange (T1DX) gesammelt. 70 pädiatrische und endokrinologische Praxen verteilt über die USA nehmen an dieser Initiative teil (Abbildung links, rechte Hälte). Ziel beider Initiativen ist es, die Behandlung von Kindern zu verbessern.

Ergebnisse der internationalen Vergleichsstudie

Auf der Basis der beiden Diabetesregister wurde nun untersucht, inwiefern sich die Behandlung und Betreuung von Kindern unter sechs Jahren zwischen Deutschland und Österreich auf der einen Seite und den USA auf der anderen Seite unterscheiden. Insgesamt werteten Wissenschaftler dazu die Daten von 1 948 Kindern aus Deutschland/Österreich und 674 Kindern aus den USA aus.

Therapieform

Deutsche und österreichische Kinder verwendeten deutlich häufiger die Insulinpumpe als US-amerikanische (74 Prozent im Vergleich zu 50 Prozent). Auch Blutzucker-Selbstmessungen wurden hier etwas häufiger durchgeführt als in den USA (im Mittel 8 im Vergleich zu 7 Messungen pro Tag).

Stoffwechseleinstellung: HbA1c und Unterzuckerungen

Eine gute Stoffwechseleinstellung zeigt sich in möglichst normnahen HbA1c-Werten und darin, dass akute Stoffwechselentgleisungen, wie schwere Unterzuckerungen (Bewusstlosigkeit) und diabetische Ketoazidosen, weitgehend fehlen.

Insgesamt waren die HbA1c-Werte in Deutschland/Österreich niedriger als in den USA (Abbildung auf dieser Seite). Interessantes Detail: Während es bei uns keinen Unterschied zwischen den beiden Therapieformen gab, hatten die US-amerikanischen Spritzenpatienten schlechtere HbA1c-Werte als die Pumpenpatienten. Der Anteil der Kinder mit mindestens einer schweren Unterzuckerung in den vergangenen zwölf Monaten war in beiden Diabetesregistern ähnlich hoch. Diabetische Ketoazidosen traten bei den deutschen und österreichischen Kindern nur halb so häufig auf wie bei den amerikanischen Kindern: drei Prozent im Vergleich zu sechs Prozent. Für beide Diabetesregister galt: Kinder mit höheren HbA1c-Werten hatten häufiger eine diabetische Ketoazidose. Die Zahl der schweren Unterzuckerungen war dagegen nicht von der Höhe des HbA1c-Wertes abhängig.

Was kann man aus der Studie lernen?

Insgesamt ist der Stoffwechsel deutscher und österreichischer Kinder unter sechs Jahren gut eingestellt. Die niedrigeren HbA1c-Werte als in den USA lassen sich damit erklären, dass hierzulande gemäß den Empfehlungen der Internationalen Kinderdiabetesgesellschaft (ISPAD) ein HbA1c-Wert unter 7,5 Prozent angestrebt wird, während die amerikanische Diabetesorganisation (ADA) bis vor kurzem für Kinder unter sechs Jahren einen HbA1c-Wert von weniger als 8,5 Prozent empfahl. Dies wurde stets mit der Sorge vor vermehrt auftretenden Unterzuckerungen begründet. Eine der wichtigsten Erkenntnisse der hier vorgestellten Vergleichsstudie ist daher, dass in Deutschland und Österreich trotz der niedrigeren HbA1c-Werte nicht mehr schwere Unterzuckerungen auftraten als in den USA. Zeitgleich zeigen neuere Forschungen, dass länger andauernde hohe Blutzuckerwerte – Hyperglykämien – nicht nur bei Erwachsenen, sondern bereits bei jungen Kindern das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen erhöhen können. Konsequenterweise hat die ADA daher im Juni dieses Jahres die HbA1c-Richtlinie für Kleinkinder von 8,5 Prozent auf ebenfalls 7,5 Prozent gesenkt. Für Kinder, die in Deutschland und Österreich betreut werden, ändert sich also nichts.

Eine weitere Erkenntnis der Studie ist, dass in Deutschland und Österreich Insulinpumpen bei Kleinkindern stärker verbreitet sind als in den USA. Weitere Untersuchungen haben ergeben, dass sich dieses Verhältnis bei älteren Kindern und Jugendlichen umkehrt: So verwenden in Deutschland und Österreich beispielsweise 43 Prozent der Kinder mit Typ-1-Diabetes im Alter zwischen zehn und 14 Jahren eine Insulinpumpe, während es in den USA 60 Prozent sind.

Insulinpumpe oder Pen?

Letztendlich hängt die Entscheidung, ob Insulinpumpe oder Insulinpen, von den Bedürfnissen und Wünschen des Kindes und der Eltern ab. Gemäß den Daten aus dem DPV-Register bieten beide Methoden eine Diabetesbehandlung auf international hohem Niveau.

Fazit

Kleinkinder mit Typ-1-Diabetes erhalten in Deutschland und Österreich eine Behandlung auf hohem Niveau. Der internationale Vergleich zeigt eine bessere Stoffwechseleinstellung mit niedrigeren HbA1c-Werten und weniger diabetischen Ketoazidosen als in den USA. Die Insulinpumpentherapie ist in der Altersgruppe der unter Sechsjährigen hier weiter verbreitet als in den USA.

Möchten Sie die Forschung aktiv unterstützen?
Familien und Patienten, die weiteres Interesse an Forschungsprojekten zum Thema Diabetes speziell bei Kindern haben und diese aktiv unterstützen möchten, können sich über das Patientenportal www.diabetes-kind-studien.de informieren und registrieren. Über dieses Projekt können Forschergruppen aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen, beispielsweise der Psychologie, Immunologie, Genetik oder Therapieforschung, mit ihnen in Kontakt treten.

Für die gesamte Autorengruppe: D. M. Maahs, J. M. Hermann, S. N. DuBose, K. M. Miller, B. Heidtmann, L. A. DiMeglio, B. Rami-Merhar, Roy W. Beck, E. Schober, W. V. Tamborlane, T. M. Kapellen, R. W. Holl:


von Julia Hermann
Institut für Epidemiologie und medizinische Biometrie, Universität Ulm

Kontakt:
E-Mail: julia.hermann@uni-ulm.de

Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2014; 7 (4) Seite 18-20

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  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 1 Tag

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

    Uploaded Image
    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 2 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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