Eine Tablette für Menschen mit Typ 1

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Eine Tablette für Menschen mit Typ 1

Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) hat für bestimmte Patienten mit Typ-1-Diabetes erstmals eine Tablette als Zusatztherapie bei Typ-1-Diabetes empfohlen. Was sind die Vor- und Nachteile dieser SGLT-2-Hemmer? Und warum ist das Risiko für durch sie eine Ketoazidose erhöht?

Eine Tablette zusätzlich zum Insulin beim Typ-1-Diabetes? Bereits 2017 hatten die ersten Forschungsergebnisse bei Erwachsenen für Aufsehen gesorgt (s. DEJ 3/2017). Jetzt titelte die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA, für: European Medicines Agency), die eine zentrale Rolle in der Arzneimittelzulassung spielt, in ihrer Presseerklärung Mitte Februar: „Erste orale Zusatzbehandlung mit Insulin zur Behandlung bestimmter Patienten mit Typ-1-Diabetes“.

Dabei geht es um den SGLT-2-Hemmer Dapagliflozin (Forxiga). Der EMA-Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) hat für bestimmte Patienten mit Typ-1-Diabetes erstmals eine Zusatztherapie mit SGLT-2-Hemmern in Form einer Tablette empfohlen. Die Europäische Kommission nimmt in der Regel die Empfehlungen des Ausschusses an, so dass es sehr wahrscheinlich ist, dass Forxiga bereits im Sommer 2019 in der EU für Typ-1-Diabetes zugelassen wird.

Erstes Medikament für Typ-1-Diabetes seit Insulin

Dapagliflozin ist in der Europäischen Union bereits als Forxiga zur Behandlung von Patienten mit Typ-2-Diabetes zugelassen. Es gehört zu einer neuen Generation von Diabetesmedikamenten, den selektiven SGLT-2-Inhibitoren, die in den Nieren die Rückgewinnung (Rückresorption) von Glukose aus dem Urin in den Blutkreislauf verhindern. Dies hilft, den Blutzuckerspiegel zu senken und Schwankungen zu minimieren. Natürlich kann diese Behandlung nur ergänzend zum Insulin erfolgen, und die Insulintherapie muss trotz einer Behandlung mit SGLT-2-Inhibitoren immer fortgesetzt werden.

Nach einer Bewertung der Daten aus neuen klinischen Studien empfiehlt der CHMP nun, die Zulassung auf bestimmte Patienten mit Typ-1-Diabetes zu erweitern, wenn ihnen Insulin allein trotz optimaler Insulintherapie keine ausreichende Kontrolle des Blutzuckerspiegels bietet. Patienten, die für diese Behandlung in Betracht gezogen werden, sollten bestimmte Anforderungen erfüllen und keinen Body-Mass-Index (BMI) unter 27 kg/m² aufweisen. Ende Februar wurde eine vergleichbare Empfehlung für Sotagliflozin (Zynquista) ausgesprochen. Des Weiteren befindet sich auch Empagliflozin zurzeit im Zulassungsverfahren.

Behandlung birgt erhöhtes Ketoazidose-Risiko

Bereits Ende letzten Jahres war in Japan das nicht in Europa erhältliche Ipragliflozin aus der gleichen Substanzgruppe von der dortigen Behörde PMDA für Typ-1-Diabetes zugelassen worden, während die Anhörung für Sotagliflozin bei der US-Zulassungsbehörde FDA zu einem Patt bei der Abstimmung über die Abwägung von Nutzen und Risiko geführt hat und somit Unklarheit herrscht.

Ein Blick auf die Studiendaten zeigt, warum sich die Zulassungsbehörden schwertun und die für eine Kinderzulassung notwendigen Studien immer noch nicht begonnen haben. Die Einnahme dieser Tablette führt bei vielen Patienten zu einer Erhöhung der Ketonwerte im Blut. Kommt es zu einem Anstieg der Ketonwerte z. B. im Rahmen eines Katheterproblems bei der Pumpentherapie oder bei einem relativen Insulinmangel im Rahmen eines Infekts, steigt der Blutzucker gleichzeitig durch die SGLT-2-Hemmer-Behandlung nicht wie gewohnt stark an.

Somit kann die übliche Warnung, dass eine Ketoazidose droht, fehlen. Die Gefahr lässt sich nur durch eine Bestimmung der Ketonwerte (Blut- oder Urinmessung) erkennen, die bei Durchführung einer solchen Therapie immer rasch verfügbar sein muss. Tatsächlich zeigte sich in den Studien ein bis zu 8-fach erhöhtes Ketoazidose-Risiko.

Warum ist die Zulassung eingeschränkt?

Patienten, die an den Studien teilnahmen, berichteten insbesondere über wesentlich weniger Glukoseschwankungen. Insgesamt zeigten sich mit der Zusatzbehandlung mit SGLT-2-Hemmern beim kontinuierlichen Glukosemonotoring (CGM) bis zu drei Stunden mehr Zeit im Zielbereich, bessere HbA1c-Werte, ein besserer Gewichtsverlauf und bei erhöhtem Blutdruck ebenfalls bessere Blutdruckwerte.

Mit der eingeschränkten Zulassung für Patienten mit Übergewicht bezwecken die Zulassungsbehörden wahrscheinlich ein Signal, dass diese Medikamentengruppe wegen des erhöhten Ketoazidose-Risikos nicht für alle Patienten mit Typ-1-Diabetes in Frage kommt. Übergewichtige haben im Allgemeinen eine höhere Insulindosis und könnten daher weniger schnell in einen Insulinmangel kommen. Der Empfehlung liegt möglicherweise auch die Überlegung zugrunde, dass bei höherem BMI die positiven Effekte auf das Gewicht besonders zum Tragen kommen.

In jedem Fall besteht jetzt die Aussicht, dass Studien in der pädiatrischen Altersgruppe gestartet werden, um wissenschaftlich zu belegen, wie das Verhältnis von Nutzen und Risiko von SGLT-2-Hemmern in dieser Altersgruppe zu bewerten ist.


von Prof. Dr. med. Thomas Danne
Chefarzt Kinderkrankenhaus auf der Bult,
Janusz-Korczak-Allee 12, 30173 Hannover,
E-Mail: danne@hka.de

Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2019; 11 (1) Seite 6-7

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  • sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 1 Woche

    hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid

    • mayhe antwortete vor 1 Woche

      Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike

    • sveastine antwortete vor 1 Woche

      @mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid

    • Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike

  • stephanie-haack postete ein Update vor 1 Woche, 1 Tag

    Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂

    Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/

  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

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