- Eltern und Kind
Früherkennung mit Fr1dolin und Fr1da
4 Minuten
In Niedersachsen startet die Fr1dolin-Studie, mit der bei 2- bis 6-Jährigen eine wahrscheinliche Entwicklung zum Typ-1-Diabetes so früh wie möglich entdeckt werden soll. Ein weiteres Ziel: Gefährliche Ketoazidosen sollen verhindert werden.
Will man schwere Stoffwechselentgleisungen (Ketoazidosen) bei der Diagnose des Typ-1-Diabetes verhindern oder Therapien entwickeln, die die Zerstörung von insulinproduzierenden Zellen verhindern, kommt man an Früherkennungsuntersuchungen nicht vorbei.
Neuartiger Diabetesantikörper-Kombinationstest
Hinter den Namen der beiden Studien – Fr1dolin und Fr1da – verbergen sich Screening-Untersuchungen auf Typ-1-Diabetes in der Allgemeinbevölkerung.
Da bei 9 von 10 Familien, die von einem Diabetes im Kindesalter betroffen sind, kein anderes Familienmitglied Typ-1-Diabetes hat, werden in Bayern (Fr1da seit 2015) und Niedersachsen (Fr1dolin ab Mitte 2016) zwei Studien durchgeführt, um mit einer Blutprobe durch einen neuartigen Diabetesantikörper-Kombinationstest solche Kinder zu identifizieren, die mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in den kommenden 5 bis 10 Jahren einen manifesten Typ-1-Diabetes entwickeln werden.
Die Antikörper zeigen uns an, dass ein Prozess in der Bauchspeicheldrüse abläuft, der Autoimmunkrankheit genannt wird und zur Zerstörung der insulinproduzierenden Zellen führt. Haben Kinder sehr viele dieser Antikörper, entwickeln sie praktisch zu 100 Prozent in den nächsten zehn Jahren Diabetes.
Typ-1-Diabetes-Diagnose neu definieren?
Angesichts der hohen Sicherheit, mit der durch so eine Untersuchung bei jungen Vorschulkindern das baldige Auftreten eines Typ-1-Diabetes vorhergesagt werden kann, sprechen nicht wenige Wissenschaftler bereits davon, dass die Diagnose “Typ-1-Diabetes” nicht erst bei den charakteristischen Symptomen gestellt werden sollte. Typischerweise wird bei ungewollter Gewichtsabnahme, großem Durst und häufigem Wasserlassen durch den Nachweis eines erhöhten Blutzuckers heute die Diagnose gestellt.
Vielleicht spricht man aber in Zukunft bereits von Typ-1-Diabetes, wenn positive Antikörperbefunde vorliegen, damit allen Beteiligten der unausweichliche Krankheitsverlauf bewusst ist und möglicherweise lebensgefährliche Stoffwechselentgleisungen bei zu später Diagnose verhindert werden können.
Ketoazidose verhindern
Bei zwei Dritteln der Kinder, die solche multiplen Inselzellantikörper entwickeln, geschieht dies vor dem 4. Lebensjahr, aber nur 11 Prozent von ihnen entwickeln den Diabetes vor dem dritten Lebensjahr.
Die Kinderdiabetologen erschreckt dabei besonders, dass die Zahl jedes Jahr etwa um 4 Prozent zunimmt. Obwohl es eine gewisse vererbte Empfänglichkeit gibt, sind die genauen Ursachen des Typ-1-Diabetes auch heute noch unklar. Selbst bei eineiigen Zwillingen (also der gleichen Erbmasse) bekommt bei der Diabeteserkrankung eines Zwillings der andere nur in etwa der Hälfte der Fälle auch einen Typ-1-Diabetes. Es spielen auch Umweltfaktoren eine Rolle.
In Finnland gibt es z. B. viel häufiger Typ-1-Diabetes – dort ist eins von 120 Kindern erkrankt. In Japan gibt es Typ-1-Diabetes so gut wie gar nicht. Es spielen außerdem Virusinfekte eine Rolle. Aber warum das eine Kind Husten und Schnupfen bekommt und das andere Diabetes, wissen wir noch nicht genau.
Zum Zeitpunkt der Diagnose kommt ungefähr ein Drittel der Kinder trotz aller Aufklärungsmaßnahmen Jahr für Jahr mit einer schweren Zuckerentgleisung (diabetische Ketoazidose) in die Klinik. Wir müssen die Kinder also möglichst früh identifizieren, um Strategien zu entwickeln, wie einerseits die Ketoazidose bei Diagnosestellung vermieden und anderseits das Fortschreiten der Krankheit und damit die völlige Zerstörung der Insulinproduktion aufgehalten werden kann.
Neu: die Fr1dolin-Studie
Nach den sehr guten Erfahrungen mit der von Frau Prof. Ziegler vom Helmholtz Zentrum München initiierten Fr1da-Studie in Bayern gibt es jetzt eine ähnliche Untersuchung in Niedersachsen. Fr1dolin steht für “Früherkennung von Typ-1Diabetes und familiärer Hypercholesterinämie in Niedersachsen”.
Dabei werden alle Kinder in Niedersachen während der Vorsorgeuntersuchungen (U7 (ab dem 2. Lebensjahr), U7a, U8, U9) sowie während anderer Routinevorstellungen (zwischen dem 2. – 6.Lebensjahr) beim Kinderarzt mit einem Fingerpiks Blutproben entnommen. Sollte sich das Vorgehen bewähren, könnte ein Test auf Diabetes-Antikörper Teil einer U-Untersuchung für Kinder zwischen zwei und fünf Jahren werden.
Die Untersuchungen im Rahmen der Fr1dolin-Studie wurden von der Ethik-Kommission in Hannover Ende Januar genehmigt. Insofern steht dem Start jetzt nur noch Organisatorisches im Wege. Allen Kindern zwischen zwei und fünf Jahren wird in Niedersachsen bei dieser U-Untersuchung eine Blutentnahme angeboten. Zusätzlich testen wir auch auf Fettstoffwechselstörungen. Das ist ein weiterer Grund, an der Studie teilzunehmen, denn gerade bei Fettstoffwechselstörungen können wir schon ganz konkret behandeln.
Die Eltern müssen den zusätzlichen Test nicht bezahlen, da er im Rahmen der Studie kostenlos ist. Der behandelnde Kinderarzt bekommt für den zusätzlichen Aufwand eine Entlohnung.
Wer kann teilnehmen?
Teilnehmen an Fr1dolin können Kinder im Alter zwischen dem 2. und 6. Lebensjahr (beide eingeschlossen), die in Niedersachsen wohnen. Die Eltern müssen einverstanden sein, dass bei ihrem Kind Blut abgenommen wird. Beim Kinderarzt werden ca. 200 µl Kapillarblut abgenommen und ein Fragebogen ausgefüllt. Das Blut wird auf LDL-Cholesterin und Diabetes-Antikörper untersucht.
Wichtig ist natürlich auch die Planung, was passiert, wenn die Studienärzte feststellen, dass ein Kind mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Diabetes entwickeln wird bzw. erhöhte Blutfettwerte hat. Die Eltern werden mit dieser Diagnose nicht allein gelassen, sondern von dem jeweiligen Kollegen an ein Schulungszentrum in ihrer Nähe verwiesen.
Es wird außerdem ein Netzwerk der großen Kinderkliniken aufgebaut, die Kinder mit Diabetes bzw. Fettstoffwechselstörungen behandeln. Sie sind auch die Ansprechpartner für die Kinderärzte und beraten die Familien, welche Möglichkeiten sie haben und auf was sie im Einzelnen achten müssen. Das wird in den nächsten Wochen und Monaten geplant, und sobald alle Kinderkliniken Bescheid wissen und wir alle Kinderärzte kontaktiert haben, geht es los.
Studien als Voraussetzung für erfolgreiche Prävention
Laut dem Statistischen Bundesamt leben ca. 320 000 Kinder zwischen zwei und sechs Jahren in Niedersachsen. Nach den bayerischen Erfahrungen (Fr1da-Studie) erwarten wir eine Teilnahme von etwas weniger als der Hälfte der Kinder, sodass ca. 150 000 Kinder in 18 Monaten am Screening teilnehmen werden. Dies lässt etwa 450 Kinder mit Hypercholesterinämie und 450 mit Prä-Typ-1-Diabetes erwarten.
Es bleibt zu hoffen, dass Fr1da und Fr1dolin zu einer Aufnahme solcher Früherkennungsuntersuchungen in das Routineprogramm für alle Kinder in Deutschland und anderswo führen. Gleichzeitig ist dies die Grundlage für die Bemühungen, bei Typ-1-Diabetes bereits vor Ausbruch der klassischen Symptome ähnlich gute Behandlungsmethoden zu finden, wie es sie für die Fettstoffwechselstörungen schon heute gibt.
von Prof. Dr. med. Thomas Danne
Kinderdiabetologe, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin “Auf der Bult”, Hannover, E-Mail: danne@hka.de
Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2016; 9 (1) Seite 6-7
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sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 1 Woche
hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid
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stephanie-haack postete ein Update vor 1 Woche, 1 Tag
Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂
Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/
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lena-schmidt antwortete vor 1 Woche, 1 Tag
Ich bin dabei 🙂
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 3 Wochen, 2 Tagen
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 2 Wochen, 4 Tagen
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
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Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike
@mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid
Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike