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„Hybrid Closed Loop“ bekommt europäische CE-Kennzeichnung
3 Minuten
In den USA können Menschen mit Diabetes die „Hybrid Closed Loop“-Pumpe bereits nutzen, in Europa wurde kürzlich die CE-Kennzeichnung vergeben. Was kann die Pumpe – und was nicht? Und ab wann wird sie bei uns erhältlich sein? Prof. Thomas Danne über den Stand der Dinge.
In Amerika hat die amerikanische Zulassungsbehörde FDA (Food and Drug Administration) für die sogenannte „Hybrid Closed Loop“-Pumpe bereits im September 2016 grünes Licht gegeben. Seitdem sollen dort über 100.000 Pumpen mit dem Minimed 670G-System verkauft worden sein. Ende Juni 2018 berichtete der Hersteller, dass er eine CE-Kennzeichnung für Europa erhalten hat.
Was bedeutet die CE-Kennzeichnung?
In der Europäischen Gemeinschaft dürfen Medizinprodukte wie Insulinpumpen nur auf den Markt gebracht werden, wenn sie den erforderlichen Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen entsprechen und ihrem Zweck gemäß medizinisch-technisch leistungsfähig sind. Wenn dies der Fall ist, erhält das Produkt eine CE-Kennzeichnung. Es kann danach grundsätzlich verkauft werden. Das bedeutet aber nicht, dass das Minimed 670G-System nun auf allen Märkten tatsächlich erhältlich ist oder gar die Krankenkasse die Kosten dafür übernimmt.
Wann wird das System in Deutschland erhältlich sein?
In Ländern wie Belgien, Dänemark, Finnland, Irland, Italien, den Niederlanden, Norwegen, Spanien, Schweden, der Schweiz und Großbritannien wird das Minimed 670G-System voraussichtlich Ende 2018 erhältlich sein. Wann es in Deutschland soweit sein wird, lässt sich dagegen gegenwärtig nicht absehen.
Möglicherweise wird es bei uns als eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode eingeschätzt, die erst einen langwierigen regulatorischen Zulassungsprozess durchlaufen muss, der sogar Jahre dauern könnte, um insbesondere auch die Erstattungsfähigkeit des Systems sicherzustellen. Daher ist nach Angabe des Herstellers derzeit nicht abzusehen, wann das Minimed 670G-System in Deutschland erhältlich sein wird.
Das „Hybrid Closed Loop“-System: automatisierte Insulin-Mehrabgabe
Mit der Minimed 670G ist in den USA eine Insulinpumpe auch für pädiatrische Patienten ab einem Alter von 14 Jahren (seit Juni 2018 ab 7 Jahren) auf dem Markt, bei der im Zusammenspiel mit einem im Unterhautfettgewebe sitzenden Messfühler (kontinuierlicher Glukosesensor, CGM) und einem in die Pumpe eingebauten Rechensystem („Algorithmus“) eine Steuerung der Basalinsulinabgabe erfolgt.
Damit ist eine teilautomatisierte Selbstständigkeit der Insulintherapie in der Realität angekommen. Die Zulassung durch die US-amerikanische Aufsichtsbehörde FDA ist also erstmals für ein System behördlich erfolgt, dass eine automatisierte Mehrabgabe von Insulin vornimmt.
In der Zulassungsstudie, bei der die bereits vorher gut eingestellten Teilnehmer das System zu Hause nutzten, konnte eine weitere signifikante Verbesserung der Stoffwechsellage (HbA1c-Verbesserung von 7,4 ± 0,9 Prozent auf 6,9 ± 0,6 Prozent) bei gleichzeitiger signifikanter Verminderung der Unterzuckerungen und einer Verbesserung der Zeit im Zielbereich gezeigt werden. Beeindruckend ist, dass auf dem diesjährigen Amerikanischen Diabetes-Kongress präsentierte Anwendungsdaten unter Routinebedingungen von mittlerweile mehr als 32.000 Patienten vergleichbar gute Ergebnisse zeigen wie die Zulassungsstudie.
Schrittweise Verbesserung, mehr Zeit im Zielbereich
Das System Minimed 670G plus CGM wird in der Literatur oder auf Kongressen als „Hybrid Closed Loop“-System bezeichnet. Konkret bedeutet das, dass die basale Insulinversorgung auf Grundlage der Glukosesensorwerte alle 5 Minuten an den individuellen basalen Insulinbedarf angepasst wird („Automode“, erkennbar an einem Schild mit dem Sensorglukosewert im Display der Insulinpumpe).
Damit wird fortgesetzt, was zum Beispiel bei dem in Deutschland erhältlichen Minimed 670G-System im Sinne der prädiktiven Insulininfusionsunterbrechung bei fallenden Sensorglukosewerten bereits existiert. Grundsätzlich bedeutet der Algorithmus der Minimed 670G eine Verfeinerung dieser bestehenden Rechenprozesse mit dem Ziel, die Glukosekonzentration weitgehend im Zielbereich zu belassen.
Weiterhin viel Mitwirkung nötig
Der Patient muss auch beim 670G-System täglich den Sensor und die Pumpe tragen, die Sensoren kalibrieren, Kohlenhydrate abschätzen, dafür einen Mahlzeitenbolus abgeben sowie gegebenenfalls Korrektur-Bolusgaben nach Blutzuckermessung bestätigen. Zum Abdecken von Mahlzeiten und zur Korrektur muss der Patient weiterhin Blutzuckerwerte bzw. KE-Menge eingeben.
Insofern sollte man sich darüber bewusst sein, dass das neue System vom Prinzip her der in Deutschland erhältlichen Minimed 670G mit einem Modus für eine adaptierte Basalrate entspricht. Der Begriff „Hybrid Closed Loop“ wurde gewählt, weil die Basalinsulingabe automatisch alle 5 Minuten auf einen Zielwert von 120 mg/dl (6,7 mmol/l) korrigiert wird (lässt sich für maximal 12 Stunden zum Beispiel bei Sport als Schutz vor zu niedrigen Werten auf 150 mg/dl (8,3 mmol/l) hochstellen, aber z. B. nicht niedriger), und der Patient muss bei Mahlzeiten nach wie vor die Kohlenhydratmenge eingeben.
Vergisst der Nutzer die KE-Eingabe oder stimmt der KE-Faktor nicht, sind die Glukosewerte genauso unbefriedigend wie bei anderen Systemen. Nur die Insulinempfindlichkeit wird vom Gerät automatisch angepasst. Für den Fall, dass das System den Automode verlässt, verschwindet das Schild in der Anzeige.
Wann verlässt das System den „Automode“?
Das System verlässt den Automode für langandauernde hohe Glukosewerte, prolongierte Abgabe von einer vom System individuell berechneten maximalen oder minimalen Basalinsulinmenge, bei Sensorproblemen (Übertragungsfehler, Kalibration) oder Selbst-Überprüfungsproblemen. Das System arbeitet dann wieder wie eine Insulinpumpe ohne Sensorunterstützung (also auch ohne Unterzuckerungsabschaltung) nach der ursprünglich einprogrammierten Basalrate.
Dafür sind weiterhin alle traditionellen Pumpeneinstellungen erforderlich. In diesem Fall muss der Patient verschiedenen vom System vorgeschlagenen Schritten folgen, um wieder in den Auto-Modus („Automode“) zu gelangen.
„Hybrid Closed Loop“: doch nur ein Missverständnis?
Das Problem an der Bezeichnung „Hybrid Closed Loop“ ist, dass das System dadurch von vielen als „künstliche Bauchspeicheldrüse“ wahrgenommen wird und dass man oberflächlich darunter verstehen könnte, dass ein Algorithmus die Insulinzufuhr steuert, auf den weder der Arzt noch der Patient einen signifikanten Einfluss hat. Dabei ist eigentlich auch der „Hybrid Closed Loop“ wieder eine schrittweise Weiterentwicklung der jetzt schon erhältlichen sensorunterstützten Pumpentherapie, aber mitnichten die von vielen erhoffte „künstliche Bauchspeicheldrüse“, die das Diabetesmanagement von alleine macht.
von Prof. Dr. Thomas Danne
Diabetes-Eltern-Journal-Chefredakteur, Kinderdiabetologe,
Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin “Auf der Bult”, Hannover,
E-Mail: danne@hka.de
Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2018; 10 (3) Seite 6-7
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sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 1 Woche
hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid
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stephanie-haack postete ein Update vor 1 Woche, 1 Tag
Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂
Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/
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lena-schmidt antwortete vor 1 Woche, 1 Tag
Ich bin dabei 🙂
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 3 Wochen, 2 Tagen
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 2 Wochen, 4 Tagen
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
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Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike
@mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid
Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike