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Eine Studie mit 281 Kinderlebensmitteln belegt, dass die Selbstbeschränkung der Industrie bei Kindermarketing wirkungslos ist. Medizinische Fachgesellschaften und Gesundheitsorganisationen fordern daher eine gesetzliche Begrenzung.
Die seit 2007 bestehende freiwillige Selbstbeschränkung der Lebensmittelindustrie beim Kindermarketing ist wirkungslos: Die Hersteller bewerben in Deutschland weiterhin fast ausschließlich ungesunde Produkte gezielt an Kinder – obwohl sie sich im sogenannten EU Pledge [Erklärung folgt weiter unten; Anm. d. Red.] zu einem verantwortungsvollen Marketing verpflichtet haben. Das belegt eine Studie von foodwatch, die die Verbraucherorganisation heute gemeinsam mit der Deutschen Adipositas Gesellschaft, der Deutschen Diabetes Gesellschaft und diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe in Berlin vorgestellt hat.
Für die Studie hat foodwatch alle an Kinder vermarkteten Produkte derjenigen Hersteller unter die Lupe genommen, die den EU Pledge unterzeichnet haben – mit eindeutigem Ergebnis: Trotz der Selbstverpflichtung sind 90 Prozent von insgesamt 281 untersuchten Produkten keine ausgewogenen Kinderlebensmittel nach den Anforderungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Gerade einmal 29 Produkte im Test dürften nach den Kriterien der WHO-Experten an Kinder vermarktet werden.
Die medizinischen Fachgesellschaften und Gesundheitsorganisationen und foodwatch forderten Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe sowie Bundesernährungsminister Christian Schmidt auf, an Kinder gerichtetes Marketing nur noch für Lebensmittel zu erlauben, die den WHO-Kriterien entsprechen. Rein freiwillige Maßnahmen der Lebensmittelindustrie reichten nicht aus, wie das Studienergebnis deutlich zeige.
„Mit wohlklingenden Selbstverpflichtungen inszeniert sich die Lebensmittelbranche als Vorreiter im Kampf gegen Übergewicht und Fehlernährung – und vermarktet gleichzeitig tonnenweise Süßigkeiten und Junkfood gezielt an Kinder. Ein trauriges PR-Manöver, das nur von der eigenen Verantwortung ablenken soll. Die Lebensmittelwirtschaft ist nicht Teil der Lösung, sondern Kern des Problems“, sagte Oliver Huizinga, Experte für Kindermarketing bei foodwatch.
„Die sogenannte Selbstverpflichtung der Lebensmittelindustrie für die Kinderlebensmittelwerbung ist eine Mogelpackung und täuscht den Verbraucher. Die meisten ‚Kinderlebensmittel‘ sind keine Lebensmittel, sondern schlichtweg Süßigkeiten. Marketing für ‚Kinderlebensmittel‘ muss per Gesetz eingedämmt werden, sonst werden wir die Welle der Fehlernährung und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen nicht stoppen“, erklärte Dr. Dietrich Garlichs, Geschäftsführer der Deutschen Diabetes Gesellschaft und Sprecher der Deutschen Allianz Nichtübertragbarer Krankheiten (DANK).
Im Rahmen einer Initiative der Europäischen Union haben zahlreiche Lebensmittelunternehmen bereits 2007 in einer Selbstverpflichtung (dem sogenannten EU Pledge) zugesichert, Regeln für an Kinder gerichtetes Marketing einzuhalten. So sollen beispielsweise nur noch Lebensmittel, die bestimmte Nährwertanforderungen erfüllen, an Kinder unter zwölf Jahren beworben werden. foodwatch wollte überprüfen, ob diese Selbstverpflichtungserklärung dazu geführt hat, dass tatsächlich nur noch ausgewogene Lebensmittel an Kinder vermarktet werden.
Dazu wurde das Marketing der EU Pledge-Unterzeichnerfirmen in Deutschland, unter anderem Kellogg’s, Ferrero, Danone, Nestlé und Coca-Cola, untersucht: Die Nährstoffzusammensetzung aller Produkte, die sich in Marketing oder Werbung direkt an Kinder richten, wurde mit den Anforderungen der Weltgesundheitsorganisation an ernährungsphysiologisch ausgewogene Lebensmittel abgeglichen.
Ergebnis: Von insgesamt 281 Produkten im Test erfüllen nur 29 die WHO-Kriterien. 90 Prozent (252) der Lebensmittel sollten nach Meinung der Gesundheitsexperten hingegen nicht an Kinder vermarktet werden.
Das deutliche Ergebnis zeigt, dass die freiwillige Selbstverpflichtung der Lebensmittelindustrie auch acht Jahre nach Unterzeichnung nicht zu einem verantwortungsvollen Lebensmittelmarketing für Kinder geführt hat. „foodwatch“ und die medizinischen Fachgesellschaften und Patientenorganisationen kritisierten, dass der EU Pledge aus mehreren Gründen wirkungslos ist:
Das WHO-Regionalbüro für Europa hatte Anfang 2015 konkrete Vorgaben definiert, wonach nur noch ernährungsphysiologisch ausgewogene Produkte an Kinder vermarktet werden sollten. Dabei spielen unter anderem die Anteile von Fett, Zucker und Salz, aber auch der Kaloriengehalt oder zugefügte Süßstoffe eine Rolle.
In Deutschland sind 15 Prozent der Kinder übergewichtig, sechs Prozent sogar adipös, also fettleibig – ihnen drohen Krankheiten wie Diabetes Typ 2, Gelenkprobleme, Bluthochdruck und Herz-Kreislauferkrankungen. Im Vergleich zu den 80er- und 90er-Jahren ist der Anteil übergewichtiger Kinder um 50 Prozent gestiegen. Der wichtigste Grund für das Übergewichtsproblem: Kinder ernähren sich falsch. Sie essen zu viele Süßigkeiten, fettige Snacks und trinken zu viele zuckerhaltige Getränke; Obst und Gemüse kommen dagegen zu kurz.
Quelle: Gemeinsame Pressemitteilung von Deutscher Adipositas Gesellschaft (DAG), Deutscher Diabetes Gesellschaft (DDG), diabetesDE – Deutsche Diabetes Hilfe und foodwatch
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