- Eltern und Kind
Neue Leitlinie zu Diabetes bei Kindern und Jugendlichen
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Leitlinien stellen ein wichtiges Instrument zur Orientierung bei Diagnostik, Therapie und Betreuung von Erkrankungen dar. Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) koordiniert die Entwicklung von Leitlinien und achtet auf ihre regelmäßige Aktualisierung. Leitlinien unterscheiden sich von anderen Informationsquellen durch die Formulierung von klaren Handlungsempfehlungen. In diese geht auch eine klinische Wertung der Ziele mit Relevanz für Patienten, deren Betreuer sowie die Aussagekraft und Anwendbarkeit von Studienergebnissen ein.
Nach einer systematischen Literatur-Recherche zu wichtigen klinischen Fragestellungen und Themenbereichen werden die bewerteten Studien anhand von Evidenztabellen zusammengefasst. Dies dient der Transparenz, der besseren Einschätzung und Nachvollziehbarkeit und damit auch der Akzeptanz und Umsetzung der Empfehlungen. Die Evidenz S3 ist dabei die höchste Nachweisstufe.
Die Leitlinie wurde erstellt im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Diabetologie (AGPD) und der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). Die Koordinatoren der 38-köpfigen Leitliniengruppe sind Dr. Martin Holder, Stuttgart, und Dr. Ralph Ziegler, Münster.
Seit der letzten Aktualisierung der S3-Leitlinie im Jahr 2015 hat es in der Kinderdiabetologie einen enormen technischen Fortschritt und inhaltliche Weiterentwicklungen gegeben. Neue Kapitel sind dazugekommen wie "Telemedizin und Videosprechstunde", "Diabetes und Sport", "Diabetes und Krankheit/OP". Andere Kapitel sind deutlich erweitert worden, z. B. "Risikofaktoren, Früherkennung und Prävention" und "Diabetes und Technologie". Einige Themenbereiche haben ein eigenes Kapitel bekommen wie "Ernährungstherapie", "Inklusion und Teilhabe" und "Transition". Die Anzahl der Leitlinien-Autorinnen und -Autoren wurde erweitert und um "neue" Autoren ergänzt. Auch zusätzliche Berufsgruppen wie Diabetesberatung, Ernährungsberatung und eine Patientenvertreterin wurden einbezogen.
Neues und Wichtiges
Früherkennung und Prävention
Die neue Einteilung des Typ-1-Diabetes in verschiedene Stadien auch vor der Manifestation kann in Zukunft ermöglichen, den Beginn des Diabetes mit Symptomen signifikant zu verzögern oder zu verhindern. Daneben können Präventions-Studien, wie die gerade seit 2021 bundesweit durchgeführte Aufklärungskampagne der AGPD/DDG, das Auftreten einer schweren, lebensbedrohlichen Stoffwechselentgleisung (diabetische Ketoazidose) bei Manifestation des Diabetes signifikant reduzieren.
Intensivierung der Therapie
Neue ultrakurz- und ultralangwirksame Insulinanaloga erlauben eine individuellere, den jeweiligen Bedürfnissen des Kindes und Jugendlichen angepasste intensivierte Insulintherapie (ICT), insbesondere mit Insulinpens. Eine Insulinpumpentherapie soll allen Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes bei Manifestation oder als Wechsel von einer ICT angeboten werden, wenn sie oder ihre Eltern/Betreuer in der Lage sind, diese Therapieform sicher anzuwenden. Viele Studien haben gezeigt, dass mit der Insulinpumpentherapie, insbesondere bei frühem Beginn, in allen Altersgruppen im Vergleich zur ICT eine normnähere Stoffwechselsituation, erkennbar am HbA1c, erzielt werden kann. Das Gleiche gilt für die kontinuierliche Glukosemessung (CGM). CGM hat entscheidend das Management des Typ-1-Diabetes bei Kindern und Jugendlichen verändert.
Die aktuell immer häufigere Anwendung von Systemen zur automatisierten Insulindosierung (AID-Systeme), eine Kombination aus Insulinpumpe, CGM und Steuerungsalgorithmus, bedeutet einen Quantensprung in der Therapie von Kindern und Jugendlichen. Erste Studien und die tägliche Praxis zeigen eindrücklich eine normnähere Stoffwechselsituation, eine Reduktion der Glukoseschwankungen, eine deutlich stabilere Situation nachts mit einer besseren Schlafqualität für Patienten und Eltern und besserer Effektivität tagsüber. Deshalb sollte eine aktuelle Pumpen- bzw. Sensorverordnung heute auf jeden Fall die Möglichkeit zum AID-System bieten – so steht es nun auch in der Leitlinie.
Durch die Anwendung neuer Technologien und dadurch normnäherer Stoffwechselsituation haben sich die Therapieziele verändert. Der angestrebte HbA1c-Wert soll unter 7,0 % (53 mmol/mol) sein, ohne dass schwere Unterzuckerungen (Hypoglykämien) auftreten. Ergänzend sollten Sensordaten wie der Glukose-Management-Indikator (GMI), die Zeit im Zielbereich (Time in Range, TIR, Bereich 70 – 180 mg/dl bzw. 3,9 – 10,0 mmol/l) über 70 Prozent und die Zeit unterhalb des Zielbereichs (Time below Range, TBR) unter 4 Prozent verwendet werden.
Schulung
Die Schulung der Patientinnen und Patienten stellt weiterhin einen wichtigen Bestandteil der Diabetestherapie dar. Für eine erfolgreiche Anwendung der neuen Systeme sind neben einer technischen Einweisung eine gute Vorbereitung und ausführliche Schulung notwendig. Diabetes-Technologie sollte verständlich erklärt werden.
Andere Diabetesformen
Ein eigenes Kapitel befasst sich mit den verschiedenen anderen Diabetesformen im Kindesalter. Sie sind zwar seltener, aber die Empfehlungen der Leitlinie sind umso wichtiger für die Versorgung.
Inklusion und Teilhabe
Da die Kinder in immer jüngerem Alter an Typ-1-Diabetes erkranken, ist eine intensivere Betreuung in Kitas, Kindergärten und Schulen absolut notwendig. Deshalb wird für diese Einrichtungen der Einsatz von Kita-, Kindergarten- und Schulgesundheitsfachkräften gefordert.
Die vorliegenden Empfehlungen konzentrieren sich auf das gesamte Spektrum der pädiatrischen Diabetologie, berücksichtigen aber auch die Besonderheiten der jeweiligen Altersgruppen. Sie richten sich an alle Berufsgruppen, die Kinder und Jugendliche mit Diabetes und deren Familien betreuen und unterstützen, sowie an übergeordnete Organisationen (z. B. Krankenkassen), die mit der Erkrankung befasst sind.
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