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Ein neues Insulin, einige neue Hybrid-Closed-Loop-Systeme und ein vielversprechendes Medikament wurden beim virtuellen ADA-Kongress vorgestellt. Aber das bestimmende Thema war natürlich das Corona-Virus – und wie sich die Pandemie auf die Diabetesversorgung auswirkt.
Wie fast alles im Jahr 2020 war auch die größte Diabeteskonferenz des Jahres alles andere als normal. Statt als Zusammenkunft in Chicago wurde die 80. wissenschaftliche Jahrestagung der American Diabetes Association (ADA) zum ersten Mal vollständig online als Streaming-Konferenz abgehalten. Seit der Gründung der Organisation im Juni 1940 wurde die wichtigste wissenschaftliche Tagung jedes Jahr als großes Treffen der Diabetes-Experten veranstaltet – nur während des Zweiten Weltkriegs fand die Konferenz nicht statt.
Aus der ganzen Welt schalteten sich die Fachleute für die fünftägige Veranstaltung vom 12. bis 16. Juni zu. Viele von ihnen eher in Freizeit- als in professioneller Konferenzkleidung und von ihren Küchen, Wohnzimmern und „home offices“ aus, die Präsentationen aufgelockert durch neugierige Kinder und Haustiere, die gelegentlich vorbeikamen.
Insgesamt 12.537 Teilnehmer registrierten sich für die virtuelle Veranstaltung der ADA, davon 34 Prozent aus den USA und 66 Prozent aus dem Ausland. Bedenkt man, dass sicherlich der ein oder andere zahlende, registrierte Teilnehmer seine Log-in-Daten heimlich mit einem anderen Diabetes-Teammitglied teilte, war dies verglichen mit den üblichen 15.000 bis 17.000 Diabetes-Experten, die normalerweise persönlich teilnehmen, sicher ein großer Erfolg.
Die Teilnehmer sahen über 800 Präsentationen während 200 virtueller Sitzungen, dazu Preisverleihungsvorträge, ganz zu schweigen von Postersitzungen, Empfängen, Symposien und „Theatern“, bei denen die Industrie die neuen Produkte vorstellte.
Während das ultraschnelle Mahlzeiteninsulin Fiasp des Unternehmens NovoNordisk auch schon in Deutschland verschrieben werden kann, gab das Unternehmen Eli Lilly bekannt, dass es in Amerika die Zulassung für sein ultraschnelles Insulin Lyumjev (ausgesprochen LOOM-jehv) erhalten hat.
Die Daten aus klinischen Studien zeigen, dass Lyumjev schneller einsetzt, um den Glukosespiegel zu beeinflussen: Es braucht dafür nur 13 Minuten – Humalog und andere Insuline, die zu den Mahlzeiten injiziert werden, brauchen bis zu 27 Minuten. Zunächst ist Lyumjev nur für Erwachsene zugelassen, da pädiatrische Studien noch laufen. Auch die Zulassung zur Verwendung in Insulinpumpen steht bisher noch aus.
Bereits die CE-Zulassung ab dem Alter von 7 Jahren als Voraussetzung für eine Markteinführung in Europa hat Medtronic für sein neues Minimed 780G-System, bekannt als das Advanced Hybrid-Closed-Loop (AHCL)-System, erhalten. Die neue Pumpe wird einen automatischen Korrekturbolus sowie eine Einstellmöglichkeit auf einen niedrigeren Zielwert von 100 mg/dl (5,6 mmol/l) aufweisen (im Vergleich zu dem festen Ziel von 120 mg/dl (6,7 mmol/l) im aktuellen 670G-System). Außerdem wird die 780G mit einer Bluetooth-Konnektivität ausgestattet, um den Datenaustausch zu ermöglichen.
Beim Kongress wurden die ersten Studiendaten präsentiert: In der internationalen FLAIR-Studie, an der auch das Kinderkrankenhaus „Auf der Bult“ in Hannover teilnahm, wurden 113 Menschen mit Typ-1-Diabetes im Alter von 14 bis 29 Jahren (20 Prozent mit Injektionstherapie, 38 Prozent ohne CGM) eingeschlossen und verwendeten in zwei Phasen von je 12 Wochen entweder die herkömmliche 670G Hybrid-Closed-Loop-Pumpe oder das neue AHCL-System.
Während bei Studienbeginn nur 12 Prozent die internationalen Konsensus-Zielwerte einer Time in Range über 70 Prozent mit unter 1 Prozent Zeit unter 54 mg/dl (3 mmol/l) erreichten, wurde dies von 21 Prozent mit der 670G und immerhin 30 Prozent mit dem neuen System erreicht.
Während die Kombination der t:slim X2-Insulinpumpe mit dem DexCom G6 zum Hypoglykämie-Schutz seit dem Sommer auch in Deutschland erhältlich ist, gab das Unternehmen Tandem Diabetes Care die FDA-Zulassung seines Control-IQ-Systems (ebenfalls ein Hybrid-Closed-Loop System) für Kinder ab 6 Jahren bekannt. Tandem präsentierte beim ADA auch einige neue Daten über die Leistungsfähigkeit des Systems in der Praxis, die zeigen, dass es die Zeit im Zielbereich verbessert, ohne zu mehr niedrigen Blutzuckerwerten zu führen.
Das Unternehmen Insulet präsentierte erste Erfolge seines Systems einer schlauchlosen Patch-Pumpe mit dem DexCom G6 in einem geschlossenen Hybridkreislauf, das vom ursprünglichen Namen Omnipod Horizon in Omnipod 5 umbenannt wurde. Die Kinderdiabetologin und medizinische Direktorin bei Insulet, Trang Ly, kündigte an, dass Omnipod 5 im ersten Halbjahr 2021 in den USA erhältlich sein wird, wollte sich aber bezüglich einer Markteinführung in Europa noch nicht festlegen.
Golimumab, das unter dem Namen Simponi vermarktet wird, wird derzeit zur Behandlung von rheumatoider Arthritis, Colitis ulcerosa und anderen Autoimmunkrankheiten eingesetzt, ist jedoch nicht für die Behandlung von Typ-1-Diabetes zugelassen. Kinderdiabetologen aus Buffalo und Miami untersuchten, ob Golimumab ein potenzieller krankheitsmodifizierender Wirkstoff für neu diagnostizierte Patienten mit Typ-1-Diabetes ist.
Das Hauptziel der Studie war es, herauszufinden, ob Golimumab die Funktion der Betazellen erhalten kann. Dies wurde durch die Messung der Menge an C-Peptid im Blut der Patienten während eines vierstündigen Mahlzeitentests beurteilt. Da C-Peptid nur körpereigenes Insulin und kein injiziertes Insulin widerspiegelt, zeigen die C-Peptid-Spiegel, wie gut die Bauchspeicheldrüse Insulin produziert.
56 Patienten im Alter zwischen 6 bis 21 Jahren, die mit Golimumab behandelt wurden, hatten 52 Wochen nach Studienbeginn einen höheren C-Peptid-Spiegel im Vergleich zu 28 mit Placebo. Nahezu 43 Prozent der Teilnehmer, die Golimumab erhielten, befanden sich in einer Teilremission des Diabetes, gegenüber 7 Prozent der Teilnehmer, die Plazebo erhielten.
Zweifellos stand die globale Coronavirus-Krise und wie sie zu einem schnellen Übergang zu Telemedizin und Fernversorgung geführt hat, im Mittelpunkt der Konferenz. Dieses Thema tauchte in fast allen Sitzungen auf, sei es bezüglich von Versorgungsmodellen, Gesundheitsökonomie oder einfach der Veränderungen im persönlichen Diabetesmanagement.
Auch die Chancen und Risiken der neuen Technologie und die virtuelle Versorgung in ländlichen Gemeinden (die möglicherweise am meisten von den raschen Fortschritten in der telemedizinischen Versorgung profitieren) wurden besprochen; ebenso standen soziale und ethnische Ungleichheiten im Fokus.
Angesichts der Tatsache, dass die hochwissenschaftliche Tagung oft kritisiert wurde, weil sie sich nicht genug um die täglichen Belange von Menschen mit Diabetes gekümmert hat, stellt dies möglicherweise einen Richtungswechsel dar.
von Prof. Dr. med. Thomas Danne |
Chefarzt Kinderkrankenhaus auf der Bult, Janusz-Korczak-Allee 12, 30173 Hannover, E-Mail: danne@hka.de |
Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2020; 12 (3) Seite 6-7
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