„Thema Diabetes in Fitness-Studios noch nicht angekommen“ – neues Gütesiegel soll das ändern

5 Minuten

„Thema Diabetes in Fitness-Studios noch nicht angekommen“ – neues Gütesiegel soll das ändern
© contrastwerkstatt – stock.adobe.com
„Thema Diabetes in Fitness-Studios noch nicht angekommen“ – neues Gütesiegel soll das ändern

„Fit mit Diabetes” heißt das neue Gütesiegel für ein sicheres Training in Fitness-Studios, das von der Arbeitsgemeinschaft „Diabetes, Sport & Bewegung“ der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) zusammen mit Partnern entwickelt wurde. Dr. Meinolf Behrens, einer der Initiatoren, erklärt im Interview, was es mit dem Siegel auf sich hat.

Regelmäßige körperliche Aktivität bringt eine Reihe von gesundheitlichen Vorteilen – insbesondere für Menschen mit Diabetes. Viele nutzen dazu das Angebot von Fitness- und Gesundheitsstudios. Doch bieten diese auch die notwendige Qualität und Expertise in Sachen Diabetes, sodass Sport dort mit ausreichender Sicherheit durchgeführt werden kann?

Damit Menschen mit Diabetes dies auf einen Blick erkennen können, gibt es nun das neue Gütesiegel „Fit mit Diabetes“, dass im April auf der FIBO in Köln, der weltgrößten Fitnessmesse, vorgestellt wurde. Entwickelt wurde es von der DDG-Arbeitsgemeinschaft „Diabetes, Sport und Bewegung“ in Zusammenarbeit mit diabetesDE, der IST-Hochschule sowie der Experten Allianz für Gesundheit e.V.

Maßgabelich daran beteiligt war Dr. Meinolf Behrens (siehe Kasten). Mit ihm sprechen wir darüber, wozu es überhaupt eines solchen Siegels bedarf, welche Chance es bietet und wie die Zertifizierung abläuft.

Dr. Meinolf Behrens ist Diabetologe, Sport- und Ernährungsmediziner und seit 20 Jahren niedergelassen im Diabeteszentrum Minden in Ostwestfalen.
Er engagiert sich in der DDG-Arbeitsgemeinschaft „Diabetes, Sport & Bewegung“ und ist auch in der Patientenkommunikation aktiv – als Redaktionsmitglied des Diabetes-Journals und des Diabetes-Ankers. Ins Fitnessstudio und zum Laufen geht er jeweils zweimal pro Woche.

Herr Dr. Behrens, wozu bedarf es eines Siegels wie „Fit mit Diabetes“? Können Menschen mit Diabetes nicht einfach in ein Sportstudio gehen und loslegen?

Dr. Behrens: Zunächst einmal fällt es im Bereich der Gesundheits- und Fitnessstudios auch Fachleuten relativ schwer, unter Qualitätsgesichtspunkten den Markt zu sondieren und zu unterscheiden, welche Studios etwas mehr für den gesundheitsorientierten Sport stehen. Und wir wissen natürlich auf der anderen Seite, wie wichtig die körperliche Aktivität für Menschen mit Diabetes ist. Aber: Sport mit Diabetes bedarf eben schon einer besonderen Aufmerksamkeit – wegen des möglichen Risikos für eine Stoffwechselentgleisung, aber auch aufgrund von diabetesassoziierten Erkrankungen.

Unser Eindruck ist, dass in den Fitnessstudios das Thema Diabetes noch nicht angekommen ist. Wir haben aber nicht das Anliegen, dass nun Fitnesstrainerinnen und Fitnesstrainer zu Medizinern und Diabetologen werden, sondern es geht darum, Bewusstsein für die Erkrankung und damit für Menschen mit Diabetes, die Sport im Fitnessstudio treiben, zu schaffen. Die Grundidee ist, für diese Menschen Qualität, Sicherheit und Transparenz in die Studios zu bringen.

Welche Kriterien muss ein Studio für das Siegel erfüllen?

Dr. Behrens: Wir haben einen Kriterienkatalog erstellt. Primär waren daran Diabetologinnen und Diabetologen beteiligt, aber auch Sportwissenschaftlerinnen und Sportwissenschaftler und letztlich auch die Trainingsanbieter. Das ist eine ganz besondere Konstellation, die es in dieser Form noch nicht gegeben hat.

Das Herzstück dieses Katalogs ist sicherlich die Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir haben eine sogenannte Fachqualifikation geschaffen: Jedes Studio, das zertifiziert wird, benötigt jemanden, der beim Thema Diabetes „den Hut aufhat“. Wir wollten keine neue Ausbildung schaffen, weil der Fitness- und Gesundheitsmarkt schon voll ist mit Ausbildungen. Unser Grundkriterium ist deshalb z. B. eine Übungsleiterausbildung der unterschiedlichen Verbände oder auch eine andere, ähnliche Ausbildung. Wer die hat, hat schon eine ganz entscheidende Grundvoraussetzung erfüllt. Diese Grundausbildung kombinieren wir mit einer fünfstündigen diabetesspezifischen Qualifikation, die wir Basisqualifikation nennen. Zusätzlich ist angedacht, dass die Trainerinnen und Trainer in einer diabetologischen Schwerpunktpraxis hospitieren, so dass sie am Ende von uns die Fachqualifikation bekommen. Darüber hinaus müssen die Studios weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter qualifizieren, die dann aber „nur“ die Basisqualifikation haben.

Es gibt noch weitere Voraussetzungen für die Studios wie das Notfallmanagement, eine entsprechende Infrastruktur, ein Angebot an Gruppen- und Einzeltraining. Das sind aber letztlich Kriterien, die ein gutes Fitnessstudio, ein gutes Gesundheitsstudio sowieso erfüllt. Zudem sollte es in einem Studio mit dem Siegel „Fit mit Diabetes“ ein Blutglukosemessgerät und ein Ketonmessgerät geben. Die Geräte müssen regelmäßig überprüft werden. Auch sollten schmale und breite Blutdruckmanschetten vorhanden sein. Und: Die Studios müssen ärztlich betreut werden.

Wann startet die Qualifikation der Trainerinnen und Trainer? Dr. Behrens: Wir haben die ersten Termine festgelegt, zwei für Düsseldorf und zwei für München. Informationen dazu gibt es auf unserer Website diabetes-bewegung.de. Zudem bieten wir Studios/Studioketten, die mehrere Trainerinnen und Trainer qualifizieren möchten, an, zu ihnen ins Studio zu kommen.

Mehr zum Thema
➤ Checkliste: Worauf man beim Sport mit Diabetes achten sollte

Wer vergibt das Siegel – die AG?

Dr. Behrens: Genau, die Arbeitsgemeinschaft Diabetes, Sport & Bewegung vergibt das Siegel. Aber wir haben Partner, mit denen wir zusammenarbeiten. Zum einen ist das die Expertenallianz für Gesundheit, das ist ein Zusammenschluss von Fachleuten aus verschiedenen Gesundheits- und Wissenschaftsdisziplinen. Daran sind Sportwissenschaftlerinnen und Sportwissenschaftler beteiligt, aber auch Trainingsanbieter, mit denen wir kooperieren und die ein vorzügliches Netzwerk haben, denn es ist ja ganz wichtig, dass wir als Diabetologinnen und Diabetologen die Studios auch erreichen.

Der Prozess der Zertifizierung läuft über einen weiteren Partner, die IST-Hochschule, die Bachelor- und Masterstudiengänge im Bereich Fitness und Gesundheit anbietet. Einer der Dozenten ist Professor Dr. Christian Brinkmann, der auch in der AG sehr aktiv ist und dafür sorgt, dass Auditoren gewonnen werden, die den Zertifizierungsprozess fachlich überwachen. All das können wir als AG natürlich nicht so nebenbei leisten.

Wer kann sich am Siegel „Fit mit Diabetes“ orientieren?

Dr. Behrens: Alle Menschen mit Dia-betes, egal, ob sie Typ-1- oder Typ-2-Diabetes haben. Zwar gibt es bei Menschen mit Typ-2-Diabetes einen kausalen therapeutischen Ansatz. Aber man muss auch ganz nüchtern sagen: Der Lebensstil der Gegenwart geht auch nicht an Menschen mit Typ-1-Diabetes vorbei. Außerdem wollen natürlich auch Menschen mit Typ-1-Diabetes sich im Fitnessstudio sicher fühlen. Wir wissen ja, wie komplex es ist, mit Typ-1-Diabetes Sport zu treiben. Deshalb finde ich es einfach schön, wenn man in einem Studio trainieren kann, wo man nicht schief angeguckt wird, wenn man einen Sensor am Arm trägt oder sich den Blutzucker misst.

Wie viele Studios sind derzeit in der Lage, das Siegel zu erhalten?

Dr. Behrens: Das ist für uns schwer zu erfassen. Ich glaube, es gibt unzählige sogenannte „Premium-Studios“, die problemlos die allgemeinen Voraussetzungen erfüllen, wenn es um Kurse und Geräte geht. Aber was die Qualifizierung der Mitarbeiter*innen im Bereich Diabetes angeht, ist sicherlich viel Arbeit zu leisten.

Wie viele Studios es am Ende werden, muss man abwarten. Wir setzen natürlich auf unser super Netzwerk, und ich denke schon, dass wir mit unseren Partnern die Studios erreichen werden. Das Interesse auf der FIBO war auf jeden Fall klar zu spüren. Zwar will nicht jedes Fitnessstudio unbedingt diese Qualität abbilden, weil das ja auch immer ein gewisser Aufwand ist und Kosten verursacht. Aber die Studios wissen sehr wohl, dass sie sich irgendwie abgrenzen müssen von den Ketten, von den Billigstudios, die eben „nur“ ihre Geräte anbieten.

Wann geht es richtig los – und wie wird das Siegel bekannt gemacht?

Dr. Behrens: Menschen mit Diabetes möchten wir auch über einen weiteren Partner erreichen, nämlich diabetesDE, und natürlich über die Patientenmedien. Aber erst einmal müssen sich jetzt Studios zertifizieren lassen, denn nichts ist frustrierender, als vergeblich nach einem Studio mit dem Siegel zu suchen. Die Kurse für Trainerinnen und Trainerstarten im Juni, ich denke, im September werden die ersten Studios das Siegel „Fit mit Diabetes“ tragen. Wenn es einige Studios gibt, möchten wir auch an die Diabetologinnen und Diabetologen herantreten, die dann als Multiplikatoren wirken können.



Interview: Günter Nuber und Nicole Finkenauer

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Ähnliche Beiträge

Diabetes-Anker-Podcast: Alpenüberquerung mit Diabetes? Ja, das geht!

Im Diabetes-Anker-Podcast berichten Ivo und Lea von ihrer beeindruckenden Alpenüberquerung mit einer Gruppe von Menschen mit Diabetes. Im Gespräch mit Moderatorin Steffi teilen sie ihre persönlichen Motivationen, die Herausforderungen, die sie während der Tour erlebt haben, und die wertvollen Lektionen, die sie gelernt haben.
Alpenüberquerung mit Diabetes? Ja, das geht! | Foto: Dialetics / MedTriX

2 Minuten

Diabetes-Anker-Podcast – Höhen & Tiefen: Wie gelingt es beim Sport mit Typ-1-Diabetes trotz Hypos dranzubleiben, Michi und Cynthia?

Sport mit Typ-1-Diabetes: In dieser Folge „Höhen & Tiefen“ aus dem Diabetes-Anker-Podcast sprechen Cynthia und Michi über Trainingsschritte, Hypos, Aha-Momente und Praxistipps – von Timing und Fueling bis Marathon und Alltagsbewegung.
Diabetes-Anker-Podcast – Höhen & Tiefen: Wie gelingt es beim Sport mit Typ-1-Diabetes trotz Hypos dranzubleiben, Michi und Cynthia? | Foto: Ramona Stanek – MedTriX / privat

2 Minuten

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Über uns

Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.

Community-Frage

Mit wem redest du
über deinen Diabetes?

Die Antworten werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.

Werde Teil unserer Community

Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen

Community-Feed

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Tagen, 1 Stunde

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

    Uploaded Image
  • hexle postete ein Update vor 3 Tagen, 5 Stunden

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

  • tako111 postete ein Update vor 6 Tagen, 14 Stunden

    Fussschmerzen lassen leider keine Aktivitäten zu!

Verbände