Beschränkungen der Lebensmittel-Werbung: Großbritannien macht’s vor

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Beschränkungen der Lebensmittel-Werbung: Großbritannien macht's vor | Foto: Paul - stock.adobe.com
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Beschränkungen der Lebensmittel-Werbung: Großbritannien macht’s vor

Die Briten können auf weniger adipöse Kinder hoffen. Grund sind neue Beschränkungen bei der Werbung für ungesunde Lebensmittel, die Anfang Oktober in Großbritannien in Kraft getreten sind – anders als hierzulande, wo das Thema nicht mehr auf der Agenda der Bundesregierung steht.

Der Brexit, also der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union, zahlreiche Regierungswechsel, der Tod der Queen und immer noch kein neuer James-Bond-Darsteller – das Image von „Cool Britannia“ ist in letzter Zeit etwas verblasst. Doch beim Kampf gegen ungesunde Lebensverhältnisse taugt das Vereinigte Königreich noch immer als Vorbild, auf das Aktivisten in Ländern wie Deutschland mit einem Seufzer der Bewunderung schauen. Zum 1. Oktober gab es dazu wieder Anlass: In Großbritannien dürfen seit diesem Stichtag Werbespots für ungesunde Lebensmittel nur noch nach 21 Uhr im Fernsehen laufen, online sind sie ganz verboten.

Özdemir konnte ähnliche Vorhaben nicht durchsetzen

Gerade bei Diabetes-Organisationen streut dieser Schritt Salz in die Wunden. In der vergangenen Legislaturperiode hatte der damalige Bundesernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) ebenfalls versucht, ein Werbeverbot für zu salz- oder zuckerreiche Lebensmittel durchzusetzen, doch der Gesetzesvorschlag scheiterte. Der Widerstand kam, daraus machte Özdemir zum Beispiel bei einem Auftritt im Rahmen der Herbsttagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft 2023 kein Geheimnis, vom Koalitionspartner FDP.

Mit dem Bruch der Ampel-Koalition verschwand das Thema, die aktuelle schwarz-rote Bundesregierung hat keine solchen Pläne im Koalitionsvertrag stehen. Genau umgekehrt ist es in Großbritannien: Die 2024 ins Amt gekommene Labour-Regierung unter Premierminister Keir Starmer hat das Vorhaben des Junkfood-Werbeverbots von ihrer konservativen Vorgängerregierung übernommen.

Weniger Preis-Anreiz

Preis-Aktionen für ungesunde Lebensmittel und Getränke sind in England seit Oktober ebenfalls verboten. „Kaufe eins, erhalte zwei“ für Softdrinks ist so zum Beispiel nicht mehr möglich. Gleiches gilt für den „Free refill“.

Die Regierung ihrer Majestät will mit den nun in Kraft getretenen Maßnahmen Fettleibigkeit und Karies bei Kindern bekämpfen und Milliarden im Gesundheitssystem NHS (National Health Service) sparen. „Adipositas raubt unseren Kindern den bestmöglichen Start in das Leben, sorgt für lebenslange Gesundheitsprobleme und kostet den NHS Milliarden“, erklärte der britische Gesundheitsminister Wes Streeting Ende 2024 bei der Bekanntgabe von Details des Werbeverbots.

Milliarden-Einsparungen im Gesundheitssystem erhofft

Laut britischem Gesundheitsministerium sollen Kinder in Großbritannien durch die Maßnahme langfristig rund 7,2 Milliarden Kilokalorien pro Jahr weniger konsumieren. 20.000 Fälle von kindlicher Adipositas sollen so verhindert werden. Das wäre sehr willkommen, denn nach Zahlen des NHS ist fast jedes zehnte Kind im Vereinigten Königreich schon mit vier Jahren fettleibig. Im Alter von fünf Jahren leiden danach 23,7 Prozent der Kinder bereits an Karies, was das Gesundheitsministerium einem „exzessiven Zuckerkonsum“ zuschreibt. Auf 11 Milliarden Pfund beziffert es die jährlichen Kosten durch Adipositas für das nationale Gesundheitssystem.

„Wir haben schon immer gesagt, dass der NHS seine Rolle dabei spielen kann, Menschen, die adipös sind, zu unterstützen, ein gesünderes Gewicht zu erreichen, aber wir müssen mit dem Rest der Gesellschaft zusammenarbeiten, um zu verhindern, dass Menschen überhaupt erst übergewichtig werden“, betonte der medizinische Direktor des britischen Gesundheitssystems Prof. Dr. Stephen Powis. Damit beschreibt er den Grundgedanken der „Verhältnisprävention“, die nicht das Verhalten des Einzelnen in den Blick nimmt und zu verändern versucht, sondern Gründe für einen ungesunden Lebensstil in allen Bereichen der Gesellschaft angeht.

Auch in Großbritannien geht’s nicht ohne Gegenwind

Welche Lebensmittel unter das britische Werbeverbot fallen, regelt eine zweistufige Bewertung: Betroffen sind nur bestimmte Kategorien wie Salzgebäck, Zerealien, Eis und Süßigkeiten, und auch nur, wenn ihr Nährwert-Profil nach dem Nutrient Profiling Model (NPM) einen Wert von mindestens 4 für Nahrungsmittel oder 1 für Getränke erreicht.

Beim Blick auf diese Details der Regelung kommt auch zum Vorschein, dass natürlich auch in Großbritannien solche Maßnahmen nicht ohne Gegenwind bleiben. Uneinigkeit zwischen Behörden und Unternehmen der Lebensmittel-Industrie und des Lebensmittel-Handels besteht noch darin, inwiefern Kampagnen, die statt eines konkreten Produkts die dahinterstehende Marke bewerben, vom Verbot betroffen sind. Laut einem Brief einer Gruppe von Werbekunden und Medien-Unternehmen haben viele Auftraggeber unter anderem für Weihnachten solche Kampagnen entworfen, doch die für das Durchsetzen des Verbots zuständige Behörde ASA (Advertising Standards Authority) sei nicht in der Lage gewesen, zu bestätigen, dass diese gesetzeskonform sind.

Gegen Zuckerbomben

  1. Etwa jeder siebte Minderjährige in Deutschland ist von Übergewicht oder Adipositas betroffen, Kinder aus ärmeren Familien in besonderem Maß.
  2. Eine Süßgetränke-Abgabe nach britischem Vorbild könnte laut Technischer Universität München in Deutschland Hunderttausende Fälle von Typ-2-Diabetes verhindern.
  3. Dies würde volkswirtschaftliche Kosten in Höhe von 16 Milliarden Euro einsparen.

Im Januar hatte das Ministerium vor dem Hintergrund dieses Streits eine Verschiebung des Verbots auf Anfang 2026 ins Spiel gebracht, was wiederum von britischen Gesundheits-Organisationen harsch kritisiert wurde. Denn zur Wahrheit der mutig gegen dickmachende Machenschaften kämpfenden Briten gehört auch, dass das zugrundeliegende Gesetz schon 2022 verabschiedet wurde und das Inkrafttreten konkreter Verordnungen von den Vorgänger-Regierungen unter Boris Johnson und Rishi Sunak bereits mehrfach verschoben wurde.

Dass der Werbebann nun trotzdem zum 1. Oktober umgesetzt wurde, spricht für ein etwas breiteres Verständnis dafür, dass klar ungesunde Lebensmittel nicht Gegenstand von Werbung insbesondere mit der Zielgruppe Kinder sein sollten. Denn in ihrem Brief im Mai kündigte die Gruppe der Betroffenen an, den unstrittigen Teil der Maßnahmen pünktlich zum Stichtag wie im Gesetz geplant umzusetzen. Ohne diese Zusicherung wäre die Regierung andererseits wohl auch nicht zum Verschieben des offiziellen Inkrafttretens bereit gewesen.

Der Kampf um die Gesundheit von jungen wie alten Konsumentinnen und Konsumenten – er bleibt also auch im Land of Hope and Glory spannend.


von Marcus Sefrin

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Erschienen in: Diabetes-Anker, 2025; 74 (11) Seite 50-51

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  • cesta postete ein Update vor 2 Tagen, 5 Stunden

    Hallo zusammen, ich habe eine Frage an euch. Ich habe seit 4 Jahren Typ 1 LADA und bisher nur mit Basalinsulin ausgekommen. Seit 3 Wochen muss ich nun auch zu jeder Mahlzeit Humalog spritzen. Für die Berechnung wiege ich immer alles ab. Könnt ihr eine App empfehlen, die bei der Berechnung der Kohlenhydrate unterstützt? Oder habt ihr andere Tipps wie man sich daran gewöhnt? Ich wiege bisher alles ab und kann mir gar nicht vorstellen, dass ich mir das zukünftig merken kann bzw. wie ich die Kohlenhydrate schätzen kann. Vielen lieben Dank für eure Hilfe! Liebe Grüße, Christa

    • Hallo cesta, ich habe gute Erfahrungen mit der WETID App gemacht. Hier erhältst du für fast alle Lebensmittel BE – Werte. Man kann auch das Portionsgewicht eingeben und erhält dann die entsprechenden BE’s.
      Die App mit Werbung war bisher kostenlos. App ohne Werbung und im Abo ist besser.

      LG von kw = Kurt mit Diabetes Typ 3c

    • Hallo Christa! Ich verwende die FDDB app. LG Sarah (Lada)

  • hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid

    • Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid

    • Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hallo Heike, oh da hast du aber auch viel geschafft. Ja ich habe die Kinder mit Diabetes bekommen und meine Kinder sind 26,25,23 und bald 19 🥰….und wie du hoffe bald wieder fit zu sein. Beruflich wechsle ich jetzt vom Kinderhospiz wieder in die Krippe da es dort vorausschaubarer ist als im Schichtdienst. In der Hoffnung der Diabetes lässt sich dort wieder besser einstellen. Eigentlich sollte ich auch die Ernährung wieder umstellen, das weiß ich aber es fällt mir so schwer. Wie ist das da bei dir. Was machen deine Werte ? Viele Grüße Astrid

    • @sveastine: Hallo liebe Astrid, sag mal kann es sein, daß du in den Wechseljahren bist? Ich habe meine schon hinter mir, aber das war zuckertechnisch eine der schwierigsten Zeiten, weil ständig alles durcheinander war. Damals war ich allein 2 x in der Diabetes Klinik Bad Mergentheim zum Anpassen innerhalb von 3-4 Jahren. Die Hormonwirkungen waren der Wahnsinn. Jetzt ist es wieder deutlich ruhiger. Was hast du eigentlich für eine Versorgung? Pen? Pumpe? Insulin? Sensor?
      Ich habe die Tandem tslim mit Sensor und Novorapid. Und das ist für mich der game changer gewesen. Seitdem werden die zuckertechnischen Anstrengungen auch mit guten Werten belohnt. Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hi, ja ich bin in den Wechsel Jahren schon eine ganze Weile und nehme Hormone. Das ist denke ich ist der Hauptgrund der Schwankungen, aber das geht schon seit ca 3 Jahren so, was doof ist. Ich hab das gleiche System wie du tslim und Dexcom, trotzdem schwierig.aber für Bad Mergentheim lt. Diabetologe zu gut um die Genehmigung dafür zu bekommen 🤷🏻‍♀️

    • @sveastine: Das ist ja witzig, das du dieselbe Versorgung hast. Also bist du da optimal versorgt. Jetzt verstehe ich deinen Frust. Nach den Behandlungen in Bad Mergentheim war es wenigstens eine Weile besser. Warst du schon mal in Reha wegen dem Zucker? Ist zwar nicht Bad Mergentheim, aber manche Rehakliniken machen das wohl echt gut. Du musst “nur” darauf achten, dass sie ein spezielles Angebot für Typ1er haben. Ich war 2019 in der Mediclin Klinik Stauffenberg, Durlach. Das war okay. Am wichtigsten fand ich den Austausch mit den Mitpatienten. Aber natürlich ist der Aufwand für dich bei 4 Kindern für 3 Wochen, sehr hoch. Und eine Garantie dafür das dann länger besser läuft gibt es nicht. Ich fand es aber immer wichtig, den zuckertechnischen Input und die Solidarität zu erfahren. Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Nicht Durlach, sondern Durbach.

  • Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂

    Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/

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