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Das Echt Essen-Gasthaus im November: Eine einmalige kulinarische Melange lockt ins Kaiserstühler Winzerdorf Oberbergen: Ein Traditionsgasthof. Ein fulminanter Weinkeller. Ein wegweisendes Weingut
Es gibt sie noch, die gastronomischen Institutionen. Restaurants, die wie ein unverrückbarer Fels in der Brandung der wechselnden kulinarischen Moden thronen. Dazu gehört der 1454 erstmals erwähnte Schwarzer Adler mitten in Oberbergen, dem schönsten Teil des traditionsreichen Weinbaugebiets Kaiserstuhl. Seit drei Generationen wirtet hier die Familie Keller – und schon steht mit den drei Söhnen des jetzigen Patrons Fritz Keller die vierte Generation in den Startlöchern.
Ein Michelin-Stern krönt seit 1969 ununterbrochen das Restaurant – und trotzdem ist der Schwarzer Adler kein Treffpunkt einer elitären Gourmet-Gilde. Im Gegenteil: Hier feiert die Uroma aus dem Dorf mit großem Gefolge ihren 90. Geburtstag, die schwäbische Familie ihre Goldene Hochzeit.
Feinschmecker aus ganz Deutschland, der Schweiz, dem nahen Frankreich genießen hier eine unverkünstelte Produktküche. Junge und alte Weinnasen delektieren sich hier an einer einmaligen Weinauswahl zu einmalig günstigen Preisen in den elegant-gemütlichen Räumen. Ein Spitzenrestaurant im angenehmen Gewand eines Gasthauses.
Hubert Pfingstag ist das Herz des Adlers. Seit SIEBENUNDDREISSIG Jahren leitet der Elsässer den Service – und hat alle Stürme im Hause Keller mit stoischer und souveräner Ruhe überstanden und gemeistert. Ein Maitre der allerbesten Schule, der jedem Gast das Gefühl gibt, dass er dazu gehört, ohne dass sich der verschmitzte Elsässer anbiedert.
Ihm zur Seite steht eine herzlich-gastfreundliche Brigade, zu der auch die charmante Sommelière Melanie Wagner gehört. Sie gebietet seit zehn Jahren über eine Weinkarte mit rund 2 700 Positionen – und kennt inzwischen einen großen Teil der edlen Tropfen. Ihre Sprache unterscheidet sich angenehm von der „Weinlyrik“ vieler Kollegen und auf ihre Empfehlungen ist Verlass.
Im Schwarzen Adler, wo es sich auch trefflich übernachten lässt, habe ich zwei Mal gegessen – und stelle daraus vier Gänge vor, die mich besonders begeistert haben:
Beste Meeresfische sind seit je eine Domäne des Adlers. Perfekt auf den Punkt gegrillt der saftige Wolfsbarsch, gekrönt von einem aromatischen Pulpo, einem Tintenfisch. Herrlich die erfrischend-intensive Sauce auf Basis einer geräucherten Merguez, einer scharf gewürzten Hackfleisch-Bratwurst. Leicht säuerlich die Sauce, was die Bekömmlichkeit enorm erhöht. Ach ja, ganz unten hockt noch verschämt ein kleines mediterranes Gemüsekompott.
Sanft pochiert ist die Taubenbrust, so dass sie zart und saftig bleibt. Köstlich mariniert ist die Brust mit einer Melange aus gerösteten Zwiebeln und Taubenklein. Das Ganze kongenial begleitet von einer roh marinierten Entenleber, die cremig schmelzend auf der Zunge zergeht. Fein dazu der Salat aus Beluga-Linsen. So einfach, so gut, ein perfekter Gang1
Ein Paradies für Weintrinker ist der Schwarzer Adler. Das kommt daher, dass die Kellers seit Jahrzehnten vor allem aus Frankreich große Weine importieren – und inzwischen lagern rund 800 000 Flaschen im Keller. Hier finden sich Burgund- und Bordeaux-Raritäten, die es nicht einmal mehr in Frankreich gibt, weshalb viele Gastronomen und Sommeliers auf der Suche nach etwas Besonderem den Weg nach Oberbergen finden.
Einen Grauburgunder vom hauseigenen Weingut habe ich probiert
(Abb. 3). Einen 2007er der obersten Selektionsstufe A mit satten 14 Prozent Alkohol und – großer Applaus! – praktisch keinem Restzucker. Crèmig schmelzend kommt dieser Tropfen daher, kann gut mit den großen weißen Burgundern aus Frankreich mithalten – nur dass die deutlich mehr als 59 Euro wie bei den Kellers kosten.
Nächste Seite: Ein Wein, um meditierend darin zu versinken +++ Getrüffelte Poularde aus dem Ofen +++ Butterzart: Nüsschen vom Reh +++ Kein Paradies für Vegetarier
Erwartungsvoll ließ ich mir auch einen großen Bordeaux öffnen, einen 95er Pichon Longueville aus dem Pauillac (Abb. 4). Einer der besten Weine im Bordeaux, besonders auch der 1995er-Jahrgang. Ein unendlich intensiver Wein, der alle Facetten schwarzer Beeren, schwarzer Kirschen im Duft widerspiegelt.
Ein Wein, um meditierend darin zu versinken – und ich beobachtete, dass ich im Restaurant nicht der einzige war, der intensiv seine kleine Weinmesse zelebrierte. Gegen Infarkte soll das Resveratrol der Rotweine schützen. Besser kann Prophylaxe nicht schmecken – auch wenn das Vergnügen 115 Euro kostet.
Ist so viel Geld für einen Wein berechtigt? Eine berechtigte Frage. Das muss jeder für sich beantworten. Ich jedenfalls habe für diesen großen Genuss keinen Euro bereut. Und ich wundere mich auch, dass diese Fragen vor allem bei Wein, bei guten handgemachten Lebensmitteln gestellt werden und selten bei Autos. Da gibt es auch schon ganz ordentliche für 10.000 Euro. Aber wer sich einen Schlitten für weit über 100.000 Euro leistet, muss sich selten dafür rechtfertigen. Ich werde jedenfalls schon bald wieder auf ein ganz besonderes Weinerlebnis im Adler vorbeischauen.
Angenehm: Die Weinkarte verzeichnet auch viele Flaschen für unter und um die 20 Euro – für ein Restaurant dieser Güte beachtlich. Auch gut: Weil ausgewiesene Weinkenner am Werk sind, gibt es hier keine wirklich schlechten Weine.
Ein Klassiker des Hauses: <i>Getrüffelte Poularde aus dem Ofen</i>. Das schwere Masthuhn gibt es nur für zwei Personen, wird in zwei Gängen serviert – und vor dem Tranchieren dem Gast als Ganzes gezeigt. Saftig das Fleisch, knusprig die Haut, würzig die schwarz getrüffelte Sauce:
Gerade bei der Sauce zeigt sich die große Tradition – und die kluge Weiterentwicklung der Küche des Adlers: War diese Sauce früher Sahne- und Butter-mächtig, kommt sie heute ohne diese schwer verdaulichen Ingredienzien aus. So wird das Ganze elegant und leicht, ohne an Kraft einzubüßen. Was Gemüse in Form von puristischem Brokkoli, Möhren und Möhrencrème war auch zu finden.
Ist das nicht prächtig anzuschauen, die auf den Punkt gebratenen Nüsschen vom Reh aus der heimischen Jagd? Butterzart schmeckt dieses Fleisch, das ja im Grunde beste Bio-Ware ist. Auch hier begleitet das Fleisch wieder eine intensive, trotzdem leichte Gewürzsauce (wobei der Adler natürlich nicht zwei Mal hintereinander ein Gericht mit ähnlicher Sauce serviert. Aber ich habe ja, wie gesagt, aus zwei Menüs an zwei Abenden vier charakteristische Gerichte ausgewählt).
Nussig und zum Fleisch passend schmeckt das Pastinakenpüree und fein sind die Grießnocken.
Teil eines fünfgängigen Menüs war das Reh. Das ganze Menü kostet 88 Euro. Absolut ist das natürlich viel Geld. Aber relativ gesehen, vor allem im Vergleich zu deutschen Großstädten, gar Frankreich oder Schweiz, ein überaus korrekter Preis bei der gebotenen Qualität.
Wo ist das Gemüse? Fragen Sie vielleicht, wenn Sie die Fotos genau betrachten. Nun, irgendwo ist immer Gemüse dabei. Aber das spielt hier nicht die Hauptrolle, ist eher klassische Beilage. Das Paradies für Vegetarier ist hier sicher nicht. Aber wer in den Adler geht, will sich halt sinnenfroh den Fisch- und Fleischgenüssen widmen. Auch ich, ein Gemüseliebhaber, habe mich für diesmal dem Trend freudig angeschlossen!
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Ein Tausendsassa ist Fritz Keller . Der 56-jährige leitet den Schwarzen Adler und den bodenständigen „Rebstock“ sowie die 2013 eingeweihte KellerWirtschaft, die einen phänomenalen Blick in die Weinberge bietet. Außerdem ist er Herr über einen großen Weinhandel, der vor allem aus Bordeaux und Burgund die besten Tropfen importiert. Aber er ist auch Sohn von Franz Keller, der sich den Titel Rebell vom Kaiserstuhl hart erarbeitet hat.
Als die meisten Winzer den Ruf des deutschen Weines mit massenproduzierten Süßplärren ruinierten, füllte er als einsamer Rufer in der Weinwüste konsequent trockene Weine (also durchgegorene) ab. Auch kämpfte er vehement gegen eine stupid-bürokratische Rebumlegung, die wertvolle Flächen vernichtete – und er behielt im nachhinein recht.
Auch bei Fritz Keller pulsiert das Rebellische, wenn er auch in der Regel geschmeidiger und kompromissbereiter als der Vater auftritt. Aber auch er zog gegen den heftigen Widerstand des Wein-Establishments ein spannendes Projekt durch: Ausgerechnet mit dem auch von mir nicht sonderlich geschätzten Discounter Aldi Süd etablierte er eine Weinlinie im Premium-Bereich. Das Ganze gilt als Erfolg – und so konnte er vielen kleinen Winzern im Kaiserstuhl wieder eine wirtschaftliche Perspektive geben.
In die Wiege gelegt ist Fritz Keller der Fußball. Sein Vater lud 1954 nach dem überraschenden Triumph der Deutschen bei der Fußballweltmeisterschaft die vergötterten Kicker für drei Tage in den Adler. Und passenderweise wurde der legendäre Spielführer Fritz Walter später der Namenspatron für den kleinen Fritz, dessen Herz seit Jahrzehnten für den Sport Club Freiburg schlägt, dem er seit 2010 als Präsident vorsteht.
Ein etwas anderer Fußballclub ist der SC: Dort wird nachhaltig gewirtschaftet; es wird respektvoll mit dem Gegner umgegangen, na ja, meistens; dort wird eine vorbildliche Jugendarbeit betrieben; dort stehen die Fans zu ihrer Mannschaft, auch wenn’s mal nicht so läuft. Ein wenig ähnelt das Konzept dem vom Schwarzen Adler: Erstklassik sein, aber nicht auftrumpfend daherkommen. Mal geht das sehr gut, derzeit etwas weniger, aber als glühender Fan der Freiburger und Wahl-Kölner weiß ich: „Et hät noch immer jot jejange.“ Also, vorwärts, lieber Fritz!
Sein Meisterstück machte Fritz Keller mit dem neuen Weinkeller am Rand von Oberbergen. Indirekt ist diese Investition des 120-Personen-Betriebs Keller dem Klima-Wandel geschuldet: Denn die feucht-heißen Sommer machen die Trauben anfälliger gegen Pilzbefall und Fäulnis – weshalb ein schnelles Reagieren notwendig wird, weshalb im Keller Verarbeitungs-Reserven, etwa in Form von Tanks, von Kühlräumen, vorgehalten werden müssen.
Im Einklang mit der Natur arbeiten die Kellers seit Generationen. Im Einklang mit der Natur ist auch der neue Weinkeller, der eine ordentliche einstellige Millionensumme gekostet hat. Beraten von der Architekturlegende Peter Zumthor hat das Freiburger Büro Geis & Brantner einen eleganten, dreigeschossigen Bau entwickelt, der sich elegant in den Berg schmiegt. Die einzelnen Terrassen sind mit dem Samen der nahen Magergraswiesen bepflanzt – und in einigen Jahren wird der Keller symbiotisch mit der Umgebung verschmolzen sein.
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Nach dem Schwerkraftprinzip ist alles angelegt: Oben wird der Wein angeliefert und sortiert, eine Ebene tiefer in großen Stahltanks vergoren und fließt dann in die dritte Ebene, wo er in Holzfässern und Tanks reift. Vorteil: Der Wein muss praktisch nicht gepumpt werden, was seine Qualität erhöht. Ein leidenschaftlicher Winzer ist Fritz Keller. Einer, der ungeheuer tief in der Materie steckt, der immer wieder die Großeltern mit ihrem Wissen zitiert.
Der aber auch ohne Scheu modernste wissenschaftliche Erkenntnisse aufnimmt. Einer, der im Grunde ökologisch arbeitet, aber das nie so nennen würde, weil ihm all die Siegel wohl viel zu einengend sind. Dezent weist er nur darauf hin, dass das Spritzen mit Kupfer im biologischen Weinbau die „Böden tot macht“.
Eine Annäherung der verhärteten Positionen der Öko- und der konventionellen Winzer könnte sein Ansatz vielleicht befördern. Auf jeden Fall sind in Oberbergen aber die Grundlagen für Weine geschaffen, die einmal zu den besten in Europa gehören können.
Traumschön umkränzt von Rebbergen liegt Oberbergen – auch wenn im Ort selbst ein paar phantasielose Häuslebauer den nötigen Respekt vor der schönen Umgebung vermissen lassen. Mich jedenfalls haben die Rebberge jeden Morgen vor dem Frühstück zum Joggen der intensiveren Art motiviert. Besonders stolz bin ich darauf, vom <i>Schwarzen Adler</i> zum <i>Neulindenturm</i> über einen ziemlich steilen Weg hochgehechtet zu sein.
Das sind runde 300 Höhenmeter und wohl so runde sieben Kilometer hin und zurück – und das alles in nicht einmal einer Stunde. Aber dafür entschädigt von dem steinernen Turm ein prächtiger Panoramablick über den Kaiserstuhl.
Entspannender als meine Extremtouren ist eine Wanderung, die mir Fritz Keller empfahl: Von seinem Weingut zum Badberg, der in einem Naturschutzgebiet liegt. Nach einem steilen Anstieg kommt ein wunderbarer Höhenweg, der nach beiden Seiten prächtige Ausblicke bietet.
Es geht sanft auf und ab – und schon bald ist der stählerne Eichelspitzturm zu sehen, ebenfalls ein wunderbarer Luginsland zum Schwarzwald, den Vogesen und den fernen Alpenbergen hinter dem Schweizer Jura. Zurück führt der rund vierstündige Weg über das malerische Schelingen, wo die Sonne wartet, ein Gasthaus, das ich mir ebenfalls als Echt Essen vorstellen kann.
Ganz sicher werde ich im Frühjahr im Gasthaus zum Kaiserstuhl bei der Kräutergärtnerin Walburga Koch und dem Kräuterkoch Lothar Koch ein spannendes Echt Essen inszenieren. Es gibt also gute Gründe, bald wieder in den gastlichen Kaiserstuhl zu reisen.
Wohl fühlt sich im Schwarzen Adler: Wer eine klare Produktküche ohne modische Mätzchen schätzt; wer endlich einmal große Weine zu bezahlbaren Preisen trinken will; wer in herzlicher Atmosphäre nach Herzenslust tafeln will; wer sich darüber freut, dass es hier kein Wellness gibt.
von Hans Lauber
E-Mail: aktiv@lauber-methode.de
, Internet: www.lauber-methode.de
5 Minuten
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