- Leben mit Diabetes
„Blickwinkel Diabetes“-Gründerin Lea Raak im Interview: Blick für individuelle Lebensrealitäten
4 Minuten
Foto: Blickwinkel Diabetes
Für ihren Verein „Blickwinkel Diabetes“ bekam Lea Raak im vergangenen Jahr den Thomas-Fuchsberger-Preis. Warum sie sich für Menschen mit Diabetes engagiert und was sie sich von Menschen ohne Diabetes wünscht, erzählt sie im Interview.
Diabetes-Anker (DA): Frau Raak, Sie haben im Oktober 2023 den Thomas-Fuchsberger-Preis bekommen. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?
Lea Raak: Es bedeutet mir unglaublich viel, dass mein Engagement im Diabetesbereich auf diese Weise geehrt und wertgeschätzt wird. Es ist mein größtes Glück, dass ich bereits so viele großartige Chancen erhalten habe, über das Leben mit Diabetes aufzuklären, und damit auch Menschen mit Diabetes unterstützen kann. Genau das war mein Ziel, als ich vor knapp zehn Jahren angefangen habe, in die Diabetes-Community einzutauchen und über meine Erfahrungen mit chronischen Erkrankungen auf meinem Blog Insulea zu berichten.
Nach meiner traumatischen Vordiagnosezeit war es mir wichtig, darüber aufzuklären, damit kein Mensch ähnliche Erfahrungen durchstehen muss und sich vor allem nicht allein mit der Erkrankung fühlt. Mich haben über die letzten Jahre schon einige Nachrichten erreicht, dass ich Menschen mit dem Teilen meiner Erfahrungswerte helfen konnte. Umgekehrt hilft mir auch die wunderbare Community, wenn ich selbst mal frustrierende Phasen habe und meine Gefühle und Gedanken loswerden muss. Umso schöner, dass ich für mein Herzensprojekt „Blickwinkel Diabetes“ geehrt werde. Zusammen als Team schaffen wir Austauschmöglichkeiten von und für Menschen mit gelebter Diabeteserfahrung.

DA: Wann und warum haben Sie den Verein „Blickwinkel Diabetes“ gegründet?
Raak: Ich habe „Blickwinkel Diabetes“ – damals noch als Initiative und Projektidee – im Mai 2021 ins Leben gerufen. Als Aktivistin werde ich auf viele Veranstaltungen eingeladen und konnte dadurch viele Freundschaften mit Menschen mit Diabetes aus aller Welt schließen. Es macht einen großen Unterschied, Menschen im Leben zu haben, die Ähnliches erleben und nachfühlen können. Das wollte ich gern für alle Menschen mit Diabetes umsetzen, aber mir war klar, dass ich das nicht allein schaffen könnte. Ich habe also im Diabetes-Journal und auf Instagram einen Aufruf gestartet. Mittlerweile sind wir ein großes, engagiertes Team und konnten Anfang des Jahres 2023 den Verein gründen.
DA: Ziel des Vereins ist es, den Austausch zwischen Betroffenen, deren Angehörigen, medizinischen Fachkräften und Interessierten zu fördern. Welche virtuellen und analogen Formate gibt es dafür bereits?
Raak: Wir setzen monatliche Online-Diabetes-Dialoge, kurz DIAloge, zu bestimmten Themen um. In 2024 sind außerdem wieder zwei Austausch-Wochenenden geplant. Seit 2023 veranstalten wir Meet-ups in verschiedenen deutschen Städten. In der Zwischenzeit planen wir neue Online-Kampagnen und klären über Instagram auf. Hier lassen wir durch Umfragen, Mitmach-Aktionen und Gastbeiträge immer wieder die Community zu Wort kommen. Vieles findet sich auch auf dem Blog und unserem Web-Auftritt wieder. Und wir bieten einen monatlichen Newsletter an.

DA: Was werden Sie mit dem Preisgeld von 10 000 Euro machen?
Raak: Das Preisgeld geht an den Verein und wir möchten damit im nächsten Jahr zwei weitere Workshop-Wochenenden umsetzen. Der Austausch für Erwachsene mit Diabetes ist so wertvoll und wichtig! Mit dem Geld können wir die Austausch-Wochenenden endlich ohne Teilnahmegebühr anbieten, Referentinnen und Referenten einladen sowie mehr Sport- bzw. Freizeit-Angebote realisieren.
Mehr zum Thema
➤ Podcast zum Thomas-Fuchsberger-Preis 2023 mit Preisträgerin Lea Raak
DA: Ihnen geht es auch um die psychischen Belastungen, die der Diabetes mit sich bringt. Welche sind das?
Raak: Ich denke, die psychische Belastung, mit einer chronischen Erkrankung für immer leben zu müssen, welche keine Pause kennt sowie viel Disziplin und Wissen über den eigenen Körper benötigt, ist die größte Herausforderung. Aber auch Stigmatisierungen und Schuldzuweisungen aus der Gesellschaft oder von medizinischen Fachkräften können sehr viel Kraft kosten. Unsere Körper sind keine Maschinen und es wirken sich viele Faktoren, wie hormonelle Veränderungen, auf das Diabetes-Management aus.
DA: In einem Post in Ihrem Blog Insulea beklagen Sie, dass sich nicht betroffene Menschen Urteile über das Leben mit dieser Erkrankung anmaßen und Ratschläge erteilen. Was wünschen Sie sich konkret von anderen für den Umgang mit Erkrankten?
Raak: Mir ist wichtig, dass die Individualität der Erkrankung anerkannt wird. Wir alle haben verschiedene Lebensumstände, die einen großen Einfluss auf unseren Umgang mit der Erkrankung haben. Auch alle Körper sind verschieden, und was bei einer Person wirkt, mag bei der anderen nicht funktionieren. Ich finde es schade, wenn diese Lebensrealitäten aberkannt werden und von sich auf andere geschlossen wird. Wir alle sollten sensibel miteinander umgehen und uns auf dem Weg zur Akzeptanz und zu einem gesunden Umgang mit der Erkrankung unterstützen.
Weitere Informationen zu „Blickwinkel Diabetes“ und Lea Raak
Projekt Blickwinkel Diabetes: www.blickwinkel-diabetes.de
Instagram: @blickwinkel.diabetes
Blog: www.insulea.de
Instagram: @insulea.de
Tiktok: @insulea.de
DA: Diabetes ist bislang nicht heilbar. Wie groß ist Ihre Hoffnung, dass es doch irgendwann möglich ist?
Raak: Ehrlich gesagt befasse ich mich kaum mit dieser Vorstellung, weil ich mich in den meisten Momenten damit abgefunden habe, mit dieser Erkrankung den Rest meines Lebens zu verbringen. Das ist keine sonderlich schöne Vorstellung, aber ich denke, dass diese Aussagen zur vermeintlich baldigen Heilung von Diabetes Typ 1 in der Akzeptanz und im Umgang mit der Erkrankung eher schaden als helfen können. Selbstverständlich würde ich mir wünschen, dass kein Mensch mehr mit Diabetes leben muss, aber ich halte es nicht für realistisch, dass das noch zu meinen Lebzeiten umgesetzt werden könnte.
Interview: Bianca Lorenz
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2024; 72 (1) Seite 40-41
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sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 5 Tagen, 7 Stunden
hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid
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mayhe antwortete vor 5 Tagen, 6 Stunden
Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike
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sveastine antwortete vor 4 Tagen, 12 Stunden
@mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid
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mayhe antwortete vor 4 Tagen, 6 Stunden
Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike
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stephanie-haack postete ein Update vor 6 Tagen, 5 Stunden
Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂
Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/
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lena-schmidt antwortete vor 6 Tagen, 4 Stunden
Ich bin dabei 🙂
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 3 Wochen
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 2 Wochen, 1 Tag
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
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