Dankbar und gesund!

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© Regine Fischer
Dankbar und gesund!

Drei Jahrzehnte Diabetes – was ist passiert in diesen Jahren? Erfahren Sie die Ereignisse und Erlebnisse einer damals 18-Jährigen bis heute.

Wieso dankbar?

Dankbarkeit – wieso das? Dankbar? Diabetes zu bekommen, ist kein Leckerbissen. Man spürt, hört, sieht ihn nicht. Er ist einfach irgendwann da! Ich habe meinen Diabetes mit 18 Jahren bekommen – in meiner Sturm-und-Drang-Phase. Das Akzeptieren des Diabetes und Einstellen auf ihn vor allem in den ersten Wochen war schwer.

Warum bin ich also dankbar? Anfang der 1980er einen Typ-1-Diabetes zu bekommen, war aus heutiger Sicht eine gute Zeit: Es gab nun Insulinpumpen und Blutzuckermessgeräte, mit denen Diabetiker ihren Blutzucker selbst messen konnten – gut für mich!

Schon zuvor Diabetes in der Familie

In unserer Familie gab es früher schon Diabetes– ich kann mich noch gut erinnern, wie meine Mutter täglich Spritzen auskochte. Das Messen war damals nur beim Arzt möglich: meist ein Blutzuckerwert in einemMonat!

Für eine gute Blutzuckereinstellung viel zu wenig. So bin ich heute dankbardafür, dass ich eine sehr gute Versorgung erfahren habe, dass sich meine Motivation zur guten Diabeteseinstellung lohnt, dass es mir mit Diabetes gut geht, dass ich gesund bin und noch mehr …

Mit 18 die Diagnose

Erkannt hatte ich meinen Diabetes selbst. In der Berufsschule führten wir Laboruntersuchungen zur Vorbereitung auf die Prüfung durch, vornehmlich mit unseren eigenen Körpersubstanzen. Dabei färbte sich mein Urinstreifen statt hellgrün stark dunkelgrün: klares Zeichen für einen Typ-1-Diabetes. Der Blutzuckertest ergab 360 mg/dl (20,0 mmol/l) – die Bestätigung!

Mein damaliger Hausarzt verordnete mir eine Mineralwasser-nichts-Süßes-essen-Diät und blutzuckersenkende Medikamente. Ich machte viel Sport und hielt mich an die Regeln. Bis auf Unterzuckerungen ging das ein ein Jahr relativ gut.

Zeit der Ein- und Umstellung

Bei einer Grippe wurde mir klar: Nun muss ich spritzen. Richtig eingestellt wurde ich 1984 in der Uni-Klinik Erlangen. Spritzen zu geben, war damals normal für mich – mich selbst zu spritzen, nicht. Von Mal zu Mal ging es aber besser. Der Ernährungsplan war streng und haushaltszuckerfrei, die medizinische Versorgung technisch fortschrittlich und modern – man empfahl mir eine Insulinpumpe.

19-jährig war ich mir sehr unsicher, ob es wohl das richtige System für mich sei. Doch nur mit der Insulinpumpe bekam ich damals von der Krankenkasse ein Blutzuckermessgerät gestellt. Die Geräte waren zu dieser Zeit noch teuer. Eine gute Freundin meinte: “Probier diese Pumpe doch aus, wenn sie nichts für Dich ist, kannst Du doch immer noch wechseln.” Ich ließ mich auf die Insulinpumpe einstellen.

„Ich fühlte mich an die Pumpe gehängt“

Ein Abenteuer: Denn wie würde ich im Alltag damit klarkommen? Ich machte damals schon Laufsport und Leichtathletik, fuhr im Sommer ans Meer. Es ging gut – trotzdem erkannte ich, dass eine Insulinpumpe zumindest jetzt nicht mein System war: Die Pumpe war Tag und Nacht da; während des Sports bekam ich starke Unterzuckerungen und merkte es nicht; ich fühlte mich “angehängt”.

Ich informierte mich über Alternativen und beschloss, mich in der Diabetes Klinik Bad Mergentheim ambulant auf das Basis-Bolus-System umstellen zu lassen. Die Betreuung war prima, es klappte sehr gut. Regelmäßig fuhr ich zur ambulanten Beratung in die Klinik. Mit dem System fühlte ich mich frei.

Ein flexibles System war mir auch aus beruflichen Gründen wichtig, da ich unregelmäßige Pausen und Essenszeiten hatte. Das mehrmalige Spritzen am Tag und zur Nacht störte mich nicht: Ich hatte mein System gefunden.

Die (Darm-)Probleme der anderen

Freunde haben mich die letzten Jahrzehnte begleitet und sich auf meinen Diabetes eingestellt – vor allem wenn es um Kaffee und Kuchen ging. Einmal waren wir zum Kaffee eingeladen, es gab leckeren selbstgebackenen Apfelweinkuchen – meinetwegen mit Fruchtzucker gebacken. Wir hatten einen vergnüglichen Nachmittag.

Auf der Nachhausefahrt hatte mein Mann plötzlich Darmprobleme – und wie ich später erfuhr: auch alle anderen! Nur ich nicht; offensichtlich war mein Darm fruchtzuckergewöhnt und robust, die Kombination mit dem Apfelwein hatte ihr Übriges gegeben. Zukünftig gab es diesen Kuchen nicht mehr …

Genuss macht das Leben leichter

Mitte der 1990er war ich auf Kur. Dort lernte ich auch, mit Kuchen, Eis und Schokolade – dem zuvor Verbotenen – umzugehen. Meine Grundausrichtung heute ist vollwertig mit viel Gemüse und Obst; doch ab und zu ein Stück Kuchen oder im Sommer ein Eis – das ist ein Genuss, den ich nicht mehr missen möchte. Es macht mir das Leben leichter.

Auch unsere Urlaube mit dem Campingwagen zu den Nationalparks der USA ließen sich mit dem Basis-Bolus-System gut meistern. Den längeren Tag auf dem Hinflug durch die Zeitverschiebung überbrückte ich mit zusätzlichen Boluseinheiten, also kurzwirksamem Insulin und kleinen Essenseinheiten. Erst am Ziel passte ich dann die Basisrate für die Grundversorgung an die dortige Ortszeit an.

Diabetes und Kind, ist das gut möglich?

Beim ersten USA-Besuch faszinierten mich die Nationalparks … und die riesige Auswahl an Diätgetränken. In Deutschland gab es noch keine Diät-Cola, aber in den USA; Diätgetränke in allen nur denkbaren Geschmacksrichtungen, das war toll … und ohne zu spritzen!

Vieles hatte ich gemeistert, doch eine Frage beschäftigte mich zunehmend: Diabetes und Kind, ist das gut möglich? Kann ich ein gesundes Kind auf die Welt bringen? Kann ich Diabetes und Kind gut unter einen Hut bringen? Ich holte Informationen ein, ließ mich an der Erlanger Uni-Klinik über die Gefahr der Vererbung beraten. Auf meinen Wunsch vermittelte mir die Klinik eine Adresse von einer Diabetikerin mit Kind. Ich bzw. mein Mann und ich wollten es wagen.

Schwanger zurück zur Pumpe

Gleich zu Beginn der Schwangerschaft ließ ich mich wieder auf die Pumpe einstellen. Da ich schon Erfahrungen mit der Pumpe hatte, klappte die Umstellung vom Basis-Bolus-System auf die Insulinpumpe sehr gut. Mit der Pumpe konnte ich den steigenden Insulinbedarf während der Schwangerschaft gut anpassen. Bis kurz vor der Entbindung stieg der morgendliche Insulinbedarf auf das 10-Fache an!

Durch die Insulinpumpe konnte ich die Korrekturraten bei Bedarf jederzeit eingeben. Bei einem Blutzuckerwert von 70 mg/dl (3,9 mmol/l) hielt ich eine Stunde Spritz-Ess-Abstand ein, der Stoffwechsel hatte sich stark umgestellt, die Schwangerschaft verlief normal.

Ich hatte eine sehr gute Betreuung durch meinen Frauenarzt, meinen Diabetologen und durch die Klinik. Unsere Tochter kam völlig gesund und normalgewichtig zur Welt. Ich war sehr stolz. Die Anstrengung um sehr gute Blutzuckerwerte hatte sich gelohnt.

Unterstützung vom Ehemann

Das ist nun 15 Jahre her. Natürlich bin ich nicht immer super eingestellt, meist um Weihnachten und in der Urlaubszeit etwas schlechter. Vom Diabetes kann ich eben keinen Urlaub machen, er fordert mich im Grunde rund um die Uhr. Unterstützung erfahre ich vor allem durch meinen Mann, der mir die Verantwortung überlässt und, wenn ich Hilfe brauche, einfach da ist.

Er hat im Bezug auf beginnende Unterzuckerungen eine besondere Antenne entwickelt und informiert mich, wenn er den Verdacht hat, dass ich zu nieder bin. Vor allem nachts ist das besonders wertvoll.

Ich kann so gut wie alles tun, was ich mir vorstelle

Ich mache sehr gern Sport, vor allem in der Natur – gehe Wandern, Radfahren oder mit meinen Freundinnen ins Fitnessstudio und ins Pilates. Bewegung ist für mich ein Lebenselixier.

Der Diabetes hat mich geprägt, keine Frage. Disziplin und Verantwortung gehören aus meiner Sicht zu meiner guten Blutzuckereinstellung dazu. Selbstbestimmung? Ich kann so gut wie alles tun, was ich mir vorstelle – wenn ich es rechtzeitig plane.

Mein Resümee

Mein Blutzuckermessgerät und HbA1c-Kontrollen helfen mir bei der Reflexion meines Tuns. Das Diabetes-Journal bietet mir wichtige und aktuelle Informationen. Regelmäßige Untersuchungen, vor allem internistische und augenärztliche, sind mir sehr wichtig.

Ein Lob des Augenarztes für den “sehr guten” Augenhintergrund tut mir immer wieder gut. Für mich ein Grund zur Feier: durch Eigenlob oder auch mal durch ein Glas trockenen Sekt. Ich bin soweit gesund!


von Regine Fischer

Kontakt:
Kirchheim-Verlag, Kaiserstra0e 41, 55116 Mainz, Tel.: (06131) 9 60 70 0,
Fax: (06131) 9 60 70 90, E-Mail: redaktion@diabetes-journal.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2014; 63 (6) Seite 47-49

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