Ramadan in der Diabetes-Edition

3 Minuten

Ramadan in der Diabetes-Edition | Illustration: Huda Said
Illustration: Huda Said
Community-Beitrag
Ramadan in der Diabetes-Edition

Momentan ist wieder der islamische Fastenmonat Ramadan – darum erzählt Huda vom Aufwachsen zwischen Lichtermonden und Insulinflaschen, also dem Ramadan in der Diabetes-Edition.

„Huda“, ruft mich meine Mutter, „probiere mal, ist hier genug Salz drin?“ Sie hält mir einen Esslöffel mit heißer Linsensuppe entgegnen. „Und hol schon mal die Datteln aus dem Kühlschrank, es ist gleich Iftar“, fährt sie fort, während ich meiner Aufgabe als gewissenhafte Essenstesterin nachgehe.

Konversationen wie diese gibt es bei meiner Familie jedes Jahr. Es bedeutet, dass gerade Ramadan ist, der sogenannte Fastenmonat und zugleich der neunte Monat im islamischen Mondkalender.

Während diesem Monat fasten Muslime und Musliminnen zwischen der Zeit des Sonnenaufgangs und -untergangs. Dies bedeute ein Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit, aber auch ein spirituelles Besinnen auf den Glauben und die eigene Beziehung zu Allah.

Doch Moment mal – warum esse ich dann schon fröhlich Linsensuppe?

Eine Ausnahme sein

Die kurze Antwort ist: ich faste nicht. Genauso wie alle andere Menschen, die es aus gesundheitlichen Gründen nicht können, weil sie krank oder alt sind oder auch wenn sie ihre Periode haben. Fasten soll eine Herausforderung sein, aber nicht zu Schaden führen. Auf uns und unsere Körper aufzupassen ist eine ebenso wichtige Aufgabe.

Während ich also die Dattelpackung platziere, werfe ich einen Blick auf meinen Blutzucker. Gleich werden wir das Abendgebet verrichten und dann gemeinsam essen. Genauso wie meine Familie werde ich am Tisch sitzen und meinen Teller mit Tabouleh und Fatayer und natürlich der besagten Linsensuppe füllen.

„Das ist unfair“, haben meine kleinen Brüder früher manchmal deswegen gesagt, „du kriegst ohne die harte Arbeit trotzdem das leckere Essen.“ Und ich habe immer gelacht, hatten sie doch irgendwie Recht. Gleichzeitig war er trotzdem da, der Wunsch, so sein zu können, wie sie. Den Stolz zu erleben, den sie verspürten, als sie das erste Mal fasten durften und es schafften. In einer Heimat, in der ich mich oft genug schon anders fühlte, war ich selbst zu Hause nicht gleich.

Ein stiller Vorwurf

In Mitten von empörten „Noch nicht mal Wasser?“-Fragen und „Das ist unverantwortlich“-Aussagen, gab es für mich selten die Möglichkeit, die Sehnsucht teilen zu dürfen, die mich in diesem Monat oft erfasst. Die komische Trauer, wenn es alleine in meiner eigenen Wohnung statt Iftar um vierzehn Uhr Mittag gab. Wohlwissend, dass die Ramadanzeit so viel mehr war als nur das Fasten, dass all dies keinerlei Einfluss darauf hatte, welche Bedeutung meine Religion für mich hatte. Im Gegenteil, das nicht-Fasten sollte eine Erleichterung für mich sein. Natürlich war es dies auch. Während meine muslimischen Freunde sich durch Prüfungsphasen und Schlafmangel kämpften, ging mein Alltag meistens wie gewohnt weiter.

Aber ich wollte so sehr, dass Ramadan auch für mich genauso besonders war – und ich konnte nicht anders, als zu denken, dass mir der Diabetes das genommen hatte.

Es reihte sich ein in die lange Liste an Dingen, die ich ihm insgeheim vorwarf.

Gleichzeitig zog der Ramadan keinerlei spurlos an meinem Diabetes vorbei. Besonders als ich noch bei meinen Eltern lebte oder wenn ich länger dort sein konnte, bildete sich schnell das Muster von hartnäckigen, hohen Blutzuckerwerten am späten Abend.

Der, der es einfach machte

Das Fasten mit Typ 1 Diabetes jedoch keine ultimative Unmöglichkeit war, wurde mir erst viele Jahre nach meiner Diagnose klar. In einer Onlinekonversation mit einem muslimischen Freund, der ebenfalls Diabetes hatte, schrieb er: „Ramadan kareem! Der erste Tag Fasten ist geschafft.“ Was? WAS?

Erstaunt und fasziniert stellte ich fest – er hat es einfach ausprobiert. Nicht immer mit Erfolg und mit viel trial und error. Aber für ihn gab es kein grundsätzliches „das geht nicht.“ Er musste nicht. Aber er wollte. Weil er genau das verstand, was ich zuvor niemand anderem richtig erklären konnte.

Zugebenerweise war er aber auch einfach mutiger als ich. Trotz seiner Erfahrungen, war mein eigener Kopf noch voll mit Unsicherheit. Erst als ein weiteres Jahr verging und ich mein erstes AID-System bekam, traf ich die Entscheidung, dass ich es auch probieren wollte.

Also fastete ich endlich das erste Mal in meinem Leben mit. Dann ein zweites, ein drittes.

Illustration: Huda Said/MedTriX

Ich will es nicht kleiner reden, als es ist. Der Algorithmus kann nicht jede Unterzuckerung abfangen, zu lange zu wenig Insulin führt bei mir unweigerlich zu Ketonkörpern, nach der langen Nüchternphase schießen meine Blutzuckerwerte mit Anlauf nach oben. Ich könnte nicht den gesamten Ramadan durchfasten.

Aber an ein paar Abenden im Monat wird meine Mutter nicht fragen, ob ich die Linsensuppe probieren kann. Stattdessen werde ich mit ihnen mein Fasten mit einer Dattel und einem Glas Wasser brechen. Das mag für jemanden anderen unbedeutend erscheinen. Nach so viel Aufwand für etwas, was keine Verpflichtung ist.

Doch was für mich das Fasten ist, ist für jemand anderen das Backpacking durch Neuseeland oder der ersehnte Sportwettbewerb. Nur weil etwas mit Diabetes schwieriger ist, mehr Planung und Vorsicht erfordert, sollte man trotzdem die Chance und die Unterstützung bekommen, um es versuchen zu können.

Deswegen ist die etwas längere Antwort: Ich faste nicht. Aber manchmal eben schon.


von Huda Said aus der Community-Redaktion

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Ähnliche Beiträge

Druckfrisch: die Themen im Diabetes-Anker 11/2025

Die neue Magazin-Ausgabe ist ab sofort erhältlich: Dr. Katrin Kraatz/Prof. Dr. Thomas Haak aus der Chefredaktion stellt die Themen des Diabetes-Anker-Magazins 11/2025 vor. U.a. geht es um Wochen-Insuline, die nun auf den Markt kommen, den Schutz der Nieren bei Diabetes und um blutzuckerfreundliches Backen für die Adventszeit.
Druckfrisch: die Themen im Diabetes-Anker 11/2025 | Foto: MedTriX

4 Minuten

Jetzt mitmachen: Umfrage zum Digitalisierungs- und Technologie-Report (dt-report) 2026 gestartet

Jetzt mitmachen: Umfrage zum Digitalisierungs- und Technologie-Report (dt-report) 2026 gestartet | Foto: diateam GmbH

3 Minuten

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Über uns

Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.

Community-Frage

Mit wem redest du
über deinen Diabetes?

Die Antworten werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.

Werde Teil unserer Community

Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen

Community-Feed

  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

    Uploaded Image
    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • moira antwortete vor 1 Woche

      Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 2 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

Verbände