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Christopher Zänker gehört zu den Menschen, die mit ihrem Diabetes sozusagen ein U durchlaufen haben: Als Kind lief alles sehr gut, dann kamen viele Jahre der Berufstätigkeit mit für ihn völlig inakzeptablen Blutzuckerwerten mit vielen Höhen und Tiefen – und heute lebt er mit der modernsten Form der Diabetestherapie und seiner Frau, die er im Jahr 2022 heiratete, sehr zufrieden und glücklich.
Manchmal kann es ein längerer Weg sein, bis man das Gefühl hat, dass das Leben, die Arbeit und der Diabetes zusammenpassen. So war es auch bei Christopher Zänker. Sein Typ-1-Diabetes wurde am 27. Dezember 1996 diagnostiziert – „prompt nach Weihnachten, wie das am passendsten ist“, meint er schmunzelnd. Er war 11 Jahre alt und gerade von der vierten in die fünfte Klasse gekommen, für ihn ein sozialer Umbruch.
„Während der Schulzeit war der Diabetes immer recht gut führbar, weil es regelmäßige Essenszeiten gab. Das Messen war jetzt nicht das Problem, in der Schule waren die Lehrer übers Krankenhaus alle vorinformiert“, berichtet er. Dafür war extra jemand in die Schule gekommen, um zu erklären, „worum es da bei mir geht und wo es Obacht zu geben gibt, wenn ich hier irgendwo blass in der Ecke sitze, dass da vielleicht gerade Gefahr im Verzug ist“.
Für seine Mitschüler und Mitschülerinnen gehörte der Diabetes einfach dazu. Sie schlossen zum Beispiel Wetten ab, wie hoch Christopher Zänkers Blutzuckerwert war. „Das war schon lustig, weil dann auch immer gleich Interesse da war. Man ist jetzt mit dem Diabetes nicht aus der Klasse ausgegrenzt worden, sondern es war noch mal so eine kleine Möglichkeit, mich mit einzubinden.“ Allerdings gingen die Wetten mit der Zeit ein bisschen ins Geld, denn der Gewinner bekam immer einen Schokoriegel …
Sechs Jahre später ging er in eine Ausbildung zum Floristen. Das bedeutete für ihn, in Früh- und Spätschichten zu arbeiten. An besonderen Tagen wie dem Muttertag oder dem Frauentag war mitunter auch so viel los, dass er den ganzen Tag im Geschäft war. „Aber da war es immer möglich zu unterbrechen für eine kurze Frühstückspause.“ Mit seinem Diabetes-Management war er so weiterhin zufrieden.
Dann aber machte sich Christopher Zänker selbstständig, als Kurierfahrer. Er lieferte für drei Auftraggeber Waren aus. Sein Tag begann oft um 3 Uhr morgens und endete abends um 8 Uhr. Ironie dabei: Seine Ärztin, die ihn wegen seines Diabetes betreute, meinte, dass er durch diesen Tagesrhythmus sein Morgendämmerungs-Phänomen gut im Griff habe, weil der Stoffwechsel dann schon hochgefahren sei. Bei diesem auch als Dawn-Phänomen bekannten Phänomen steigen morgens durch das Ausschütten von Hormonen, alle Gegenspieler des Insulins, die Blutzuckerwerte an.
In dieser Phase der Berufstätigkeit versuchte er, seinen Typ-1-Diabetes durch Diät zu führen, „was ja eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit ist“. Er aß nur kleinere Mahlzeiten und spritzte dafür kein Insulin. Die Spritzentherapie geriet allgemein in dieser Zeit ins Hintertreffen, erzählt er. Im Dezember 2006 rutschte er dann in eine massive Ketoazidose, also eine Übersäuerung des Körpers durch einen hochgradigen Mangel an Insulin. Als er auf der Intensivstation betreut wurde, kam es zu einem Herzstillstand – aber er konnte erfolgreich wiederbelebt werden.
Dieses Erlebnis führte ihn in eine neue berufliche Welt, er wollte sich gesellschaftlich einbringen: „Das war vielleicht der Knackpunkt mit diesem verlängerten Aufenthalt im Krankenhaus, dass ich gesagt habe: Okay, selbstständig ist nicht mehr, ich gehe in die soziale Schiene. Ich bin dann langsam, aber sicher in die Altenpflege gerutscht.“ Dabei half ihm ein Zufall. Er hatte seine Selbstständigkeit als Kurier aufgegeben und war kurzzeitig arbeitslos. In einem Leipziger Kabarett verdiente er sich etwas dazu.
Vom Arbeitsamt war ihm gesagt worden, dass ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) eine gute Möglichkeit wäre. „Und der Weg des Himmels war, dass eine entsprechende Pflege-Einrichtung direkt über dem Kabarett war. Ich habe gesagt, hier möchte ich arbeiten – und ein paar Tage später hatte ich meinen Praktikums-Vertrag“, erinnert er sich freudestrahlend. Das war im Jahr 2008. Eine Ausbildung zum Altenpfleger schloss sich direkt an, gefolgt von einer Weiterbildung zum Praxisanleiter.
2016 wurde dann wieder ein Jahr, in dem die Ärzte, die ihn betreuten, die Hände über dem zusammenschlugen, als sie seine Blutzuckerwerte sahen. Denn: „Ab 2016 kam der richtig große Knackpunkt. Da habe ich eine Wohnbereichs-Leitung übernommen, hatte somit administrative Aufgaben, war Teil der jeweiligen Schichten, habe also auch Grundpflege und Ähnliches durchgeführt.Arbeitstechnisch wurde es immer mehr, dass ich sagen musste: Okay, ich habe wieder die Mahlzeiten ausfallen lassen so weit wie möglich und nötig …“
Er fühlte sich auch zunehmend unwohl, wie er die Pflege-Situation erlebte mit einem sehr hierarchischen Machtgefüge und einer Situation, in der nicht gepflegt werden konnte, wie es sein sollte.
Erst im Jahr 2020 kam der Wendepunkt: Christopher Zänker war umgezogen, hatte eine neue Ärztin. Diese wies ihn ins Klinikum Dresden ein am Standort Neustadt/Trachau. Hier merkte er bereits am ersten Tag, wie Stress seine Blutzuckerwerte in die Höhe getrieben hatte – die Entspannung hier ließ ihn wiederholt in die Unterzuckerung rutschen. Er „lernte“ wieder, sich vernünftig zu ernähren.
Dem Personal dort ist er heute noch ausgesprochen dankbar: „Es kam nicht so rüber, ‚Du hast keine Ahnung von deiner Krankheit‘, sondern es war wirklich Arbeiten auf Augenhöhe. Es gibt einem ein ganz anderes Selbstbewusstsein, als ständig in der Arztpraxis zu sitzen und zu sehen, es haut nicht hin, egal was ich mache.“ Anschließend kehrte er in seinen Job zurück. Nur mit Frühdiensten, mit ärztlich attestierter Notwendigkeit, kam er mit seinem Diabetes wieder gut zurecht.
Jetzt war er auch bereit, ein System zum kontinuierlichen Glukose-Monitoring (CGM) einzusetzen. Bereits im FSJ hatte er eins und eine Insulinpumpe ausprobiert, „aber habe das dann komplett abgelehnt, weil der Sensor mehrfach heruntergerissen wurde und die Pumpe auch“. Im Sommer 2023 war es so weit: Wieder in der Klinik in Neustadt/Trachau begann er mit einer Therapie mit automatisierter Insulin-Dosierung (AID). Hier gibt eine Insulinpumpe das Insulin passend zum CGM-Wert ab.
„Und seitdem ist eigentlich alles total tiefenentspannt“, freut er sich. „Ich habe jetzt zum ersten Mal seit über zehn Jahren ein HbA1c von 6 Komma noch was.“ Aktuell arbeitet er als Betreuungsfachkraft in einem Hof für Menschen mit Behinderung – und plant, sich beruflich noch weiterzuentwickeln.
von Verena Schweitzer und Dr. Katrin Kraatz
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2024; 72 (7) Seite 38-40
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