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Der Einstieg von Kindern mit Diabetes in den Kindergarten, die Schule etc. kann enorme Hürden bis hin zu extrem belastenden Erlebnissen für die Familien mit sich bringen. Ein neuer Arbeitskreis versucht nun, sich bundesweit um die Interessen der betroffenen Familien zu kümmern – für eine bessere Integration. Dr. Peter Hiermann ist dabei.
Sie als Eltern eines Kindes mit Diabetes können möglicherweise davon berichten, welche verschlungenen Wege, Hürden, vielleicht auch Ärgernisse zu bewältigen waren, bis ihr Kind im Kindergarten, in der Grundschulklasse oder der Nachmittagsbetreuung angekommen war. Die Mutter eines 4-jährigen Mädchens berichtet uns beispielsweise: “Als ich erklärte, dass M. jetzt Diabetes hat, wurden auf einmal alle ganz abweisend. Dies könne man doch nicht auch noch im Regelkindergarten leisten! – Heute haben wir uns zusammengerauft und Lösungen gefunden!”
Auch die Diabetesteams haben hierzu viel erlebt. Je nachdem, wen man fragt, schwanken die Erfahrungen zwischen großer Frustration (“es wird immer schwieriger”) und Zufriedenheit (“die Aufnahme in Kindergarten und Schule klappt meist reibungslos”).
In den einzelnen Bundesländern, von Stadt zu Stadt, von Einrichtung zu Einrichtung scheint es vollkommen unterschiedlich zu laufen. Verschiedene Landesgesetze, Fördertöpfe, Traditionen in den Städten oder Kliniken, regionale Absprachen, und immer wieder die Frage, ob Betreuende den Familien unbürokratisch entgegenkommen – oder eben nicht –, machen es unmöglich, ein einheitliches Bild zu zeichnen.
Eine Initiative von Kollegen aus der Diabetologie hat sich in einem Arbeitskreis im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische Diabetologie e. V. (AGPD) zusammengefunden, um bundesweit für die Verbesserung der Integration der Kinder aktiv zu werden.
Aktuell beschäftigen wir uns in einer laufenden Erhebung mit der Frage, wie die Integration der Kinder mit Diabetes in den verschiedenen Ländern organisiert und finanziert wird. Weiterhin versuchen wir zu beschreiben, was diese Kinder in der Betreuung in Kita, Schule und Hort “brauchen”. Dabei stellt sich auch die Frage, was den Start in den Einrichtungen erschwert oder erleichtert. Dies ist schwer zu beantworten, da er von vielen Faktoren abhängt.
So gibt es u. a. deutschlandweit ganz unterschiedliche strukturelle Gegebenheiten, die mehr oder weniger Platz für “Zusatzaufgaben”, wie die Betreuung eines chronisch kranken Kindes, lassen. Beispielsweise kommen in Bremen im Regelkindergarten rechnerisch 7 Kinder auf eine Erzieherin, in Mecklenburg-Vorpommern sind es 13,8. Das sind die beiden Extremwerte in der Aufstellung der Bertelsmann-Stiftung (Stand: 1. März 2013). D. h., in Mecklenburg-Vorpommern sind die Kita-Gruppen fast doppelt so groß wie in Bremen!
Die Erfahrung zeigt außerdem, wie wichtig die spezielle Situation ist, in der Sie sich als Eltern gerade befinden: Wie gut können Sie mit den großen Herausforderungen umgehen? Wie viel Zeit und Kraft bleibt Ihnen dafür in einem sonst schon stressigen Alltag mit Kind(ern)? Wie viel Rückhalt haben Sie in der Familie oder im Freundeskreis? Wie leicht oder schwer fällt es Ihnen, sich einen Weg für Ihr Kind und sich selbst zu erarbeiten? Ein paar Ideen dazu finden Sie im Kasten “Empfehlungen für Eltern”.
Des Weiteren sehen wir ein Problem im öffentlichen Bild des Typ-1-Diabetes: Es scheint wenig Wissen darüber zu geben, welche komplexen Anforderungen die alltägliche Therapie an Kinder, Eltern und Bezugspersonen stellt. Es geht eben nicht darum, “einfach” zu einer bestimmten Uhrzeit eine Tablette zu nehmen oder eine bestimmte Zeit lang zu inhalieren.
Aus psycho-diabetologischer Sicht würden wir uns wünschen, dass die Betreuer in vielen Einrichtungen bereit wären und die Möglichkeit hätten, sich ohne Integrationshelfer um die Kinder zu kümmern. D. h. konkret, dass die Erzieherin mit den notwendigen Dingen (Blutzucker messen, BE berechnen, Insulin geben) umgehen kann.
Außerdem sollte die Erzieherin dem Kind helfen können, mit den emotionalen Herausforderungen umzugehen: zum Beispiel dem Kind helfen, mit seinen Gefühlen umzugehen, weil es sein Spiel für eine Blutzuckermessung unterbrechen muss, oder wegen eines hohen Blutzuckers den Kuchen nicht essen darf oder nicht toben kann.
Auf Seiten der Betreuer gilt es, eine Balance zwischen erhöhter Aufmerksamkeit für das Kind mit Diabetes und einem unbeschwerten Umgang mit ihm zu finden.
Die Integration von Kindern mit Typ-1-Diabetes verläuft regional sehr verschieden und mit unterschiedlichem Erfolg. Der neue Arbeitskreis der AGPD setzt sich bundesweit dafür ein, dass der Integrationsprozess für Kinder verbessert und vereinfacht wird. Wir werden im Diabetes-Eltern-Journal weiter darüber berichten.
Danke für die Unterstützung an: S. v. Sengbusch, J. Wendenburg, E. Küstner, A. Mauer, T. Kapellen
von Dr. Peter Hiermann | Diplom-Psychologe
Universitätsklinikum Leipzig, E-Mail: peter.hiermann@medizin.uni-leipzig.de
Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2015; 8 (1) Seite 12-13
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