DIAlog 13: die Abwesenheit

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DIAlog 13: die Abwesenheit

Die Rückkehr

„Ist das jetzt dein Ernst?“ Der Diabetes starrte mich an.

„Was denn?“, erwiderte ich, während ich vorsichtig in meinen Kaffee pustete.

„Was denn? Was denn? Weißt du, wie lange ich dich nicht mehr gesehen habe? Fünf Monate! Fast ein halbes Jahr! Und jetzt tauchst du plötzlich auf mit einem, mit einem –“

„Einem Pumpkin-Spice-Latte“, ergänzte ich hilfreich.

„Ist mir doch egal, was für ’ne Kürbissuppe das ist!“, rief der Diabetes frustriert, „wo warst du bitte schön?“

„Ich, äh, also, ich habe studiert.“

„Ja, ach was, das tust du aber nicht erst seit Juni.“

Ich seufzte, wissend, dass der Diabetes jetzt nicht klein beigeben würde.

„Naja, ich hatte halt Prüfungen“, holte ich also zur Erklärung aus, „und dann mein Praktikum im Krankenhaus. Und dann wieder Prüfungen. Gut, zwischendurch war ich auch noch im Urlaub und hab’ meine Serien-Watchlist abgearbeitet und oh, ich verbringe gerade viel Zeit damit, meine virtuelle zuckersüße Insel zu gestalten. Du merkst also schon, ich bin sehr, sehr beschäftigt. Das verstehst du doch, oder?“

Ich versuchte, dem Diabetes beschwichtigend zuzulächeln, aber der drehte sich nur demonstrativ weg.

„Ach komm schon, jetzt sei nicht so. Tut mir leid, okay? Es war echt nicht meine Absicht, so lange weg zu sein, ist halt so passiert.“

Langsam begann ich, ungeduldig zu werden, und wollte schon nach dem Diabetes greifen und ihn zu mir ziehen, als mir etwas auffiel.

Seine Schultern zuckten.

Und dann, ganz leise, ein Schluchzen.

Oh nein. Oh nein, oh nein, oh nein… der Diabetes weinte. Ich hatte meinen Diabetes kaputt gemacht.

Panisch sah ich mich nach etwas um, was mir helfen konnte, doch außer meinem Kaffee hatte ich nichts bei mir, also blieb mir nichts anderes übrig, als es damit zu versuchen.

„Hey, Diabetes, guck mal! In dem Kaffee ist ganz viel Zucker drin! Und ich werde ihn jetzt trinken und dabei ganz zufällig vergessen, Insulin abzugeben!“

Gespannt blickte ich den Diabetes an, doch immer noch keine weitere Reaktion. Wenn der Diabetes das Versprechen eines unkontrolliert steigenden Blutzuckers ignorieren konnte, dann war die Lage wirklich noch ernster als befürchtet.

Quelle: Huda Said

Die Tür ist nie ganz zu

„Du kannst mich doch unmöglich so sehr vermisst haben“, wagte ich es also erneut.

Zumindest das schien etwas aus dem Diabetes herauszulocken, wenn auch nur in gemurmelter Form.

„Sorry, was?“

„Ich habe gesagt“, wiederholte der Diabetes diesmal lauter, „ich dachte, du kommst nicht wieder.“

„Aber warum sollte ich –“ Noch während ich antwortete, realisierte ich es. Plötzlich wusste ich, warum der Diabetes so drauf war.

„Diabetes, ich war nicht weg, weil ich ein Problem mit dir hatte. Es war wirklich einfach nur viel los in letzter Zeit. Und ich weiß, dass das früher anders war.

Wenn ich damals nicht mit dir gesprochen, wenn ich dich ignoriert habe – dann aus tiefster Scham. Ich war wütend, ich war verletzt und du warst der Schuldige. Aber wenn ich mich heute ein wenig von dir entferne, wenn gerade anderes im Leben zu tun ist, dann, weil ich mir das zutraue. Weil ich aus diesen Ruinen ein Haus aufgebaut habe, dessen Tür nie ganz verschlossen ist. Ich kann immer zurückkommen. Und klar, es gibt immer noch Tage, an denen ich dir wirklich viel weniger Aufmerksamkeit gebe, als ich eigentlich tun sollte, als es eigentlich am sichersten wäre. Da gucke ich zu selten auf meine Werte, schiebe den Katheterwechsel zu lange auf, ignoriere gekonnt jeden Spritz-Ess-Abstand. Aber das war früher die Normalität und jetzt ist es nur noch die Ausnahme. Und Ausnahmen sind okay, manchmal sogar wichtig, um zumindest kurz durchatmen zu können.

Denn mittlerweile habe ich Vertrauen, in mich selbst und darauf, dass ich nicht mehr die Kontrolle verliere. Ich habe all diese zerbrochenen Jahre in meine Hände genommen und mir geschworen, dass ich auf dich und auf mich aufpasse.“

Das größte Kompliment

Ich machte kurz Pause und schluckte. „Wenn ich mich also eine Weile nicht so sehr mit dir beschäftige, dann nicht, weil ich dich erneut aus meinem Leben ausschließen will. Im Gegenteil, du gehörst nun so sehr zu meinem Leben, dass ich es mir erlauben kann, dich mal nebenher laufen zu lassen. Du weißt gar nicht, was für eine Angst ich hatte, als ich dieses Studium begonnen habe. Wie viele Sorgen ich mir gemacht habe, dass ich wieder in alte Muster rutsche, sobald ich zu gestresst und beschäftigt bin. Dass alles, worauf ich so stolz bin, zunichtegemacht wird. Aber hey, guck uns an. Fünf Monate Stille und es hat sich noch nicht mal wirklich etwas verändert. Eigentlich kann es für uns beide kein größeres Kompliment geben.“

Der Diabetes sah mich endlich an, wenn auch mit aufgerissenen, ungläubigen Augen. „Echt jetzt?“

Ich musste auflachen. „Ja, echt jetzt, versprochen.“

Der Diabetes schien mir nun endgültig verziehen zu haben, denn er lehnte sich vor und grinste mich an. „Das Angebot mit dem Kaffee ohne Insulin steht aber noch, oder?“ Ich verdrehte die Augen und nahm einen großen Schluck. Alles tatsächlich wie beim Alten.


Hier kommt ihr zum letzten Gespräch mit Hudas Diabetes:

DIAlog 12: die Zahlen

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  • carogo postete ein Update vor 1 Tag, 8 Stunden

    Hallo zusammen! Ich habe mich mit einer Freundin über die Rezepte in der Zeitschrift unterhalten und wir haben uns gefragt, was es eigentlich konkret mit den Nähwertangaben und der Unterscheidung zwischen Kohlenhydraten und anrechnungspflichtign KH auf sich hat?

    • Das wüsste ich auch gerne.

    • Liebe Carogo,
      anrechnungspflichtige KH sind Kohlenhydrate, die den Blutzuckerspiegel erhöhen. Es gibt auch KH, die nicht direkt blutzuckersteigernd wirken und damit für die Insulintherapie nicht oder nicht voll angerechnet werden müssen, wie bspw. Ballaststoffe oder KH, die nur sehr langsam den Blutzucker beeinflussen.
      VLG
      Gregor aus der Diabetes-Anker Redaktion

    • @gregor-hess: danke für die Antwort! Könntest du hierfür mal Beispiele nennen?

  • cesta postete ein Update vor 1 Woche, 4 Tagen

    Hallo zusammen, ich habe eine Frage an euch. Ich habe seit 4 Jahren Typ 1 LADA und bisher nur mit Basalinsulin ausgekommen. Seit 3 Wochen muss ich nun auch zu jeder Mahlzeit Humalog spritzen. Für die Berechnung wiege ich immer alles ab. Könnt ihr eine App empfehlen, die bei der Berechnung der Kohlenhydrate unterstützt? Oder habt ihr andere Tipps wie man sich daran gewöhnt? Ich wiege bisher alles ab und kann mir gar nicht vorstellen, dass ich mir das zukünftig merken kann bzw. wie ich die Kohlenhydrate schätzen kann. Vielen lieben Dank für eure Hilfe! Liebe Grüße, Christa

    • Hallo cesta, ich habe gute Erfahrungen mit der WETID App gemacht. Hier erhältst du für fast alle Lebensmittel BE – Werte. Man kann auch das Portionsgewicht eingeben und erhält dann die entsprechenden BE’s.
      Die App mit Werbung war bisher kostenlos. App ohne Werbung und im Abo ist besser.

      LG von kw = Kurt mit Diabetes Typ 3c

    • Hallo Christa! Ich verwende die FDDB app. LG Sarah (Lada)

    • @kw: Vielen lieben Dank für den Tipp!

    • @moira: Vielen lieben Dank für den Tipp!

  • sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 3 Wochen

    hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid

    • mayhe antwortete vor 3 Wochen

      Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid

    • Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hallo Heike, oh da hast du aber auch viel geschafft. Ja ich habe die Kinder mit Diabetes bekommen und meine Kinder sind 26,25,23 und bald 19 🥰….und wie du hoffe bald wieder fit zu sein. Beruflich wechsle ich jetzt vom Kinderhospiz wieder in die Krippe da es dort vorausschaubarer ist als im Schichtdienst. In der Hoffnung der Diabetes lässt sich dort wieder besser einstellen. Eigentlich sollte ich auch die Ernährung wieder umstellen, das weiß ich aber es fällt mir so schwer. Wie ist das da bei dir. Was machen deine Werte ? Viele Grüße Astrid

    • @sveastine: Hallo liebe Astrid, sag mal kann es sein, daß du in den Wechseljahren bist? Ich habe meine schon hinter mir, aber das war zuckertechnisch eine der schwierigsten Zeiten, weil ständig alles durcheinander war. Damals war ich allein 2 x in der Diabetes Klinik Bad Mergentheim zum Anpassen innerhalb von 3-4 Jahren. Die Hormonwirkungen waren der Wahnsinn. Jetzt ist es wieder deutlich ruhiger. Was hast du eigentlich für eine Versorgung? Pen? Pumpe? Insulin? Sensor?
      Ich habe die Tandem tslim mit Sensor und Novorapid. Und das ist für mich der game changer gewesen. Seitdem werden die zuckertechnischen Anstrengungen auch mit guten Werten belohnt. Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hi, ja ich bin in den Wechsel Jahren schon eine ganze Weile und nehme Hormone. Das ist denke ich ist der Hauptgrund der Schwankungen, aber das geht schon seit ca 3 Jahren so, was doof ist. Ich hab das gleiche System wie du tslim und Dexcom, trotzdem schwierig.aber für Bad Mergentheim lt. Diabetologe zu gut um die Genehmigung dafür zu bekommen 🤷🏻‍♀️

    • @sveastine: Das ist ja witzig, das du dieselbe Versorgung hast. Also bist du da optimal versorgt. Jetzt verstehe ich deinen Frust. Nach den Behandlungen in Bad Mergentheim war es wenigstens eine Weile besser. Warst du schon mal in Reha wegen dem Zucker? Ist zwar nicht Bad Mergentheim, aber manche Rehakliniken machen das wohl echt gut. Du musst “nur” darauf achten, dass sie ein spezielles Angebot für Typ1er haben. Ich war 2019 in der Mediclin Klinik Stauffenberg, Durlach. Das war okay. Am wichtigsten fand ich den Austausch mit den Mitpatienten. Aber natürlich ist der Aufwand für dich bei 4 Kindern für 3 Wochen, sehr hoch. Und eine Garantie dafür das dann länger besser läuft gibt es nicht. Ich fand es aber immer wichtig, den zuckertechnischen Input und die Solidarität zu erfahren. Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Nicht Durlach, sondern Durbach.

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