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Wie ich lernte, für meinen Diabetes mutig zu werden.
4 Minuten
Als ich vor 3 Jahren mit dem Diabetes im Gepäck ein paar Monate früher als geplant nach Hause kehrte, wusste bereits jeder in meinem Umfeld über mein neues Anhängsel Bescheid.
Denn wie es so in der menschlichen Natur liegt, war ich vielleicht nicht Gesprächsthema Nummer Eins, aber immerhin Zwei: „Hast du schon gehört, Lea ist wieder da! Sie musste das Auslandsjahr abbrechen, weil sie so krank ist.“
Zugegeben, so falsch war das nicht, denn bis ich mich entschloss, nach Hause zu fliegen, hatte ich weder Bolus-Insulin noch eine Schulung erhalten.
Mein Gesundheitszustand ließ daher zu wünschen übrig und obwohl ich zu der Zeit im Krankenhaus lag, kamen blöde Sprüche unwissender Schulkameraden auf, die nur von denen vehement verteidigt wurden, die Menschen mit Diabetes in ihrer Familie hatten.
„Also, ich hätte ja nicht abgebrochen, nur weil ich ein bisschen krank bin.
Mit Diabetes ist es ja einfach zu leben und überhaupt hat sie ja selbst Schuld, wenn sie sich mit Süßigkeiten vollgestopft hat.“
Mund auf oder doch lieber schweigen?!
In dieser Situation musste ich mich schließlich entscheiden: Sollte ich verletzt schweigen und doofe Sprüche über Diabetes über mich ergehen lassen, während ich mich so unauffällig wie möglich um meine Diabetestherapie kümmerte, oder sollte ich aufstehen und selbstbewusst dafür kämpfen, dass Menschen mit Diabetes nicht nur akzeptiert, sondern auch verstanden wurden?
Klar, dass ich mich für die zweite Möglichkeit entschied.
Ich weiß, dass dazu Mut gehört und die Kraft, einstecken zu können. Ich war schon immer eigen, aber ich musste mich vorher nie verteidigen, von daher stimmt es vermutlich, wenn ich sage, dass man mit seinen Aufgaben wächst: Ich wollte, dass wir Diabetiker richtig verstanden werden, also setzte ich mich dafür ein. Dazu braucht es nicht so viel, wie man denkt. Nur einen starken Willen.
„Kannst du dich nicht woanders spritzen? Ich finde das eklig!“
Sobald ich also wieder aktiv am Schulgeschehen teilhaben konnte, habe ich meinen Blutzucker öffentlich gemessen und auch mein Insulin immer dann gespritzt, wann ich es eben brauchte, egal, wo ich mich gerade befand.
Während die eine Hälfte meines Umfelds aufrichtig interessiert daran war und sich gern die Abläufe erklären ließ, bekam ich von der anderen Hälfte Blicke ab, die ich entweder erwiderte oder ignorierte.
Ich kann mich noch an einen Spruch erinnern, der mich verletzt, aber nicht weiter mitgenommen hat: „Kannst du dich nicht woanders spritzen? Ich finde das eklig!“
Ekel war etwas, womit ich mich davor nicht konfrontiert sah – ich konnte Angst verstehen, manchmal sogar Mitleid, aber Ekel war mir in diesem Fall fremd.
Wem Nadeln unangenehm waren, der schaute eben weg, und das war auch etwas, das ich nachvollziehen konnte.
Jedes Mal, wenn mir Phrasen wie „Jeden Tag spritzen? Das könnte ich nie!“ an den Kopf geworfen wurden, erwiderte ich das Gleiche: Ich spritze mir Insulin, um zu leben. Und du würdest es genauso tun.
Auch in diesem Fall fiel mir nichts anderes ein, denn ohne Insulin können wir Diabetiker nicht leben, und allein das gibt uns meiner Meinung nach das Recht, zu spritzen und zu messen, wie wir es für nötig halten, ohne Rücksicht auf Nichtdiabetiker.
Nie anders oder zweitklassig.
In der Schule und auch im restlichen Alltag fand ich neben den Vorurteilen immer Unterstützung und zum Teil auch Bewunderung, wie ich mit meiner zusätzlichen „Bürde“ umgehe.
Ich bezeichne Diabetes nicht gern als Krankheit, obwohl es natürlich in die Kategorie Autoimmunerkrankung fällt, und auch, wenn es mir lange Zeit nach der Diagnose nicht gut ging, habe ich mich nie „krank“ gefühlt.
Nie leistungsunfähig. Nie unbelastbar. Nie schwach. Nie anders oder zweitklassig.
Mein Diabetes stellt für mich eine zusätzliche Hürde dar, die ich meistern muss – aber für mich ist es eine Hürde, die ich meistern kann und die ich im Griff habe.
Ich habe mit meinem Diabetes kein Problem, aber es gibt sie, allen voran Akzeptanzprobleme.
Darüber möchte ich heute schreiben.
Es hätte anders kommen können!
Wenn man Diabetes mit 17 bekommt, dann ist das entweder Fluch oder Segen.
Man kann sich an eine Zeit vor dem Messen und Spritzen erinnern, vor schlaflosen Nächten durch hohen Blutzucker oder den Kopfschmerzen nach einer Hypoglykämie.
Aber meist entwickelt man eine ganz andere Einstellung.
Ich weiß nicht, wie offen ich mit meinem Diabetes umgehen würde, hätte ich mir solche Sprüche bereits in Kindergarten oder Grundschule anhören müssen, am besten nachgeplappert von unwissenden Eltern, ganz ohne böse Absichten.
Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen würde, wenn ich keine Unterstützung von Familie und Freunden bekommen hätte oder Freunde sich abgewandt hätten.
Ich weiß nicht, wie ich mich entwickelt hätte, wenn mein Selbstbewusstsein unterdrückt worden wäre und ich nicht so eine Willenskraft hätte, wie ich sie heute habe.
Bevor ich darüber nachgedacht habe, war es für mich unverständlich, warum man seinen Diabetes verstecken möchte und sich heimlich misst oder spritzt.
Natürlich liegt es daran, wie man von der Umwelt und seinem Umfeld beeinflusst wird, und so wird dann auch die Entscheidung gefällt, über die ich am Anfang des Artikels geschrieben habe: Zurückhaltung oder Offenheit.
Und das kann ich sehr gut verstehen!
Es ist nie leicht, sich für ein Thema einzusetzen, zu dem es viele Meinungen gibt.
Wir sind alle Helden!
Aber es macht mich traurig, zu hören, dass sich andere für ihren Diabetes schämen, dass sie sich schwach fühlen.
Denn das ist keiner von uns! Wir übernehmen – zusätzlich zum Alltag – jeden Tag die Leistungen eines Organs, wir sind also quasi doppelt so belastbar und leistungsfähig.
Wichtig ist, was wir daraus machen.
Das größte Akzeptanzproblem ist jedoch nicht die eigene, sondern die Akzeptanz im sozialen Umfeld.
Ich bin leider nicht die Einzige, die blöde Sprüche abbekommen hat und gegen manche Sprüche wirken die meinen ziemlich harmlos.
Ich weiß nicht, warum sich Menschen das Recht herausnehmen, über andere zu urteilen und das gerade bei chronischen, unheilbaren „Krankheiten“.
Fakt ist, dass wir jeden Tag mit Vorurteilen und Lästereien konfrontiert werden, egal ob Diabetiker oder nicht.
Was wir daraus machen, bleibt uns überlassen.
Ich werde weiterhin dazu stehen, dass ich ein Mensch bin, der ein paar Aufgaben mehr übernehmen muss, um ein gutes und gesundes Leben zu führen.
Ich werde nicht müde, Vorurteile aufzuklären und den Alltag eines Diabetikers näherzubringen.
Ich werde Pumpe und Sensor weiterhin an Armen und Bauch tragen und nicht darauf achten, ob sie gerade sichtbar sind.
Und ich würde mir wünschen, dass wir das alle tun.
Denn nur so können wir Akzeptanz erreichen – indem wir zeigen, dass wir ein ganz normales Leben mit etwas mehr Technik führen, die uns hilft und nicht einschränkt.
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sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 5 Tagen, 3 Stunden
hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid
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stephanie-haack postete ein Update vor 6 Tagen
Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂
Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/
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lena-schmidt antwortete vor 5 Tagen, 23 Stunden
Ich bin dabei 🙂
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 2 Wochen, 6 Tagen
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 2 Wochen, 1 Tag
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
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Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike
@mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid
Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike