Beschwerliches Gesundheitswesen

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Beschwerliches Gesundheitswesen

Besser ärztliche Hausbesuche als Teststreifen? In einem Gastbeitrag beschreibt der freie Journalist Wolfgang Kownatka anhand eines konkreten Fallbeispiels, welche aberwitzigen Auswüchse unser durchreglementiertes Gesundheitswesen hervorbringen kann.

Die Ausgangslage: Eine 87 Jahre alte Dame aus der alten Kaiserstadt Goslar hat, wie es oft im Alter vorkommt, Typ-2-Dia­betes. Durch ihr Alter bedingt, kann sie sich nur eingeschränkt bewegen und ist hierzu auf einen Rollator angewiesen. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung hat sie in die Pflegestufe I eingeschrieben.

Ihr Diabetes zwingt die alte Dame, nennen wir sie Frau Müller, regelmäßig zum Arzt. Um diesen zu erreichen, ist eine Fahrt mit dem Bus erforderlich. Zweimal in der Woche. Die Beschwerlichkeit der wöchentlichen Arztbesuche steht außer Frage, dennoch nimmt sie die Belastung auf sich. Sie möchte sichergehen, dass ihre Blutzuckerwerte – zwar hoch – stabil bleiben und sie sich keine besonderen Sorgen machen muss.

Selbstmessung statt beschwerliche Besuche beim Arzt

Nun hat Frau Müller beim Besuch bei ihren Verwandten über das Problem gesprochen. In der Familie findet sie glücklicherweise eine ausgewiesene Fachfrau zum Thema Diabetes, die ihr ein Blutzuckermessgerät mit den entsprechenden Teststreifen zur Verfügung stellt und sie in die Handhabung einweist. Frau Müller ist begeistert, weil sie sofort erkennt, dass ihr der beschwerliche Weg zum Arzt solange erspart bleibt, wie die Blutzuckerwerte unter der Grenze von 200 mg/dl (11,1 mmol/l) liegen, die der Arzt als akzeptabel bezeichnete.

Nun – so glaubt sie – könne sie sich selbst kontrollieren und wenn die Teststreifen verbraucht sind, würde ihr Arzt ihr schon neue verschreiben.

Kasse: lieber kostenintensive Hausbesuche als günstigere Selbstkontrollen

Hier nun beginnt das Unverständnis. Ihr Arzt erklärt ihr, dass er die Teststreifen nicht verschreiben dürfe, da sie nicht „insulinpflichtig“ sei. Es gebe zwar eine weitreichende Ausnahmeregelung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), aber diese träfe auf sie (noch) nicht zu.

Frau Müller wendet sich an ihre Krankenkasse, die die Aussage des Arztes bestätigt. Auch erklärt sie ihr, dass im Bedarfsfall der Arzt zu ihr ins Haus käme und die Blutzuckermessung dort vornehme. Den Hinweis von Frau Müller, dass diese Prozedur ja die Krankenkasse mehr Geld kosten würde als die Eigenmessung und die Übernahme der Kosten für die Teststreifen, wies die Krankenkassenmitarbeiterin mit der Bemerkung zurück, dass ja jeder auf die Idee kommen könne, sich ein Messgerät zu beschaffen, um sich die Teststreifen zu Lasten der Krankenkasse verschreiben zu lassen.

Alle Beteiligten würden von Frau Müllers Selbstständigkeit profitieren

Das Fazit aus meinem Blickwinkel: So wird sich die alte Dame weiterhin auf den beschwerlichen Weg zum Arzt machen, zweimal wöchentlich, um eine Blutzuckermessung durchführen zu lassen, die sie viel bequemer und weniger belastend zu Hause vornehmen kann. Auch die damit verbundenen Kontrolleintragungen und das regelmäßige Gespräch mit ihren Verwandten zu Ergebnis und Befindlichkeit haben ihren psychologisch nicht zu unterschätzenden Wert von Selbständigkeit im Alter – von der Kostenersparnis für die Versichertengemeinschaft einer Krankenkasse einmal abgesehen.

Und das Argument „Da könnte ja jeder kommen…“ ist als Totschlag-Argument nicht zu akzeptieren – denn der Arzt muss letztlich entscheiden, ob ein Patient selbst Blutzuckermessungen vornehmen kann oder nicht. Und schließlich dürfte er für jeden selbständigen Patienten dankbar sein, der seine ohnehin überlasteten Praxisstunden nicht in Anspruch nehmen muss.


von Wolfgang Kownatka
freiberuflicher Journalist, Marketing- und PR-Berater
E-Mail: w.kownatka@ndh.net

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  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 4 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

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    • darktear antwortete vor 2 Wochen

      Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 5 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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