Ernährungspolitik: zu viel Fleisch und Zucker – am Schwein gesund sparen

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Ernährungspolitik: zu viel Fleisch und Zucker – am Schwein gesund sparen | Foto: Jakub Krechowicz - stock.adobe.com
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Ernährungspolitik: zu viel Fleisch und Zucker – am Schwein gesund sparen

Auf insgesamt fast 50 Milliarden Euro pro Jahr beziffert eine im Auftrag von Greenpeace erstellte Studie die versteckten Kosten unserer Ernährung – ähnlich hoch ist der Etat für die Verteidigung. Doch anders als dieser würden die Kosten unseres Agrar- und Ernährungssystems insbesondere durch zu viel Zucker und Fleisch kaum diskutiert. Und auch im Koalitionsvertrag stehen nur spärliche Zeilen zu diesem Aspekt der Ernährungspolitik.

Jeder Käufer von einem Kilogramm Fleisch solle an der Supermarktkasse doch einen 20-Liter-Kanister Gülle zu seinem Einkauf ausgehändigt bekommen. An solchen wohldosiert eingestreuten kabarettistischen Vorschlägen merkte man, dass bei der Vorstellung der Studie „Die versteckten Kosten der Ernährung“ Ende April in Hamburg neben der Geschäftsführerin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) Barbara Bitzer, der Wissenschaftlerin Dr. Beate Richter und dem Greenpeace-Landwirtschaftsexperten Matthias Lambrecht auch der Arzt und Moderator Dr. Eckart von Hirschhausen auf dem Podium saß.

Doch solche Auflockerungen konnte man an einer Hand abzählen, der Wissenschaftsjournalist übernahm auf der Pressekonferenz eher die Rolle des Aufrüttlers. „90 Prozent der Säugetiere auf diesem Planeten werden nur geboren, um geschlachtet zu werden für ein Säugetier, nämlich uns. Wie unfassbar ist das eigentlich? Warum schreien wir nicht, warum weinen wir nicht, warum lassen wir das zu, wenn es weder für uns noch für die Tiere noch für die Erde irgendwie sinnvoll ist?“, fragte von Hirschhausen emotional.

Fleisch – ein gewichtiger Faktor für Gesundheit und Umwelt

  1. 60 Prozent aller landwirtschaftlichen Flächen dienen der Futterproduktion für die Tierhaltung.
  2. Mehr als zwei Drittel der Treibhausgas-Emissionen aus der Landwirtschaft werden der Tierhaltung zugeschrieben.
  3. 7,51 Euro pro Kilogramm verarbeitetes Fleisch betrugen 2022 die direkten und indirekten Gesundheitskosten des Konsums in Deutschland.

Dabei ging es bei den Daten, die die Studien-Autorin Richter präsentiert hatte, ja eigentlich um Buchhalterisches. Auf rund 21 Milliarden Euro pro Jahr würden sich die bei der Erzeugung von Fleisch in Deutschland entstehenden Kosten durch Umwelt- und Klimaschäden belaufen. Hinzu würden Gesundheitskosten in Höhe von gut 16 Milliarden Euro. Diese entstehen vor allem durch den übermäßigen Konsum von rotem Fleisch, Schinken und Wurst, der die Risiken für Herz-Kreislauf- und Krebs-Erkrankungen sowie Typ-2-Diabetes erhöht.

Die Klima- und Umweltschäden werden etwa verursacht durch Treibhausgas-Emissionen aus der Tierhaltung und die Luftbelastung mit Feinstaub und Schadstoffen, so die im Auftrag von Greenpeace vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) erstellte Studie.

Neben Fleisch auch Zucker zu viel

Neben dem zu hohen Fleischkonsum beschäftigt die Studie sich auch mit dem zu hohen Zuckerkonsum. Dieser könnte neben starkem Übergewicht (Adipositas), Typ-2-Diabetes und Bluthochdruck auch zu Karies und Parodontose führen. Unter dem Strich belaste zu viel Zucker das Gesundheitssystem in Deutschland mit weiteren knapp 12 Milliarden Euro jährlich.

Diese insgesamt fast 50 Milliarden Euro liegen in der Größenordnung des Verteidigungs-Etats oder der Netto-Kreditaufnahme im aktuellen Entwurf des Bundeshaushalts, unterstrich Greenpeace-Experte Lambrecht die Dimensionen. „Wir alle zahlen – während Konzerne ihre Gewinne optimieren“, kritisierte er. Und es würden zusätzlich Steuergelder aufgewendet, um dieses System zu fördern, und der reduzierte Mehrwertsteuersatz auf Fleisch erhoben. „Das ist ziemlich verrückt!“, so Lambrechts Zusammenfassung.

Ernährungspolitik: zu viel Fleisch und Zucker – am Schwein gesund sparen | Foto: Marcus Sefrin/MedTriX

Präsentierten Zahlen und Vorschläge gegen die Fleisch-Zentriertheit (von links): Dr. Eckart von Hirschhausen, Dr. Beate Richter, Matthias Lambrecht und Barbara Bitzer.

Greenpeace fordert daher unter anderem von der Politik eine Mehrwertsteuer-Befreiung für klimaverträglich erzeugte pflanzliche Lebensmittel. Dies könnte Anreize schaffen, den gesundheitsschädlichen Überkonsum von Fleisch- und Milchprodukten zu vermindern und so dazu beizutragen, die ökologischen Belastungen und die damit verbundenen gesellschaftlichen Kosten durch die übermäßige industrielle Tierhaltung zu senken. Die Politik müsse auch mit klaren und verbindlichen Rahmenbedingungen dafür Sorge tragen, dass die dargestellten Effekte des Ernährungssystems transparent werden. Zum Beispiel durch die Pflicht zur Nachhaltigkeits-Berichterstattung für Unternehmen, die aktuell unter dem Schlagwort Entbürokratisierung in Frage gestellt wird.

Keine Verantwortung für Ernährung

Bitzer war in Hamburg in ihrer Funktion als Sprecherin des Wissenschafts-Bündnisses Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK), dem die DDG federführend angehört. Sie kritisierte, dass man im „Verantwortung für Deutschland“ betitelten Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung Verantwortung für Ernährung vergeblich suche. Bitzer riet der Politik, angesichts der präsentierten Zahlen die Prävention auch mit der Kosten-Brille zu betrachten.

„Wir fordern seit 15 Jahren vier konkrete Maßnahmen“, erinnerte Bitzer und wiederholte sie tapfer: Für die Verpflegung in Schulen und Kitas sollten die Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) bundesweit eingeführt werden, das sei bislang in den wenigsten Bundesländern umgesetzt. Auch von Hirschhausen sieht in der Gemeinschafts-Verpflegung einen guten Ansatzpunkt. Er nannte als positives Beispiel Dänemark: Hier sei pflanzenbasiertes Essen in Kitas, Schulen oder Kliniken Standard.

Süße Kindergetränke

Hier geht es zur Foodwatch-Marktstudie Kindergetränke

Eine Hersteller-Abgabe auf zuckergesüßte Getränke nach Beispiel Großbritanniens fehlte ebenfalls nicht auf der Liste der DANK-Forderungen. Dort würde mittlerweile eine Cola nur halb so viel Zucker enthalten wie in Deutschland, berichtete Bitzer. Die hierzulande von der Politik seit Jahren unterstützte freiwillige Reduktions-Strategie für Zucker und auch Salz sei „krachend gescheitert“.

Auch zum Schluss der Studien-Vorstellung glänzte von Hirschhausen mit einer plakativ-provokanten Idee. Da, um den Anteil der Landwirtschaft an den Klimaschutz-Bemühungen zu leisten, ungefähr eine Halbierung des Tierbestands nötig wäre, könnte die Welt doch zu einer ganz großen Grillparty zusammenkommen und die Hälfte der Schweine, Rinder und Hühner vertilgen – und dann auf einem gesünderen Niveau weitermachen. „Dann hätten wir sofort genug zu essen für alle!“


von Marcus Sefrin

Erschienen in: Diabetes-Anker, 2025; 73 (6) Seite 50-51

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  • cesta postete ein Update vor 1 Woche, 2 Tagen

    Hallo zusammen, ich habe eine Frage an euch. Ich habe seit 4 Jahren Typ 1 LADA und bisher nur mit Basalinsulin ausgekommen. Seit 3 Wochen muss ich nun auch zu jeder Mahlzeit Humalog spritzen. Für die Berechnung wiege ich immer alles ab. Könnt ihr eine App empfehlen, die bei der Berechnung der Kohlenhydrate unterstützt? Oder habt ihr andere Tipps wie man sich daran gewöhnt? Ich wiege bisher alles ab und kann mir gar nicht vorstellen, dass ich mir das zukünftig merken kann bzw. wie ich die Kohlenhydrate schätzen kann. Vielen lieben Dank für eure Hilfe! Liebe Grüße, Christa

    • kw antwortete vor 1 Woche

      Hallo cesta, ich habe gute Erfahrungen mit der WETID App gemacht. Hier erhältst du für fast alle Lebensmittel BE – Werte. Man kann auch das Portionsgewicht eingeben und erhält dann die entsprechenden BE’s.
      Die App mit Werbung war bisher kostenlos. App ohne Werbung und im Abo ist besser.

      LG von kw = Kurt mit Diabetes Typ 3c

    • moira antwortete vor 1 Woche

      Hallo Christa! Ich verwende die FDDB app. LG Sarah (Lada)

    • @kw: Vielen lieben Dank für den Tipp!

    • @moira: Vielen lieben Dank für den Tipp!

  • hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid

    • Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid

    • Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hallo Heike, oh da hast du aber auch viel geschafft. Ja ich habe die Kinder mit Diabetes bekommen und meine Kinder sind 26,25,23 und bald 19 🥰….und wie du hoffe bald wieder fit zu sein. Beruflich wechsle ich jetzt vom Kinderhospiz wieder in die Krippe da es dort vorausschaubarer ist als im Schichtdienst. In der Hoffnung der Diabetes lässt sich dort wieder besser einstellen. Eigentlich sollte ich auch die Ernährung wieder umstellen, das weiß ich aber es fällt mir so schwer. Wie ist das da bei dir. Was machen deine Werte ? Viele Grüße Astrid

    • @sveastine: Hallo liebe Astrid, sag mal kann es sein, daß du in den Wechseljahren bist? Ich habe meine schon hinter mir, aber das war zuckertechnisch eine der schwierigsten Zeiten, weil ständig alles durcheinander war. Damals war ich allein 2 x in der Diabetes Klinik Bad Mergentheim zum Anpassen innerhalb von 3-4 Jahren. Die Hormonwirkungen waren der Wahnsinn. Jetzt ist es wieder deutlich ruhiger. Was hast du eigentlich für eine Versorgung? Pen? Pumpe? Insulin? Sensor?
      Ich habe die Tandem tslim mit Sensor und Novorapid. Und das ist für mich der game changer gewesen. Seitdem werden die zuckertechnischen Anstrengungen auch mit guten Werten belohnt. Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hi, ja ich bin in den Wechsel Jahren schon eine ganze Weile und nehme Hormone. Das ist denke ich ist der Hauptgrund der Schwankungen, aber das geht schon seit ca 3 Jahren so, was doof ist. Ich hab das gleiche System wie du tslim und Dexcom, trotzdem schwierig.aber für Bad Mergentheim lt. Diabetologe zu gut um die Genehmigung dafür zu bekommen 🤷🏻‍♀️

    • @sveastine: Das ist ja witzig, das du dieselbe Versorgung hast. Also bist du da optimal versorgt. Jetzt verstehe ich deinen Frust. Nach den Behandlungen in Bad Mergentheim war es wenigstens eine Weile besser. Warst du schon mal in Reha wegen dem Zucker? Ist zwar nicht Bad Mergentheim, aber manche Rehakliniken machen das wohl echt gut. Du musst “nur” darauf achten, dass sie ein spezielles Angebot für Typ1er haben. Ich war 2019 in der Mediclin Klinik Stauffenberg, Durlach. Das war okay. Am wichtigsten fand ich den Austausch mit den Mitpatienten. Aber natürlich ist der Aufwand für dich bei 4 Kindern für 3 Wochen, sehr hoch. Und eine Garantie dafür das dann länger besser läuft gibt es nicht. Ich fand es aber immer wichtig, den zuckertechnischen Input und die Solidarität zu erfahren. Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Nicht Durlach, sondern Durbach.

  • Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂

    Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/

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