Goodbye Südkorea

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Community-Beitrag
Goodbye Südkorea

Von August 2021 bis September 2023 zog ich für mein Master-Studium nach Südkorea. Neben dem Lockdown, zwei Corona-Infektionen und Raketenalarmen, hat mich auch der Diabetes ordentlich auf Trapp gehalten. Trotz allem stand für mich lange fest, dass ich auch nach dem Studium noch eine Weile in Südkorea verbringen möchte.

Kurz vor meinem Abschluss im August 2023 änderte sich jedoch mein Bauchgefühl und ich entschloss mich, meine Koffer (und viele Kisten) zu packen. Sobald ich jemandem erzählte, dass ich mich für die Rückkehr nach Deutschland entschlossen habe, stieß ich immer auf dieselbe Reaktion: Verwirrung. Und die Nathalie von Anfang 2023 hätte wohl selbst nicht damit gerechnet. Jedoch beschloss ich im Juni, dass ich zurück nach Deutschland ziehen werde. Die Gründe? Da kam so einiges zusammen. Auch der Diabetes hat mich hin und wieder an meine Grenzen getrieben, und es wurde mir erneut deutlich, dass es einen großen Unterschied zwischen meinen Langzeitaufenthalten in 2016 und diesem gibt: meine chronische Erkrankung.

Kein Insulin mehr – was nun?

Im Sommer 2022 kam ich in die Situation, vor der wohl jeder Mensch mit Diabetes Angst hat: Es gab in allen umliegenden Apotheken kein Insulin mehr. Meine Ärztin war davon selbst sehr überrascht und telefonierte für mich sämtliche Apotheken im Umkreis ab. Scheinbar kam es zu einer gesetzlichen Änderung, die die Kühlkette von Medikamenten betraf. Dadurch haben einige Apotheken die Belieferung mit Insulin eingestellt.

Links: Die Zuzahlung zu Medikamenten und Zubehör ist in Korea deutlich höher als in Deutschland. Rechts: 6 Einheiten zu jeder Mahlzeit und 20 Einheiten Basalinsulin. Weit von Nathalies Tagesdosis entfernt (Anklicken für Großansicht. Fotos: Nathalie Bauer).

Also ging ich den Schritt, den ich eigentlich vermeiden wollte, und besuchte eine endokrinologische Ambulanz in einem Krankenhaus. Obwohl ich mehrfach betont hatte, dass ich mit meiner Therapie zufrieden bin, wollte mir die Ärztin sogar von meiner Insulinpumpe abraten und verschrieb mir 6 Einheiten Insulin – egal zu welcher Mahlzeit, Ausgangswert, etc. 

Sprachlos (aber nicht überrascht) verließ ich ihre Klinik dann mit drei Insulinpens, mit welchen ich meine Pumpenreservoire befüllte. Zum Glück flog ich nur wenige Wochen danach zurück nach Deutschland und konnte dort meine Vorräte aufstocken. 

Evakuierung in die Bunker!

Am 31. Mai gegen 06:40 Uhr am Morgen, klingelten alle Handys im Raum Seoul. Es ging ein sogenannter „Presidential Alert“ (der wichtigste Alarm) an alle, die sich im näheren Umkreis befanden. Laut der Nachricht wurde um 06:32 Uhr eine Raketenwarnung rausgegeben und alle sollen sich für eine Evakuierung bereit machen und sich in eine sichere Umgebung (z.B. Bunker) begeben. 

Auch wenn es von der deutschen Botschaft in Südkorea empfohlen wird, habe ich keine Notfalltasche gepackt. Wie viel Insulin muss ich einpacken? Wie lange werden wir nicht in unsere Wohnungen gehen dürfen? Leider werden diese Alarme und Warnungen nur in koreanisch verbreitet und selbst in einer Großstadt wie Seoul, wird nur sehr wenig Englisch gesprochen.

In diesem Moment war ich nicht nur mit der Situation komplett überfordert, ich hatte auch große Angst. Nur circa zehn Minuten nach der ersten Warnung, wurde dann Entwarnung gegeben. Das waren wohl die längsten zehn Minuten meines Lebens. Und obwohl es ein „Fehlalarm“ war (Nordkorea hat einen Satelliten ins All geschossen), so verfolgten mich die Sirenentöne und die Angst noch für eine längere Zeit. 

Wertschätzen, wie gut es uns wirklich geht

Bei jedem weiteren Alarm auf meinem Handy schlug mein Herz schneller. Und die Erleichterung kam erst, nachdem ich meine Übersetzer-App die Nachricht auf Englisch habe übersetzen ließ. Aber auch die sehr ähnlich klingenden Sirenen der Feuerwehautos ließen mich regelmäßig aufschrecken. Obwohl alles nur ein Fehlalarm war, ließ es mich nicht so schnell wieder los. Bis heute erinnert es mich daran, öfter wertzuschätzen, wie gut es uns in Deutschland aktuell geht. Und wie glücklich wir uns schätzen können, dass wir nicht regelmäßig von Raketenalarmen und Sirenen geweckt werden. Es gibt viel zu viele Menschen (mit Diabetes) in Krisen- und Kriegsgebieten, für die diese Sicherheit nicht selbstverständlich ist. 

Kein Abschied für immer

Neben der unsicheren politischen Lage in Südkorea und den hohen Lebenserhaltungskosten, entschied ich mich vor allem auch aufgrund der gesundheitlichen Versorgung dazu. In Südkorea gibt es aktuell beispielsweise nur Sensoren für FreeStyle Libre 1 und Dexcom G6, eine eingeschränkte Auswahl an Insulinen und die Krankenkassen bezahlen nur einen Bruchteil der Kosten. Auch die direkte ärztliche Versorgung ist, wie erwartet und selbst erfahren, nicht mit den deutschen Standards vergleichbar. 

Wie sagt man? Man soll gehen, wenn es am schönsten ist. Und daher verabschiedete ich mich wieder von Südkorea, nach spannenden zwei Jahren. Aber wie man mich kennt, ist dies bestimmt kein Abschied für immer. 🙂 

Teil der Kampagne von der Korean Society of Type 1 Diabetes (KST1D). „Typ 1er, kämpfen!“ (Foto: Nathalie Bauer)

Alle Berichte von Nathalie rund um ihren Südkorea-Aufenthalt findest Du hier.

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  • sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 5 Tagen

    hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid

    • Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid

    • mayhe antwortete vor 4 Tagen

      Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike

  • Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂

    Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/

  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

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