- Soziales und Recht
Nah dran statt weit weg: Warum wohnortnahe Versorgung für Menschen mit Diabetes entscheidend ist
3 Minuten
Gesundheit braucht Nähe. Für Millionen Menschen mit Diabetes ist der Alltag fordernd – doch oft fehlt es an erreichbarer Versorgung. Lange Wege und geschlossene Praxen gefährden die Gesundheit. Es braucht mutige politische Entscheidungen für wohnortnahe Angebote und digitale Lösungen. „Nah dran statt weit weg“ – das darf kein leeres Versprechen bleiben, fordern daher die organisierte Selbsthilfe und Patientenvertretung im Diabetes-Anker.
Diabetes gehört zu den häufigsten chronischen Erkrankungen in Deutschland – und die Zahl der Betroffenen steigt weiter. Aktuell leben offiziell rund 8,7 Millionen Menschen mit der Stoffwechselstörung. Für die Betroffenen bedeutet das einen Alltag voller Herausforderungen: Arzt-Termine, Blutzuckermessungen, Medikamente, Bewegung, Ernährung, Medizintechnik und vieles mehr. Die Erkrankung lässt sich nicht „mal eben nebenbei“ managen, sie verlangt Aufmerksamkeit, Zeit und eine regelmäßige und verlässliche Versorgung.
Versorgung muss ortsnah sein
Wir aus der organisierten Selbsthilfe wissen: Je näher die medizinische Versorgung an unserem Wohnort ist, desto besser können wir unsere Gesundheit im Blick behalten. Es macht einen Unterschied, ob wir eine Diabetespraxis, eine Fußambulanz, eine Schulungseinrichtung oder eine Apotheke schnell erreichen können oder ob dies mit langen Wegen, Wartezeiten und Hürden verbunden ist.
Wohnortnahe Angebote sparen nicht nur Zeit und Kraft, sondern erhöhen auch die Wahrscheinlichkeit, dass wir wichtige Kontroll-Termine wahrnehmen. Regelmäßige Betreuung ist entscheidend, um Folgeerkrankungen zu verhindern.
Kurze Wege sind das A und O
Besonders Menschen mit eingeschränkter Mobilität oder in ländlichen Regionen sind auf eine gute Erreichbarkeit angewiesen. Lange Fahrzeiten oder komplizierte Termin-Vergaben führen oft dazu, dass notwendige Arztbesuche ausbleiben – teils mit gravierenden gesundheitlichen Folgen. Das darf nicht sein! Versorgung muss den Menschen dienen und nicht umgekehrt.
Hausärzte sind für viele von uns zentrale Ansprechpersonen. Sie kennen uns oft seit vielen Jahren. Wir beobachten mit Sorge, dass besonders in ländlichen Regionen immer mehr Praxen schließen und keine Nachfolger gefunden werden. Das reißt Versorgungslücken, die für chronisch Kranke nur schwer zu überbrücken sind.
Wir wissen, dass die (Fach-)Arztpraxis um die Ecke für jeden nicht realistisch ist. Hier können digitale Angebote wie Video-Sprechstunden oder Telemedizin helfen. Sie ersetzen nicht den persönlichen Kontakt, aber sie ermöglichen schnelle Beratung und Betreuung.
Weitere neue Konzepte sind notwendig: mobile Praxen, das stärkere Einbinden von Diabetesberatern, aber auch eine bessere Zusammenarbeit mit den Apotheken. Letztere sind meist noch ausreichend vor Ort ansässig und niedrigschwellig erreichbar. Viele von uns haben dort erste Ansprechpersonen für Fragen zur Medikation, zum Umgang mit Messgeräten oder zu Begleit-Erscheinungen. Immer mehr Apotheken bieten zudem Dienstleistungen wie Blutzucker-Kontrollen oder Medikations-Analysen. Diese Kompetenzen sollten stärker genutzt und gestärkt werden.
Auf einen Blick: die Forderungen der Selbsthilfe
- Flächendeckende wohnortnahe Versorgungsstrukturen aufbauen und sichern Es muss sichergestellt werden, dass wohnortnahe medizinische Angebote wie Diabetespraxen, Fußambulanzen, Schulungs-Einrichtungen und beratende Apotheken überall verfügbar und erreichbar sind. Dazu braucht es gezielte Investitionen in Infrastruktur und die Förderung regionaler Gesundheitszentren.
- Mobile und digitale Versorgungsformen gezielt fördern Um Versorgungslücken zu schließen, müssen mobile Praxen, Telemedizin und digitale Betreuungskonzepte politisch unterstützt und in die Regelversorgung integriert werden.
- Apotheken und nicht ärztliche Fachkräfte systematisch einbinden Apotheken und Diabetesberater übernehmen zunehmend Aufgaben in Beratung, Prävention und Alltagsbetreuung. Diese Leistungen müssen als Bestandteil eines multiprofessionellen Versorgungsteams politisch anerkannt, vergütet und gefördert werden.
- Regionale Versorgungsnetzwerke stärken Die Politik muss den Aufbau integrierter Netzwerke auf kommunaler Ebene mit Hausärzten, Fachärzten, Apotheken, Ernährungsberatung, Pflege, Psychologie und Selbsthilfegruppen finanziell besser fördern, damit eine ganzheitliche Betreuung wohnortnah möglich ist.
- Gleichwertige Versorgung sichern Die wohnortnahe Versorgung darf kein Privileg von Städten oder einzelnen Regionen sein. Es braucht nachhaltige politische Maßnahmen, um gleichwertige Versorgungsstandards bundesweit sicherzustellen.
Netzwerke auf Augenhöhe
Menschen mit Diabetes brauchen mehr als medizinische Einzelmaßnahmen. Was uns wirklich hilft, ist ein funktionierendes Versorgungs-Netzwerk: aus Ärzten, Apotheken, Ernährungsberatung, Podologie, Pflege, Psychologie – und nicht zuletzt Selbsthilfegruppen. Der Austausch unter Betroffenen ist für viele von uns ein Anker, eine Quelle von Wissen, Mut und Motivation. Veranstaltungen vor Ort, Gesprächs-Angebote oder Schulungen helfen, unsere Erkrankung besser zu verstehen und selbstbestimmt damit umzugehen.
Vernetzte Versorgung bringt nicht nur den Betroffenen Vorteile. Sie reduziert auch Krankenhaus-Aufenthalte und entlastet das Gesundheitssystem. Prävention, Früherkennung und kontinuierliche Betreuung – all das funktioniert besser, wenn Angebote für alle Betroffenen zugänglich sind.
Mutige Gesundheitspolitik
Damit gute Versorgung nicht vom Wohnort abhängt, braucht es mutige Entscheidungen in der Gesundheitspolitik. Dazu gehören digitale Lösungen, mehr mobile Versorgungs-Angebote und gezielte Investitionen in Personal und Infrastruktur, insbesondere auch im Bereich der Apotheken, die eine tragende Rolle im Alltag chronisch kranker Menschen übernehmen können.
Fazit: „Nah dran statt weit weg“
Dieses Prinzip darf kein schöner Slogan bleiben, sondern muss die Grundlage einer zukunftsfähigen, Patienten-orientierten Gesundheitsversorgung werden. Wir als Betroffene wissen am besten, was wir brauchen: kurze Wege, barrierefreie digitale Lösungen, vertraute Ansprechpartner, ein verlässliches Netzwerk und eine Gesellschaft, die chronisch kranke Menschen nicht vernachlässigt.
gemeinsame Positionen der organisierten Selbsthilfe und Patientenvertretung im Diabetes-Anker

Erschienen in: Diabetes-Anker, 2025; 74 (10) Seite 58-59
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sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 3 Tagen, 12 Stunden
hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid
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mayhe antwortete vor 3 Tagen, 10 Stunden
Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike
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sveastine antwortete vor 2 Tagen, 16 Stunden
@mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid
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mayhe antwortete vor 2 Tagen, 11 Stunden
Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike
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stephanie-haack postete ein Update vor 4 Tagen, 9 Stunden
Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂
Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/
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lena-schmidt antwortete vor 4 Tagen, 8 Stunden
Ich bin dabei 🙂
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 2 Wochen, 5 Tagen
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 1 Woche, 6 Tagen
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
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