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Karl-Josef Laumann übt ein neues Amt aus: Er ist Patientenbeauftragter und zugleich Pflegebevollmächtigter. Wir sprachen mit ihm über seine ersten 100 Tage im Job, über Diabetes und was er mit Gemüsegärten und Volksmusik zu tun hat.
Diabetes-Journal (DJ): Was macht das neu geschaffene Amt aus – warum diese Kombination?
Karl-Josef Laumann: Die Kombination aus Patientenrechten und Pflege ist etwas Neues. Mein Job ist, dafür zu sorgen, dass diese Themen oben auf der Agenda der Gesundheits- politik stehen und dies zu einer stärkeren Betonung der Pflege in unserem Gesundheitssystem führt.
DJ: Was konnten Sie schon voranbringen?
Laumann: Es sind vor allem zwei Baustellen. Ich kümmere mich einerseits besonders um die Patientenbeteiligung, damit diese breiter aufgestellt wird. Andererseits sind wir gerade mit Hochdruck dabei, in zwei Stufen die Reform der Pflegeversicherung voranzubringen, um diese gerechter, transparenter und zukunftsfest zu machen.
DJ: Dadurch soll es ja künftig fünf Pflegegrade statt der bisherigen drei Pflegestufen geben. Was ist noch wichtig an der anstehenden Pflegereform?
Laumann: Für mich ist ganz wesentlich, dass wir den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff ohne Wenn und Aber umsetzen und die Leistungen der Pflegeversicherung verbessert werden. Gerade für Demenzerkrankte wird das ein großer Fortschritt. Für die Menschen ist wichtig, dass die Leistungen der Pflegeversicherung besser kombiniert werden können – etwa bei Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege.
Wir brauchen mehr Flexibilität. Die Personen, die die Arbeit vor Ort machen, können am besten entscheiden, wie das Geld am sinnvollsten eingesetzt werden kann.
DJ: Wie bewerten Sie die Versorgung von Diabetikern im Pflegebereich?
Laumann: Ich denke, dass der Umgang mit Diabetikern in Pflegeheimen insgesmat sehr professionell ist.
Und wie sieht er sich? Laumann: “Darüber sollen andere urteilen.” Erholung vom Politikalltag in Berlin findet er in seiner alten Heimat, im eigenen Gemüsegarten in Riesenbeck (Kreis Steinfurt). Er liest viel Fachliteratur, und wenn er Zeit und Muße hat, hört er Volksmusik.
Nähere Infos gibt es unter www.patientenbeauftragter.de
DJ: Da sind uns aber auch ganz andere Fälle bekannt …
Laumann: Meiner Meinung nach haben wir ein sehr anspruchsvolles Pflegesystem in Deutschland. Dass Pflege nicht einfach ist und es hier zu Komplikationen kommen kann wie überall, wo Menschen zusammenarbeiten, ist klar. Aber ich denke, dass die Pflege hohe ethische Ansprüche an ihre Arbeit stellt. Diabetes ist eine der großen Volkskrankheiten.
Wie in allen anderen Lebensbereichen, ist sie auch in der Pflege längst Alltag. Meiner Erfahrung nach geht das qualifizierte Pflegepersonal mit dieser Krankheit in den allermeisten Fällen sehr professionell um.
DJ: Sie sehen im Bereich Pflege und Diabetes also keinen Handlungsbedarf?
Laumann: Das würde ich so nicht sagen. Vor allem müssen wir dafür sorgen, dass über das Thema Diabetes ausreichend aufgeklärt wird. Da habe ich weniger Bedenken im Hinblick auf die stationäre Pflege. Die häusliche Versorgung macht mir da schon mehr Sorgen, wenn sich die Patienten z. B. selbst spritzen.
DJ: Ein Problem ist die Verordnung von Teststreifen. Für Typ-2-Diabetiker, die kein Insulin spritzen, werden sie nicht mehr bezahlt. Wie können Patientenvertreter im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) mehr Einfluss bekommen, um solche Entscheidungen zu verhindern?
Laumann: Ein selbstbewusstes Gesundheitssystem muss überhaupt keine Angst haben vor gut informierten Patientenvertretern. Diese müssen ernst genommen werden. Und ernst genommen wird man nur, wenn man auf gleicher Augenhöhe am Tisch sitzt. Die entscheidende Frage ist aber vor allem: Was gehört aus medizinischen Gründen zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherungen?
Hierbei darf es nicht um Machtfragen, sondern um wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse gehen. Aus gutem Grund wird der Leistungskatalog nicht vom Ministerium oder vom Bundestag festgelegt. Die betroffene Perspektive ist für alle Beteiligten im System ein Gewinn.
Nächste Seite: Das mangelnde Interesse der Politik an der Volkskrankheit Diabetes, die Möglichkeiten von Prävention sowie die Arbeit der Selbsthilfeverbände.
DJ: Warum zeigt die Politik so wenig Interesse an der Volkskrankheit Diabetes?
Laumann: Die Politik hat daran sehr wohl ein Interesse. Worüber ich vor allem nachdenke, ist: Erreichen wir mit unseren Präventionskampagnen die Bürger? Ich denke, dass uns da noch nicht genug eingefallen ist, um alle Bevölkerungsschichten so anzusprechen, dass sie uns verstehen.
DJ: Was könnte man hinsichtlich der Diabetes-Prävention konkret tun?
Laumann: Aufklärung ist hier das entscheidende Schlüsselwort. Etwa, dass es einen Zusammenhang zwischen Übergewicht, Lebensweise und Diabetes gibt. Und dass man eine ganze Menge tun kann, damit man daran nicht erkrankt. Darum haben wir im Koalitionsvertrag klar festgehalten, ein Präventiosngesetz zur Gesundheitsförderung zu verabschieden. Und: Wir wollen die strukturieren Behandlungsprogramme (DMP) für chronisch Kranke weiterentwickeln.
DJ: Prävention ist auch eines der zentralen Themen der Nationalen Diabetes-Strategie. Unterstützen Sie das Anliegen?
Laumann: Man befördert ein bestimmtes politisches Anliegen natürlich, indem man dafür sorgt, dass es zum Thema wird. Da ist unser Gesundheitssystem nicht anders als andere Politikfelder. Und da kann ich natürlich weiterhelfen.
DJ: Wie schätzen Sie die Arbeit der Selbsthilfe für Diabetiker, den DDB, ein?
Laumann: Ich habe in den wenigen Monaten, in denen ich im Amt bin, den Eindruck gewonnen, dass die Selbsthilfe der Diabetespatienten eine sehr starke Gruppe ist, die in allen Regionen des Landes vertreten ist. Die Selbsthilfe macht hier gute Arbeit.
DJ: Wo sehen Sie Versorgungsdefizite beim Diabetes und was wollen Sie dagegen tun?
Laumann: Sobald der Diabetes erkannt ist, denke ich schon, dass unsere Patienten im Großen und Ganzen gut versorgt sind. Ich sehe das Problem inbesondere in der Frage: Ist ein so großes Bewusstsein über Diabetes vorhanden, dass man die Erkrankung frühzeitig erkennt? Die Deutsche Diabetes Gesellschaft geht bekanntermaßen von einer hohen Dunkelziffer aus.
Ein weiteres Problem ist auch, dass es auf dem Land zu wenige Hausärzte gibt. Hier mache ich mir als Patientenbeauftragter zurzeit erhebliche Sorgen. Auch für Diabetiker ist der Hausarzt zumeist die erste Anlaufstelle. Fachärzte sind ja in den meisten Regionen noch gut aufgestellt.
DJ: Die Diabetologen sind jedenfalls besorgt um ihren Nachwuchs, besonders in ländlichen Gegenden …
Laumann: Es ist generell ein Problem, dass wir in einer Zeit leben, in der Ärzte lieber in Städten praktizieren als auf dem Land. Das gilt für Fach- als auch für Hausärzte. Hier haben die Kassenärztlichen Vereinigungen eine Verantwortung: Sie haben den Sicherstellungsauftrag.
DJ: Haben Sie in Ihrem näheren Umfeld mit Diabetes zu tun?
Laumann: In meiner Familie gibt es keine Diabeteserkrankung. Ich kenne aber eine Reihe von Menschen mit Diabetes und weiß, dass sie ihren Blutzucker gut einstellen müssen, damit das Ganze funktioniert. Es ist ein Riesenfortschritt, dass Patienten, die gut eingestellt sind, heute eine normale Lebenserwartung haben. Das zeigt, dass wir in der Versorgung erheblich besser geworden sind. Die Frage ist ja auch immer: Haben die Menschen einen verantwortungsbewussten Umgang mit ihrer Erkrankung?
DJ: Wie halten Sie sich selbst fit?
Laumann: Ich versuche immer, die Treppe zu nehmen oder die Wege zwischen meinem Amtssitz und dem Gesundheitsministerium zu Fuß zu gehen. Und dann habe ich noch mein großes Hobby, soweit ich noch Zeit dafür finde: die Gartenarbeit. Am liebsten kümmere ich mich um den Gemüsegarten.
DJ: Was wünschen Sie Menschen mit Diabetes?
Laumann: Dass sie eine gute Behandlung bekommen, persönlich die Krankheit annehmen können und trotzdem eine hohe Lebensqualität haben.
Das Interview führte Angela Monecke.
Kontakt:
Kirchheim-Verlag, Kaiserstra0e 41, 55116 Mainz, Tel.: (06131) 9 60 70 0,
Fax: (06131) 9 60 70 90, E-Mail: redaktion@diabetes-journal.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2014; 63 (6) Seite 56-58
5 Minuten
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