Sensible Sprache gibt Menschen mit Diabetes Zuversicht

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Sensible Sprache gibt Menschen mit Diabetes Zuversicht

Wie erfolgreich es Menschen mit Diabetes gelingt, ihre Stoffwechselstörung zu managen, ist auch davon abhängig, wie über ihre Erkrankung gesprochen wird. Darauf weisen die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG), diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe und die Online-Community #dedoc° in einem gemeinsamen Positionspapier mit dem Titel “Sprache und Diabetes – #LanguageMatters” hin.

Der Gebrauch von Sprache hat einen großen Einfluss darauf, wie Menschen mit Diabetes mit ihrer Erkrankung umgehen. Sätze wie “Ihr Stoffwechsel ist aber schlecht eingestellt!” oder auch “Wenn Sie weiterhin nichts für sich tun, drohen Ihnen Herzinfarkt, Schlaganfall, Blindheit oder eine Amputation!” können die Betroffenen ängstigen und dazu führen, dass sie sich stigmatisiert fühlen. Die Wortwahl spielt bei der Behandlung einer chronischen Erkrankung wie Diabetes eine große Rolle, betonten deshalb die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG), diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe und die Online-Community #dedoc° bei einer gemeinsamen Pressekonferenz zum Thema “Sprache und Diabetes – #LanguageMatters”.

Die Sprache hat unter anderem Auswirkungen auf die Motivation der Patienten, machte die Kinderärztin Dr. Katarina Braune, Berlin, deutlich. “Wir brauchen eine Kommunikation frei von Schuldzuweisungen und Stigmatisierung”, sagte die Medizinerin. Der Appell der Fachgesellschaften richtet sich unter anderem an Ärzte und medizinisches Fachpersonal sowie an Journalisten, die über Diabetes berichten.

Bereits bei der Diagnose würden erste Weichen für die spätere Lebensqualität im Alltag mit Diabetes gestellt, berichtete Prof. Dr. Andreas Fritsche, Vizepräsident der DDG, aus eigener Erfahrung. Es sei beispielsweise keine gute Idee, den frisch Diagnostizierten direkt mit möglichen Folgeerkrankungen zu drohen. Viel besser und letztlich auch wirksamer sei es, Hoffnung und Zuversicht zu vermitteln und die eigene Handlungsfähigkeit zu betonen. Der niedergelassene Diabetologe Dr. Jens Kröger wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass ein erfolgreiches Diabetes-Management nur gelingen kann, wenn die Patienten motiviert mitwirken. Vorwürfe und Belehrungen seien in der Regel nicht hilfreich, so der Vorstandsvorsitzende von diabetesDE. Eine sensible Sprache könne die Partizipation hingegen verbessern.

Facetten des Menschen wertschätzen

Dass sich die Therapieziele von Arzt und Patient gelegentlich unterscheiden können, sollte auch das medizinische Fachpersonal akzeptieren, machten Dr. Jens Kröger und Diplom-Psychologe Prof. Dr. Bernhard Kulzer deutlich. Der behandelnde Arzt müsse den Patienten zwar über die Folgen seiner Entscheidungen aufklären. Er könne jedoch keinen Therapieplan verordnen, an den sich der Betroffene halten muss, um nicht getadelt zu werden. “Menschen, die eine Krankheit haben, entscheiden selbst über ihr Leben – und das muss sich auch in der Sprache widerspiegeln”, so der Appell des Psychologen. “Ein Mensch hat viele Fähigkeiten, Facetten und Ressourcen und ist nicht nur auf eine Krankheit zu reduzieren.”

Besonders häufig fühlen sich Menschen mit Typ-2-Diabetes diskriminiert, haben die Experten beobachtet. Ihnen werde oftmals das Gefühl vermittelt, dass sie ihre Erkrankung selbst verschuldet haben, weil sie einfach zu viel gegessen und sich zu wenig bewegt haben, erklärte Kulzer. “Das gilt als charakterschwach, und so will man nicht wahrgenommen werden”, betonte er. Aus diesem Grund sei es auch sehr schwierig, prominente Vorbilder für Menschen mit Typ-2-Diabetes zu finden, obwohl es eigentlich zahlreiche Beispiele geben müsste.

Unterschiedliche Krankheiten, ähnliche Vorurteile

Diskriminierende Sprache im Umgang mit Menschen mit Typ-2-Diabetes halten die Autorinnen und Autoren des Positionspapiers für unangebracht und bedenklich. Zum einen sei es unzutreffend, dass die Erkrankung komplett selbstverschuldet sei, wie der Psychologe ergänzte. Bei Typ-2-Diabetes spielt immer auch die erbliche Vorbelastung eine Rolle. Zum anderen haben Schuldzuweisungen in der Medizin ohnehin nichts zu suchen, machte Fritsche deutlich. Dieser Einschätzung schloss sich auch Braune an, die selbst mit Typ-1-Diabetes lebt.

Das Positionspapier
Auf www.languagemattersdiabetes.com ist das gemeinsame Positionspapier der Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG), diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe und der Online-Community #dedoc° mit dem Titel “Sprache und Diabetes – #LanguageMatters” (direkter PDF-Download) zu finden. Es enthält Beispiele für unbewusste Stigmatisierung und für gelungene Formulierungen im Gespräch mit Menschen mit Diabetes.

Die Verbände und Selbsthilfe-Organisationen machen sich nach Angaben der Ärztin jedenfalls für Betroffene mit allen Diabetes-Typen gleichermaßen stark: “Wir halten nichts davon, darauf hinzuweisen, dass bestimmte Lifestyle-Faktoren in einer schuldbehafteten Art für Diabetes verantwortlich sind”, ergänzte sie. Im Übrigen haben auch viele Menschen mit Typ-1-Diabetes bereits ähnliche Formen der Diskriminierung erlebt, hieß es. Auch ihnen würden mitunter Fragen wie “Was hast du denn Falsches gegessen?” gestellt, obwohl beim Entstehen ihrer Autoimmun-Erkrankung falsche Ernährung und Bewegungsmangel überhaupt keine Rolle spielen, erklärte Kröger. Wenn andere Menschen ihnen mit derartiger Unkenntnis begegnen, könne das auch für sie verletzend sein, denn: “Typ-1-Diabetes und Typ-2-Diabetes sind unterschiedliche Krankheiten.”


von Redaktion Diabetes-Anker

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2023; 72 (1) Seite 10-11

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  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 3 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

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    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 4 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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