Die Flucht und das Spiel ums Leben

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Die Flucht und das Spiel ums Leben

„Entweder ich wäre auf der Flucht gestorben, oder eben durch eine Bombe in meinem eigenen Bett zu Hause.“ Diese Aussage begleitet mich seit Ende September jeden einzelnen Tag, ich stehe mit ihr auf und nutze sie, um mir bewusst zu machen, welch ein Privileg ich doch habe.

Diesen Satz sagte mir Naira auf Lesbos. Sie ist vor rund drei Jahren mit ihrem Mann und ihrem kleinen Sohn aus Afghanistan geflohen. Als Grund nennt sie die Taliban und senkt dabei ihren Blick. Sie möchte nicht weiter darauf eingehen.

Nairas Geschichte

Zunächst sind sie in die Türkei geflüchtet, um von dort aus mit einem Schlauchboot nach Lesbos zu gelangen. Sie hatten viel Glück, betont Naira immer und immer wieder. Sie begründet dies, weil sie noch leben, nicht im Gefängnis waren und noch nicht verhungert sind. Jedoch gibt es einen Aspekt, den Naira immer auslässt, vielleicht auch, weil sie nichts daran ändern kann.

Quelle: Jasmin Thiel

Naira ist Typ-1-Diabetikerin, die Diagnose, erzählt sie, hat sie als Jugendliche bekommen. Auch das war ein Grund ihrer Flucht, denn auf die medizinische Versorgung war leider kein Verlass mehr: Apotheken, Krankenhäuser und Ärzte waren regelmäßig Anschlägen oder Raubzügen ausgesetzt. Und doch war ihre Erkrankung gleichzeitig der Grund, warum Naira und ihre Familie immer wieder davon ablassen wollten zu fliehen. Es stand stets die Frage im Raum, wie Naira dies körperlich und medizinisch durchstehen solle.

Doch es gab einen Moment, erzählt Naira, da konnte es keine Zweifel mehr geben. Sie war mit ihrem Sohn auf dem, um Weg Essen für sich und ihre Familie zu besorgen, als sie plötzlich Schüsse hörte. Sie waren nah, sehr nah. Naira wird ganz still, schluckt und sagt: „Wenn man neben dir eine Mutter samt Kind erschießt, ist deine Heimat nicht mehr deine Heimat.“

Ich selbst kann kaum fassen, was sie mir da erzählt, fühle aber ihren Schmerz.

Auf der Flucht mit Diabetes

Dann wäre es sehr schnell gegangen, aber die letzten Jahre werden immer wieder von Lücken durchzogen, an manche Dinge will man sich auch einfach nicht erinnern, meint Naira.

Ihre Diabetes-Erkrankung ist natürlich präsent, aber seit drei Jahren hat Naira keinen wirklichen Überblick über ihren gesundheitlichen Status. Insulin und auch Blutzuckermessgerät mit passenden Teststreifen standen nicht immer ausreichend zur Verfügung, auch heute nicht hier auf Lesbos. Sie erklärt mir, dass sie Insulin, nur um zu überleben, injiziert hat. „Ich muss mir das Insulin seit drei Jahren genau einteilen und sehr viel schätzen, aber ich werde besser“, sie lächelt leicht. Doch die Realität ist lebensgefährlich, regelmäßig wird Naira in der Klinik von Mytilini, der Hauptstadt von Lesbos, behandelt. Wie viele Ketoazidosen sie schon hatte, kann sie nicht mehr zählen, aber sie berichtet, dass der Ablauf in der Klinik immer derselbe ist. Sie wird mit dem Rettungswagen eingeliefert, kommt an den Tropf, bis es ihr etwas besser geht, je nach diensthabendem Arzt bekommt sie Insulin und Teststreifen für ein paar Tage, Wochen oder Monate ausgehändigt.

Die ärztliche Versorgung auf Lesbos

Naira erzählt, dass die Verabschiedung, die nach spätestens zwölf Stunden stattfindet, wie ein „bis zum nächsten Mal“ ist, denn sie und das Krankenhauspersonal wissen: Man sieht sich wieder. Auch ich kann ihr mit meinem Mitbringsel nur eine begrenzte Zeit mit Kanülen, Insulin, Blutzuckertestutensilien und Traubenzucker aushelfen.

Quelle: Jasmin Thiel

Naira ist auch nicht alleine mit ihrer Situation, in Kara Tepe (Moria 2.0) befinden sich rund 12.000 Menschen (Stand: 01.10.2020), darunter, schätzt man, befinden sich rund 150 Menschen mit Diabetes Typ 1.

Vor Ort ist es unheimlich schwer, mit betroffenen Menschen zu sprechen, der Zugang zum Camp wird mir bis auf einen kleinen Ausflug, samt Polizei-Eskorte, stets untersagt. Neben Naira habe ich noch die Chance, mit freiwilligen Helfern des Ärzte-ohne-Grenzen-Teams zu sprechen, sie sind dankbar für die mitgebrachten Spenden der Community, geben aber klar zu erkennen, dass sie völlig überlastet und überfordert sind. Die Menschen vor Ort können nur oberflächlich behandelt werden, akute Sachen gingen direkt in das örtliche Krankenhaus, von einer wirklich medizinischen Versorgung kann hier nicht die Rede sein.

Es fehlt an allem – an allen Ecken, die Insel Lesbos ist mit der Situation völlig überfordert, ebenso wie Griechenland als Land.

Meine Erfahrungen vor Ort

Aus meiner Sicht gehört dieser Ort, ebenso wie die restlichen Flüchtlingscamps Europas, verboten. Die Menschen sind auf die unwürdigste Art und Weise untergebracht, abgesehen davon, dass die Zelte nicht für alle Menschen ausreichen, das ehemalige Militärgelände voll gespickt ist mit alter Munition, Minen und Sprengkörpern, sind nicht einmal sanitäre Anlagen vorhanden, keine Duschen oder Toiletten.

Es ist kaum vorstellbar und es würde kein Wort der Welt beschreiben, was dort vor sich geht. Die Diabeteserkrankung von beispielsweise Naira ist da nur noch ein Tropfen auf den heißen Stein und findet schon lange keine Priorität mehr in ihrem Leben, weil es schlichtweg nicht möglich ist.

Für mich persönlich war es eine harte Erkenntnis, dass mein Engagement, hier und vor Ort, nichts groß verändern wird. Es ist nicht sinnlos, aber nichts Weltbewegendes.

Heute, knapp drei Monate nach meinem Besuch, bin ich voll versorgt, mit Insulin, Sensoren, Essen, ja, einfach allem, was ich will. Mehr, als ich brauche. Und die Menschen auf Lesbos?!

Es hat sich nichts geändert, es sind weniger Menschen im Camp, mittlerweile noch rund 7.000, aber die Zustände sind immer noch menschenunwürdig.

Naira und ihre Familie harren weiter aus, sie warten darauf, Asyl beantragen zu können, sie würden gerne in Griechenland bleiben, dort ein Leben aufbauen, arbeiten gehen, ein Zuhause haben, denn egal wie schrecklich manche Tage im Camp sind, hier fallen keine Bomben.

Spenden für Ärzte ohne Grenzen

Wenn ihr möchtet, denkt doch einmal darüber nach, ob ihr bereit seid, für Menschen in Not, etwas zu spenden. Hier kommt ihr zum Spendenformular von Ärzte ohne Grenzen!


Über das Leben mit Typ-1-Diabetes in Krisengebieten hat auch Steffi ein Interview geführt: Das Leben mit Diabetes im krisengeschüttelten Venezuela

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  • bloodychaos postete ein Update vor 2 Tagen, 1 Stunde

    Hey, brauche Eure Hilfe. Habe den G7 genutzt. Als der über mehrere Monate (Frühjahr/Sommer 2025) massive Probleme (teils Abweichungen von 150 mg/dL, Messfaden schaute oben heraus) machte bin ich zum G6 zurückgegangen. Dessen Produktion wird nun eingestellt. Ich habe solche Panik, wieder den G7 zu nutzen. Habe absolut kein Vertrauen mehr in diesen Sensor. Aber mit meiner TSlim ist nur Dexcom kompatibel. Ich weiß nicht was ich machen soll, ich habe solche Angst.

    • Mit “meinem” Omnipod 5 wird der Dexcom G7 Ende 2026 voraussichtlich der einzige verfügbare Sensor sein.

      So richtig begeistert über die Einstellung des G6 bin ich auch nicht, auch wenn es absehbar war.
      Ich habe einfach die Hoffnung, dass die Qualitätsprobleme beim G7 bis dahin ausgestanden sind.

      Ich warte das Thema noch einige Monate ab.
      Wenn ich Ende 2026 feststelle, dass die Kombination aus meiner Pumpe und dem CGM für mich nicht funktioniert, bin mir sicher, dass meine Diabetes-Ärztin und ich eine gute Lösung für mich finden.

      Hier habe ich aufgeschnappt, dass für die t:slim wohl eine Anbindung des Libre 3 in der Mache ist:
      https://insulinclub.de/index.php?thread/36852-t-slim-mit-libre-3-wann/
      Leider steht keine überprüfbare Quelle dabei. 🤷‍♂️

      Ein weiterer mir wichtiger Gedanke:
      Angst und Panik sind in diesem Zusammenhang vermutlich keine hilfreichen Ratgeber. Hoffentlich schaffst Du es, dem Thema etwas gelassener zu begegnen.
      (Das sagt der Richtige: Ich habe in meinem letzten DiaDoc-Termin auch die Hausaufgabe bekommen, mal zu schauen, was mir gut tut.)

    • @ole-t1: Hey Ole, ganz lieben Dank für Deine Nachricht. Die Produktion des G6 endet laut einem Artikel auf dieser Seite ja zum 1. Juli 2026. Wann der Libre3 mit der TSlim kompatibel sein wird weiß man ja noch nicht. An sich gefällt mir Dexcom auch besser als Libre und die erste Zeit lief der G7 ja auch super bei mir. Ich kann mir schwer vorstellen, dass der G7 von heute auf Morgen nicht mehr bei mir funktioniert? Es gab ja auch das Gerücht das Dexcom eine zeitlang Produktionsprobleme hatte, dass wäre ja eine Erklärung, aber da geht Dexcom natürlich auch nicht mit hausieren.

    • @bloodychaos: Moin, ich benutze den G 7 seit Dezember 2022 (vorher G 6). Seit Dezember 2024 in Kombination mit der t:slim X 2 Ja, es hat immer mal wieder einen Sensor gegeben, der nicht richtig funktioniert hat . Dann wurde ein neuer gesetzt, der Vorfall an Dexcom gemeldet und es gab dann wenige Tage später einen neuen Sensor.
      Wie ole-t1 schon geschrieben hat, erst einmal die Ruhe bewahren und nicht in Panik verfallen. Alle auf dem Markt erhältlichen Sensoren haben Schwankungen in der Genauigkeit ihrer Angaben. Wichtig ist daher zu beurteilen, ob das, was der Sensor anzeigt, überhaupt sein kann.
      Zum Beispiel durch blutiges Nachmessen (dabei bitte dran denken, dass der Gewebezucker, den die Sensoren messen, rd. 20-30 Minuten hinter dem Blutzucker hinterher hinkt).

  • loredana postete ein Update vor 3 Tagen, 22 Stunden

    Die Registrierung mit dem Geburtsjahr war echt sportlich. Wollte es schon fast wieder abbrechen.

  • ambrosia postete ein Update vor 4 Tagen, 20 Stunden

    Ich wünsche allen einen schönen Mittwoch.

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