Ich, der Cyborg: Top-5-Reaktionen

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Ich, der Cyborg: Top-5-Reaktionen

Wer kennt es nicht: Man ist im Gespräch mit jemandem, den man gerade erst kennengelernt hat – sei es beruflich oder privat, und irgendwann scannt man nebenbei den CGM-Sensor, schaut auf dem Smartphone nach seinem aktuellen Glukosewert oder verabreicht sich über die Pumpe Insulin. Fragende Blicke beim Gegenüber. „Nicht wundern, ich habe Typ-1-Diabetes, trage Sensor und Insulinpumpe. Ich bin ein halber Cyborg“, so lautet dann meine proaktive Standardantwort.

Dialog
Quelle: Pixabay / geralt

Manchmal kommentiert das Gegenüber aber das Gesehene, bevor ich mich erklären kann – kombiniert mit eigenen Theorien und Erklärungsversuchen. Hier meine persönlichen Top 5 der falschen, aber oftmals kreativen Interpretationen, die mir als Reaktionen auf meine Gadgets bisher begegnet sind:

1. Nikotinpflaster

Der Klassiker: Gerade, als Glukosesensoren noch recht neu auf dem Markt und noch nicht in TV-Werbespots zu sehen waren, wurde ich häufig gefragt: „Oh, ist das da ein Nikotinpflaster an deinem Arm?“ Als Nicht-Raucherin (und Nicht-Ex-Raucherin) habe ich mal nachgesehen: Auch Nikotinpflaster werden tatsächlich unter anderem am Oberarm getragen – auch wenn sie natürlich nicht aus Plastikchips bestehen …

2. WLAN-Verstärker

Meine Lieblingsinterpretation: Ich saß vor ein paar Jahren in der Hamburger U-Bahn während des „Schlagermoves“ (für alle Nicht-Hamburger: das ist ein Festival auf St. Pauli, bei dem sich Menschen verkleiden, trinken und „lustig“ sind). Ein schon etwas angetrunkener Clown neben mir sah meinen Sensor, fixierte ihn regelrecht, dachte angestrengt nach und fragte dann: „Sag mal, ist das ein mobiler WLAN-Verstärker?!“

3. Verhütungsmittel

Im Ägyptenurlaub vor vielen Jahren sprach mich jemand neugierig am Pool an. Er deutete auf meinen Omnipod und wollte wissen, ob das eines dieser Verhütungsstäbchen sei, von denen er schon gelesen habe und die man unter der Haut trage. Äh … nein, kein Hormonimplantat. Also, manchmal weiß man wirklich nicht so genau, ob hinter solchen Fragen ehrliches Interesse oder nur ein schlechter Anmachversuch steckt …

4. Funk

Als ich noch eine Insulinpumpe mit Katheterschlauch genutzt habe, kam eines Tages eine Ärztin als neues Mitglied in meine damalige Sambaband. Erst später erzählte sie mir, dass sie anfangs eine ganze Zeit lang dachte, ich trage da einen medizinischen „Notfall-Pieper“ am Hosenbund – ein Funkgerät, mit dem Mediziner im Prä-Smartphone-Zeitalter im Notfall erreichbar waren. Nein, Mediziner-Kolleginnen waren wir nicht – dafür heute beste Freundinnen.

5. Impfung

Diese neueste Fehlinterpretation entstand im letzten Jahr ganz offensichtlich aus aktuellem Anlass. Denn im letzten Sommer fragte mich jemand mit Blick auf meinen Sensor am Oberarm, ob ich gerade eben erst meine Corona-Impfung erhalten hätte. Eigentlich hätte ich einen Scherz machen sollen: „Richtig – und ich habe die Sonderedition erhalten: Dank des Chips am Arm funktioniert die Überwachung durch Bill Gates noch besser.“ 😉

„Stimmt, aber …“

Und auch, wenn mein Gegenüber keine eigenen Interpretationen äußert, so erfolgt auf meine Äußerung „Ich bin ein Cyborg“ meist irgendeine Reaktion. Manchmal eine verhalten-vorsichtige – „Ist das gut oder schlecht?“, häufiger aber eher eine begeisterte mit überzogenen Vorstellungen – „Und diese Gadgets machen das dann alles ganz alleine? Du musst da gar nichts mehr machen?“ bis hin zu: „Toll, dass das heutzutage alles so einfach ist!“

Quelle: Pixabay / geralt

Bei diesem letzten Satz atme ich meist unhörbar tief ein und wäge ab, ob ich einfach „Ja, stimmt“ sagen soll oder in der Laune bin, dieses Urteil ein bisschen einzuordnen. Denn – so erwidere ich im zweiten Fall oft: „Keine Frage, die Technik hat sich tollerweise rasant entwickelt in den letzten Jahren. Und stimmt, die Technik entlastet enorm, bietet Einblicke in den Glukoseverlauf und eine Sicherheit, die es zur Zeit meiner Diagnose vor 20 Jahren noch nicht gab.

Aber: Bloß, weil man Pumpe und Sensor trägt, ist der Typ-1-Diabetes nicht geheilt. Man muss trotzdem Bescheid wissen, was im Körper warum passiert, muss trotzdem immer beim Blutzuckerspiegel die Balance halten, Kohlenhydrate abschätzen, Zubehör bestellen, Notfall-BE bei sich haben, Sporteinheiten je nach Blutzucker planen und so weiter.“

Ungeduld ist bei Unwissenheit gegenüber unseren Gadgets meiner Meinung nach dagegen fehl am Platz. Denn wie sollte es das Gegenüber besser wissen, wenn er oder sie bislang noch nie etwas mit Diabetes oder Blutzucker zu tun hatte, keinerlei Vorstellung von der Theorie und dem Zucker-Alltag hat?

Und auch, wenn man den Unterschied zwischen Typ 1 und 2, die möglichen Ursachen oder eben die Gadgets wie Pumpe oder Sensoren schon x-mal erklärt hat: gerne immer wieder. Und ich freue mich im Gegenzug auch immer wieder über neue Interpretationen!

Was sind eure lustigsten Erlebnisse als Cyborg? Für was haben eure Mitmenschen Insulinpumpe und Sensoren gehalten?


Nicht nur Susanne ist mit den teils witzigen Einschätzungen unserer heutigen Cyborg-Gadgets konfrontiert. Auch Katharina hat Erfahrungen im Umgang anderer Menschen mit ihrem Diabetes gemacht. Zu Katharinas Einschätzung von der Wahl der richtigen Worte geht es hier.

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  • hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid

    • Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid

    • Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike

  • Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂

    Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/

  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

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