Geschlechtersensible Behandlung des Diabetes: Frauen und Männer sind nicht gleich

Geschlechtersensible Behandlung des Diabetes: Frauen und Männer sind nicht gleich
Geschlechtersensible Behandlung des Diabetes: Frauen und Männer sind nicht gleich
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Wenn es um Typ-2-Diabetes geht, sind Frauen und Männer nicht gleich. Die Forschung zeigt, dass es deutliche Unterschiede in der Erkrankung und Behandlung der beiden Geschlechter gibt, doch leider fehlen oft detaillierte Daten für die geschlechtersensible Differenzierung. Trotzdem gibt es wichtige Erkenntnisse, die bei der Behandlung von Diabetes berücksichtigt werden sollten.

Männer bekommen häufiger in ihren Vierzigern Typ-2-Diabetes, also etwa fünf bis zehn Jahre früher als Frauen. Allerdings steigt das Risiko für Frauen nach den Wechseljahren deutlich an, berichtete Prof. Dr. Hans Hauner von der Technischen Universität München beim Symposium „Gender und Diabetes“, veranstaltet von München Klinik und dem Münchner Gesundheitsreferat. Frauen, die an der Hormonstörung polyzystischen Ovarialsyndrom (PCOS) leiden, haben bereits vor den Wechseljahren ein erhöhtes Risiko für Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, eine Tatsache, die oft unterschätzt wird.

Geschlechtersensible Behandlung des Diabetes: Männer und Frauen mit unterschiedlichen Risikofaktoren

Auch gibt es viele Frauen, die trotz eines normalen Gewichts aufgrund ihrer Fettverteilung ein hohes Herz-Kreislauf-Risiko haben. Interessant ist auch der Einfluss der Östrogene, ergänzte Prof. Dr. Robert Ritzel, München Klinik. Diese Hormone bieten Frauen bis zu den Wechseljahren einen gewissen Schutz vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Daher sei es wichtig, den Zeitpunkt der Menopause zu kennen, um gegebenenfalls vorbeugende Maßnahmen einzuleiten, sagte Prof. Ritzel.

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„Die Zeit ist reif, eine geschlechtersensible Betrachtung in die tägliche klinische Praxis zu integrieren“, so Prof. Ritzel. Die Bedeutung von geschlechterspezifischer Betrachtung werde auch beim Blick auf die Risikofaktoren klar: Bei Frauen tragen ein erhöhter Blutdruck und Diabetes mehr zum Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei als bei Männern. Umgekehrt ist Rauchen bei Männern ein stärkerer Risikofaktor. Solche Unterschiede sollten in der Behandlung unbedingt beachtet werden. Und obwohl die medikamentösen Behandlungen bei beiden Geschlechtern ähnlich zu sein scheinen, mahnt Prof. Ritzel, dass es diesbezüglich an geschlechtsspezifischen Studien mangelt – eine große Lücke in der heutigen Forschung.

Experten empfehlen Angepasste Angebote fürs Lebensstil-Management

Auch das Lebensstil-Management bei Menschen mit Typ-2-Diabetes ist unzureichend und hat sich in den letzten 20 Jahren kaum verändert, konstatierte Prof. Dr. Hauner anhand der NHANES-Studie, die verschiedene Lebensstilparameter bei 8.412 Erwachsenen (48 Prozent Frauen) in den USA erfasst hat. Danach ernähren sich Frauen etwas gesundheitsbewusster als Männer, rauchen seltener als Männer und trinken weniger Alkohol – allerdings gleichen sich die Unterschiede allmählich an, weil Frauen zunehmend mehr rauchen und Alkohol trinken. Auf der anderen Seite bewegen sich Frauen weniger, sind häufiger gestresst und leider häufiger unter Depressionen.

Wie Prof. Dr. Gertraud Stadler, Charité – Universitätsmedizin Berlin, betonte, gibt es zu wenig geschlechterangepasste Angebote zum Lebensstil-Management. Als ein Beispiel nannte sie Angebote zur Gewichtsabnahme. Diese seien häufig zu stark auf Frauen fokussiert. Hier brauche es männerfreundliche Angebote, sagte Prof. Stadler, wie das „Fußballfans im Training-Projekt“. An einem solchen Ernährungsberatungs- und Bewegungsprogramm, das bei Profi-Fußballclubs stattfindet, nehmen Männer gerne teil und die Erfolge lassen sich sehen.

Prof. Stadlers Tipps, um geschlechterspezifische Verhaltensänderungen im Lebensstil zu unterstützen:

  • Bei Frauen sollte eher die Motivation gestärkt und emotionale Unterstützung angeboten werden.
  • Bei Männern sollten diabetesbezogenes Wissen und Fähigkeiten gestärkt werden.
  • Das familiäre Umfeld bzw. die Partnerschaftssituation sollten bei der Therapieplanung berücksichtigt werden.


von Dr. rer. nat. Carola Göring und Gregor Hess

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