Schwangerschaftsdiabetes: Gehirnentwicklung der Kinder wird von Metformin beeinflusst

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Schwangerschaftsdiabetes: Gehirnentwicklung der Kinder wird von Metformin beeinflusst
Foto: New Africa – stock.adobe.com
Schwangerschaftsdiabetes: Gehirnentwicklung der Kinder wird von Metformin beeinflusst

Mit der Zunahme von Schwangerschaftsdiabetes und Stoffwechselstörungen in der Schwangerschaft wird auch häufiger Metformin verschrieben. Obwohl bekannt ist, dass das orale Antidiabetikum die Plazentaschranke überwinden kann, sind die Auswirkungen auf die Gehirnentwicklung der Kinder weitgehend unbekannt. Ein deutsches Forscherteam konnte nun im Tiermodell zeigen, dass Metformin zwar positive Folgen für die schwangeren Tiere, nicht jedoch für die Nachkommen hat.

Aktuelle Zahlen zeigen, dass weltweit etwa eine von sechs Schwangeren von einer speziellen Diabetes-Form, dem Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes) betroffen ist. In Deutschland waren 2021 laut Aussage des Robert Koch-Instituts bereits 63.000 Frauen erkrankt, Tendenz steigend. Diese Zahlen sind besorgniserregend, da zu hohe Blutzuckerspiegel während der Schwangerschaft mit negativen Folgen für Mutter und Kind einhergehen. So steigt für die betroffenen Frauen das Risiko für einen späteren Typ-2-Diabetes und ihre Kinder haben ein höheres Risiko für Stoffwechselstörungen und Übergewicht.

Langfristige Wirkung von Metformin auf die Kinder bei Schwangerschaftsdiabetes ist unklar

Seit einigen Jahren gewinnt das orale Antidiabetikum Metformin als Alternative zur Insulin-Behandlung zunehmend an Bedeutung, wenn Lebensstiländerungen bei der Behandlung des Schwangerschaftsdiabetes keinen Erfolg zeigen. Der Wirkstoff gelangt über die Plazenta auch in den Körper der Kinder. Bislang gibt es jedoch nur wenige Studien über die langfristigen Wirkungen von Metformin auf die Gesundheit der Nachkommen. Bekannt ist, dass Metformin auf den Signalweg wirkt, der während der Gehirnentwicklung die Vernetzung der Nervenzellen steuert.

Hintergrundinformationen zu Metformin
Metformin ist ein oral einzunehmendes Antidiabetikum, das den Blutzuckerspiegel senkt, indem es die Glukoseproduktion in der Leber hemmt und die Insulinsensitivität der Zellen erhöht. Es wird häufig als Erstlinientherapie für Menschen mit Typ-2-Diabetes verschrieben. Metformin wird entweder allein oder in Kombination mit anderen oralen Antidiabetika oder Insulinpräparaten eingesetzt. Die Europäische Arzneimittelkommission hat Metformin im März 2022 für die Behandlung in der Schwangerschaft zugelassen.

Ein interdisziplinäre Forscherteam des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) um Nachwuchsgruppenleiterin Dr. Rachel Lippert setzte sich daher mit zwei zentralen Fragen auseinander: Ist eine Behandlung mit Metformin nur für die Mutter oder auch für das Kind hilfreich? Und führt die Behandlung mit Metformin zu langfristigen negativen physiologischen Veränderungen bei den Nachkommen, insbesondere im Zusammenhang mit der Entwicklung der neuronalen Schaltkreise im Hypothalamus, einer kritischen Region für die Regulation des Energiehaushaltes?

Auswirkung von Metformin auf die Nachkommen: Mausmodelle sollen Licht ins Dunkel bringen

Für die Beantwortung der Leitfragen nutzten die Forschenden zwei Mausmodelle, welche die Hauptursachen für Schwangerschaftsdiabetes darstellen: starkes Übergewicht der Mutter vor der Schwangerschaft sowie eine übermäßige Gewichtszunahme während der Schwangerschaft. Diese Stoffwechselzustände wurden durch unterschiedliche Fütterungsmuster erreicht, bei denen die Mäuse eine Hochfett- bzw. eine Kontrolldiät erhielten. Die antidiabetische Behandlung der weiblichen Mäuse und deren Nachkommen erfolgte während der Stillzeit, da diese hinsichtlich der Gehirnentwicklung dem dritten Trimester der menschlichen Schwangerschaft entspricht.

Die Therapie umfasste Insulin, Metformin oder ein Placebo, wobei die Dosierung an den menschlichen Standardtherapien orientiert war. Das Forscherteam sammelte Daten zum Körpergewicht der Mäuse, analysierte verschiedene Stoffwechselparameter und Hormone, und untersuchte molekulare Signalwege im Hypothalamus.

Mütterlicher Stoffwechselstatus ist entscheidend – Prävention in den Fokus rücken

„Infolge der antidiabetischen Behandlung in der frühen postnatalen [nach der Geburt; Anm. d. Red.] Phase konnten wir Veränderungen im Gewichtszuwachs und im Hormonstatus der Nachkommen identifizieren, die entscheidend vom metabolischen Zustand der Mutter abhängig waren“, erklärt Dr. Lippert. Darüber hinaus zeigten sich geschlechtsspezifische Veränderungen in der hypothalamischen AMPK-Signalgebung als Reaktion auf die Metformin-Exposition. Zusammen mit der durch Metformin induzierten Verschiebung der untersuchten Hormonspiegel deuten die im im Fachjournal Molecular Metabolism veröffentlichten Ergebnisse darauf hin, dass vor Beginn einer Therapie des Schwangerschaftsdiabetes der mütterliche Stoffwechselstatus berücksichtigt werden muss.

Laut Dr. Lippert könne die Therapie eines Schwangerschaftsdiabetes zukünftig darin liegen, eine für alle zugängliche und nicht plazentagängige Medikation zu entwickeln. Angesichts der steigenden Zunahme der Stoffwechselstörung sei die Aufklärung über Schwangerschaftsdiabetes und präventive Maßnahmen von entscheidender Bedeutung. „Wenn wir einen Weg finden, den Lebensstil und die Ernährung proaktiver zu gestalten, können wir das Potenzial zur Behandlung von Schwangerschaftsdiabetes besser ausschöpfen“, so Dr. Lippert abschließend.



von Redaktion Diabetes-Anker

mit Materialien des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE)

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  • smc postete ein Update vor 7 Stunden, 52 Minuten

    Hallo zusammen, da ich Metformin nach vielen Jahren nicht mehr nehmen darf und Ozempic meine Bauchspeicheldrüsenwerte zu stark erhöht da, soll ich nun Forxiga bekommen. Habt ihr Erfahrung damit, besonders mit den Nebenwirkungen? Bin sehr verunsichert…

  • carogo postete ein Update vor 3 Tagen, 3 Stunden

    Hallo zusammen! Ich habe mich mit einer Freundin über die Rezepte in der Zeitschrift unterhalten und wir haben uns gefragt, was es eigentlich konkret mit den Nähwertangaben und der Unterscheidung zwischen Kohlenhydraten und anrechnungspflichtign KH auf sich hat?

    • Das wüsste ich auch gerne.

    • Liebe Carogo,
      anrechnungspflichtige KH sind Kohlenhydrate, die den Blutzuckerspiegel erhöhen. Es gibt auch KH, die nicht direkt blutzuckersteigernd wirken und damit für die Insulintherapie nicht oder nicht voll angerechnet werden müssen, wie bspw. Ballaststoffe oder KH, die nur sehr langsam den Blutzucker beeinflussen.
      VLG
      Gregor aus der Diabetes-Anker Redaktion

    • @gregor-hess: danke für die Antwort! Könntest du hierfür mal Beispiele nennen?

  • cesta postete ein Update vor 1 Woche, 6 Tagen

    Hallo zusammen, ich habe eine Frage an euch. Ich habe seit 4 Jahren Typ 1 LADA und bisher nur mit Basalinsulin ausgekommen. Seit 3 Wochen muss ich nun auch zu jeder Mahlzeit Humalog spritzen. Für die Berechnung wiege ich immer alles ab. Könnt ihr eine App empfehlen, die bei der Berechnung der Kohlenhydrate unterstützt? Oder habt ihr andere Tipps wie man sich daran gewöhnt? Ich wiege bisher alles ab und kann mir gar nicht vorstellen, dass ich mir das zukünftig merken kann bzw. wie ich die Kohlenhydrate schätzen kann. Vielen lieben Dank für eure Hilfe! Liebe Grüße, Christa

    • Hallo cesta, ich habe gute Erfahrungen mit der WETID App gemacht. Hier erhältst du für fast alle Lebensmittel BE – Werte. Man kann auch das Portionsgewicht eingeben und erhält dann die entsprechenden BE’s.
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      LG von kw = Kurt mit Diabetes Typ 3c

    • Hallo Christa! Ich verwende die FDDB app. LG Sarah (Lada)

    • @kw: Vielen lieben Dank für den Tipp!

    • @moira: Vielen lieben Dank für den Tipp!

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