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Genervt
2 Minuten
Die Einschränkungen durch die Maßnahmen gegen das Coronavirus waren bzw. sind notwendig, doch unserem Kolumnisten Dr. Hans Langer ist aufgefallen, dass dadurch viele Menschen mittlerweile auch ein recht dünnes Nervenkostüm haben. Für diese hat er aber auch einen so einfachen wie wirkungsvollen Ratschlag parat.
„Irgendwie ist aktuell jeder genervt“, sagt meine Frau Gabi, als sie abgekämpft von der Arbeit und dem Wochenend-Einkauf die Lebensmitteltüten in der Küche platziert. Obwohl bei dem Arbeitsplatz von Gabi in der Sparkasse andere Verhältnisse herrschen als in unserer Diabetes-Klinik, kann ich das nur bestätigen.
Am meisten genervt ist unser Chefarzt. Schon seit Wochen wirkt er wie ein Getriebener zwischen Personalmangel im ärztlichen und pflegerischen Bereich, gesperrten Betten aufgrund des Pflegenotstands und den Forderungen der kaufmännischen Direktorin, die Leistungszahlen im Auge zu behalten. „Auch die Arbeitsmoral liegt bei uns am Boden“, meint Gabi und hält einen langen Monolog über Kollegen, die bei jeder Überminute in Tränen ausbrechen, und Auszubildende, die man heutzutage nicht mehr mit denen vergleichen kann, als Gabi ihre Ausbildung machte.
Da frage ich mich natürlich: Woran liegt das Ganze? Sind es die nunmehr seit über zwei Jahren anhaltende Pandemie, die damit verbundenen Einschränkungen, das Fehlen des persönlichen Austauschs oder die entgangenen Urlaubsfreuden? Es gibt sicher viele Gründe und bei jedem sind es andere. „Und was kann man da tun?“, frage ich Gabi und ernte dafür nur ein Achselzucken.
Wer nur auf das Negative achtet, fühlt auch so…
Ich bin der Meinung, dass alles schlecht ist, wenn man nur auf das Schlechte schaut. Mein Rat an alle Genervten wäre daher, dass man nicht nur die dunkle Seite des Monds im Auge behält, sondern auch die helle – und jeder hat im Leben sicher Momente, in denen ihm klar wird, dass man eigentlich ein glücklicher Mensch sein könnte. Wir haben meist keinen echten Mangel, die meisten haben eine schöne Wohnung und genügend Geld, um sich Träume zu erfüllen. Auch, dass die meisten von uns gesund sind und gut daran tun, diese Gesundheit durch eine entsprechende Lebensführung zu erhalten, sind Dinge, die man nicht außen vor lassen darf.
So könnte ich noch vieles, was positiv ist, aufzählen, aber letzten Endes liegt es an jedem selbst, sich seine kleinen Glücksmomente zu schaffen und dafür zu sorgen, dass es bei allen Widrigkeiten nicht allzu viel zu beklagen gibt. Und außerdem wird auch die Pandemie irgendwann vorbei sein und das Leben wird vielleicht wieder so, wie wir es uns sehnlich wünschen. Und wie sang schon einst Udo Jürgens: „Immer, immer wieder geht die Sonne auf, denn Dunkelheit für immer gibt es nicht.“ Weil es mir gerade so in den Sinn kommt, intoniere ich dieses Lied auch aus voller Brust. Gabi lächelt nur milde und meint: „Du hast ja recht, aber singen kannst du wirklich nicht.“
von Dr. Hans Langer

Das Team für den guten Schluss: Dr. Hans Langer arbeitet als Arzt in einer Diabetesklinik, Jana Einser hat schon seit Kindertagen Typ-1-Diabetes und Alex Adabei hat viele Bekannte und Verwandte mit Typ-2-Diabetes. Sie schreiben abwechselnd für diese Kolumne.
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2022; 71 (3) Seite 82
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