Unterzuckern Sie auch so gern?

2 Minuten

© Fertnig - iStockphoto
Unterzuckern Sie auch so gern?

Angesichts der dauernden Kämpfe um die Kostenerstattung für Diabetiker-Hilfsmittel, weiß sich Dr. Katrin Kraatz manchmal nur noch mit Sarkasmus zu helfen.

Unterzuckern Sie auch so gern wie ich? Das ist immer ein super Gefühl, anzufangen zu schwitzen – nachts ist der ganze Schlafanzug klitschnass, die Bettdecke auch – und unscharf zu sehen; im Kopf werde ich leicht benebelt, und die Beine ähneln immer mehr einem Pudding – allerdings nicht stabilisiert in einer Schale, sondern ohne Umhüllung. Was kann es Schöneres geben?

Manches kann ich nur noch mit Sarkasmus sehen

Sie merken: Manches kann ich nur noch mit Sarkasmus sehen! Ginge es nach mir, sollte es nur noch Diabetestherapien geben, bei denen es überhaupt kein Risiko für Unterzuckerungen gibt. Ich weiß, dass das derzeit für Typ-1-Diabetiker ein unerfüllbarer Wunsch ist, aber sich etwas zu wünschen, ist ja nicht verboten …

Aber gerade, weil die Therapie, die Typ-1-Diabetiker ja auf jeden Fall mit Insulin durchführen müssen, zu Unterzuckerungen führen kann, müssen andere Wünsche erlaubt sein. Ich denke da zum Beispiel an die Selbstverständlichkeit, dass Krankenkassen das kontinuierliche Glukosemonitoring ohne Wenn und Aber genehmigen – zumindest den Patienten, die sich engagieren und einen Nutzen davon für sich haben. So wie ich die Lage im Moment sehe, wird aber auch das ein Wunsch bleiben.

Ständige Kämpfe um Hilfsmittel

Was macht es auch schon, wenn ein Typ-1-Diabetiker – weil er kein solches kontinuierlich messendes System trägt und deshalb die Warnung vor fallenden Zuckerwerten im Körper fehlt – bewusstlos wird und sich dadurch so schwer verletzt, dass er stirbt? Mitten aus dem Leben gerissen, obwohl er noch so viel vorhatte? Oder denken Kostenträger nicht so? Wie aber sonst soll ich mir die dauernden Kämpfe um solche Hilfsmittel erklären?

Und das ist nur ein Beispiel – wahrscheinlich gibt es viel mehr, von denen aber die Öffentlichkeit nichts mitbekommt; diese Menschen sterben still und leise. Dabei wäre es wichtig, genau von diesen Fällen zu berichten, sonst wacht die Öffentlichkeit nie auf!

Auch Typ-2-Diabetiker sind betroffen

Aber das Problem betrifft nicht nur uns Typ-1-Diabetiker. Wenn neue Medikamente für Typ-2-Diabetiker entwickelt werden, deren entscheidender Vorteil ist, dass sie keine Unterzuckerungen auslösen können, bescheinigen ihm die der Politik nahestehenden Institutionen keinen Zusatznutzen gegenüber anderen Medikamenten.

Und meinen Sie, eine Unterzuckerung sei für einen Typ-2-Diabetiker weniger gefährlich? Bestimmt nicht: Er stirbt dann, wie das auch bei Typ-1-Diabetikern geschehen kann, unter Umständen am Herztod – ausgelöst durch die Unterzuckerung.

Tehma in die Öffentlichkeit tragen!

Hier stehen wir aber aus meinem Blickwinkel vor dem nächsten Problem: Typ-2-Diabetiker, die mit Tabletten zur Diabetesbehandlung eingestellt sind, dürfen nach einem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) aus dem Jahr 2011 keine Blutzuckerteststreifen verschrieben bekommen; es sei denn, ihre Blutzuckerwerte sind instabil zum Beispiel durch eine akute Krankheit – oder sie werden neu eingestellt auf Medikamente, die Unterzuckerungen auslösen können.

Aber danach ist wieder Schluss mit den Teststreifen – denn offensichtlich meint der G-BA, dass nach einer solchen Phase kein Risiko mehr für Unterzuckerungen besteht; er sieht keinen patientenrelevanten Nutzen in der Blutzuckerselbstmessung. Aber wie schnell kann sich etwas im Leben ändern – und das Risiko ist wieder da?!

Tragen wir das potentiell tödliche Problem Unterzuckerung mehr in die Öffentlichkeit – vielleicht hilft es irgendwann!



von Dr. Katrin Kraatz

Kontakt:
Kirchheim-Verlag, Kaiserstraße 41, 55116 Mainz, Tel.: (0 61 31) 9 60 70 0,
Fax: (0 61 31) 9 60 70 90, E-Mail: redaktion@diabetes-journal.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2013; 62 (10) Seite 19

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Ähnliche Beiträge

Community-Rezept: Toskanische Ribollita von Katharina

Community-Rezept für Toskanische Ribollita von Katharina | Foto: MedTriX / Bernhard und Gabi Kölsch

3 Minuten

Community-Beitrag

Diagnose Typ-1-Diabetes: Das Leben neu sortiert

Diagnose Typ-1-Diabetes: Das Leben neu sortiert | Foto: privat

9 Minuten

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Über uns

Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.

Community-Frage

Mit wem redest du
über deinen Diabetes?

Die Antworten werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.

Werde Teil unserer Community

Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen

Community-Feed

  • hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid

    • Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid

    • Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike

  • Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂

    Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/

  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

Verbände