Neue Einteilung in Subtypen: Diabetes ist nicht gleich Diabetes

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Neue Einteilung in Subtypen: Diabetes ist nicht gleich Diabetes

Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass es mehrere Untergruppen (Subtypen) der Stoffwechselerkrankung Diabetes gibt. Je nach Subtyp haben Patienten ein unterschiedlich hohes Risiko für Folgeerkrankungen wie Fettleber und Schädigungen an den ­Augen, Nerven oder Nieren.

Diabetes ist eine Erkrankung, die sehr unterschiedlich verlaufen kann. Einige Menschen mit Diabetes haben nur wenige Beschwerden, andere bekommen zusätzlich Probleme mit Augen, Leber, Nieren oder Taubheitsgefühle in Füßen und Händen. Die herkömmliche Unterscheidung Typ-1- und Typ-2-Diabetes spiegelt die vielfältigen Auswirkungen und Ursachen eines gestörten Glukosestoffwechsels nicht angemessen wider. Studien aus Skandinavien deuten darauf hin, dass es verschiedene Diabetes-Untergruppen gibt.

Fünf Subtypen des Diabetes

Forschende des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) und der Universität Lund in Schweden haben verschiedene Gruppen identifiziert, die die Aufteilung des Diabetes in fünf Subtypen ermöglichen. Diese Subtypen unterscheiden sich deutlich in ihrem Krankheitsverlauf und den damit einhergehenden Komplikationen.

Mithilfe der in Schweden erprobten Analysemethode werteten Wissenschaftler des DZD die Daten von 1.105 Teilnehmern der Deutschen Diabetes Studie (German Diabetes Study, GDS) aus und konnten so verschiedene Subtypen des Diabetes mit unterschiedlichen Risiken für Folgeerkrankungen wie Fettleber und Schädigungen der Augen, Nerven oder Nieren identifizieren.

Die Deutsche Diabetes Studie, die in acht Studienzentren in Deutschland durchgeführt wird, begleitet Patienten mit einem neu diagnostizierten Typ-1- oder Typ-2-Diabetes, um die Entwicklung der Erkrankungen über einen langen Zeitraum verfolgen zu können.

Drei Subtypen mit hohem Komplikationsrisiko

Die Studie zeigt, dass ein Großteil der Studienteilnehmer an dem milden adipositasbedingten Diabetes (MOD, 35 Prozent) und dem milden altersbedingten Diabetes (MARD, 29 Prozent) erkrankt sind. Beide Subtypen zeichnen sich durch weniger schwere Krankheitsverläufe aus. Die anderen drei Subtypen haben ein hohes Risiko für Komplikationen. Menschen mit schwerem insulindefizienten Diabetes (SIDD, 3 Prozent) können Netzhautschäden entwickeln und leiden an einem Taubheitsgefühl an Händen und Füßen (diabetische Neuropathie).

Deutsche Diabetes Studie (GDS)

Ziel der Deutschen Diabetes Studie ist es, frühzeitig Marker für unterschiedliche Verlaufsformen des Diabetes zu identifizieren, um so neue Konzepte der Therapie und Vorsorge von Folgeerkrankungen zu entwickeln und gezielt einzusetzen. So können frühzeitig auftretende Warnzeichen für Diabeteskomplikationen entdeckt und zugelassene Therapieverfahren parallel miteinander verglichen werden.

Auch der Einfluss der Gene auf den Verlauf der Erkrankung wird untersucht. Teilnehmer der Deutschen Diabetes Studie erhalten kostenlos die Chance zur Früherkennung diabetischer Folgeerkrankungen. An der Langzeitstudie beteiligen sich acht Institute des DZD in ganz Deutschland.

Patienten mit schwerem insulinresistenten Diabetes (SIRD, 11 Prozent) haben vermutlich ein höheres Risiko für Erkrankungen der Nieren (diabetische Nephropathie) und Leber. Der dritte Subtyp mit häufigen Komplikationen ist der schwere Autoimmundiabetes (SAID, 22 Prozent). Dieser Subtyp entspricht dem klassischen Typ-1-Diabetes.

Subtypen bereits bei Diabetes-Vorstufe

Doch nicht nur bei der Diabetes-Erkrankung gibt es Subtypen. Bereits bei Menschen mit gestörtem Zuckerstoffwechsel, die ein Vorstadium des Diabetes (Prädiabetes) aufweisen, lassen sich verschiedene Untergruppen unterscheiden. Das zeigen aktuelle Studien des DZD. Nicht jeder Prädiabetiker hat das gleich hohe Risiko, später auch die Stoffwechselerkrankung zu entwickeln. Bei manchen Menschen mit einem Vorstadium von Diabetes können sich die erhöhten Zuckerwerte von allein wieder normalisieren. Andere erreichen das nur durch eine gezielte Ernährungsumstellung und mehr Bewegung.

„Wir haben aber auch eine Gruppe von Prädiabetikern identifiziert, die auf die üblicherweise empfohlene Lebensstiländerung schlechter anspricht: Betroffene dieser Hochrisikogruppe produzieren zu wenig Insulin, leiden an einer Fettleber mit Insulinresistenz und haben folglich die größte Krankheitslast sowie ein höheres Risiko für Folgeerkrankungen“, erläutert Prof. Andreas Fritsche vom DZD-Partner in Tübingen.

Aber was können diese Hochrisikopersonen tun, um sich vor dem Ausbruch von Diabetes zu schützen? Die Antwort darauf liefert die deutschlandweite Untersuchung Prädiabetes-Lebensstil-Interventions-Studie (PLIS). Daran nahmen 1 160 Personen mit Prädiabetes teil. Die Teilnehmer wurden zu Beginn aufwendig untersucht: MRT-Aufnahmen gaben Auskunft über die Menge und Zusammensetzung ihres Bauch- und Leberfetts, der Kohlenhydratstoffwechsel wurde anhand von Hormonen und Biomolekülen charakterisiert.

Intensive Lebensstilveränderung hilft

Anschließend änderten die Probanden für ein Jahr ihren Lebensstil. Sie bekamen alle die Empfehlung, fünf Prozent ihres Körpergewichts abzunehmen und mehr Vollkornprodukte sowie weniger Fett zu essen. Eine Hälfte sollte sich zudem drei Stunden pro Woche bewegen und führte acht Gespräche mit Ernährungsberatern, die zweite Hälfte machte beides doppelt so intensiv. Nach Ablauf der Studie wurden erneut die Biodaten gemessen.

Die Ergebnisse zeigen: Eine intensive Lebensstilveränderung kann helfen, den Ausbruch von Typ-2-Diabetes hinauszuzögern oder gar zu verhindern. „Erfreulicherweise greift sie auch bei Hochrisikopersonen, bei denen die mäßige Lebensstiländerung diesen Effekt nicht erreicht hat“, betont Fritsche.

Präzisere Behandlung ermöglichen

Doch wie können Menschen mit Diabetes und Prädiabetes von der Einteilung in die Subtypen künftig profitieren? „Die neuen Subtypen werden dazu beitragen, präzise Präventions- und maßgeschneiderte Behandlungsstrategien für die jeweiligen Hochrisikogruppen zu entwickeln“, betont Prof. Michael Roden, DZD-Vorstand und Leiter der Deutschen Diabetes Studie.

„Dies ist ein wichtiger Schritt in Richtung Präzisionsmedizin bei Diabetes und seinen Begleiterkrankungen. Doch so interessant und zukunftsweisend diese Einteilung in Subtypen auch ist – es bedarf noch weiterer Studien in anderen Patientengruppen und zur Beurteilung von Therapieerfolgen.“

Daran arbeitet das DZD

Derzeit werden neue Studien vorbereitet; die ersten Studien starten bereits 2021. Ziel ist es, künftig durch eine präzisere Diagnose zu erkennen, an welchem Subtyp der Untersuchte leidet, und mit der dafür zugeschnittenen Prävention bzw. Therapie Diabetes und Folgeerkrankungen zu verhindern oder zumindest zu verzögern. Sie sind interessiert, an den Studien teilzunehmen oder mehr dazu zu erfahren? Informationen sowie ein Interessentenregister finden Sie unter www.diabinfo.de.

Schwerpunkt „Neues aus der Diabetes-Forschung“


von Prof. Dr. Michael Roden und Prof. Dr. Andreas Fritsche

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2020; 69 (12) Seite 20-22

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  • tako111 postete ein Update vor 2 Tagen

    Fussschmerzen lassen leider keine Aktivitäten zu!

  • Hallo guten Abend ☺️

    Ich heiße Nina, bin 33j jung und Mama von drei zauberhaften Mädels.
    Und vor kurzem bekam ich die Diagnose Diabetes Typ 3c. Nach 5 Jahren – 11 Bauchspeicheldrüsen Entzündungen und schwangerschaftsdiabetes 2024, hat meine Drüse nun fast aufgegeben.. Ich bin irgendwie froh diese Schmerzen nicht mehr zu haben, aber merke wie schwer der Alltag wird. denn hinzukommt noch dass ich alleinerziehend bin.
    Aktuell komme ich überhaupt nicht klar mit der ganzen Situation, täglich habe ich hunderte Fragen die niemand beantworten kann. Dass ist mehr als verrückt.
    Wie habt ihr euch gefühlt in dem Moment als es diagnostiziert wurde?

    Ich freue mich sehr auf einen netten Austausch und eure Erfahrung.

    Liebe Grüße, schönen Abend
    Nina 🙂

    • Willkommen Nina, …
      da hast du ja sich schon einiges hinter Dir. Wie schaut es bei Dir mit Mutterkindkur aus, auch in hinblick einer Diabetesschulung. Hast du guten Diabetologen, Teilnahme DMP, Spritzt du selber oder Pumpe, auch hier gibt es viele Fragen. Wie sieht es mit Selbsthilfegruppen bei Euch aus. …
      Oder Forum? Gerade am Anfang, wo noch alles neu ist, – ist es schon eine tägliche Herausforderung, – da kann es hilfreich sein kleine Ziele sich zu setzen. Dabei finde ich die Aktzeptanz am wichtigsten, oder auch sich selber spritzen zu müssen, oder das Weg
      lassen bzw. bändigen des Naschen … etc. Kleine Schritte …

      Viele Fragen bekommst du auch in eine Diabetes-Schulung beantwortet,
      falls noch nicht gemacht, spreche das bei Deinem Diabetologen an!

      Über weiteren Austausch bin ich auch erfreut, schildere ruhig deine Bausstellen, … doch letztendlich sollte Dein Arzt das beurteilen.

      LG

      Wolfgang

  • swalt postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Dia-Newbies vor 3 Tagen, 7 Stunden

    Hallo zusammen. Ich möchte mich erst einmal vorstellen. Ich bin “noch” 59 Jahre, und habe wahrscheinlich seit 2019 Diabetes. Ich würde mir wünschen, endlich angekommen zu sein. Wahrscheinlich seit 2019, weil ich in einem Arztbrief an meinen damaligen Hausarzt zufällig auf den Satz: “Diabetes bereits diagnostiziert” gestoßen bin. Ich habe meinen Hausarzt dann darauf angesprochen und wurde mit “ist nicht schlimm” beschwichtigt.
    Lange Rede. Ich habe einen neuen Hausarzt und einen sehr netten Diabetologen, bei dem ich jetzt seit 4 Jahren in Behandlung bin. Ich vertrage die orale Therapie nicht und spritze ICT. Dennoch bin ich in diesem Thema immer noch absoluter Neuling. Natürlich habe ich viermal im Jahr ein Gespräch mit meinem Diabetologen. Das hilft aber im täglichen Umgang nicht wirklich. Auch die anfangs verordnete Schulung war doch sehr oberflächlich und das war es. Ich kenne nicht die Möglichkeiten, die mir zustehen. Ich habe mir alles, was ich zu wissen glaube aus Büchern angelesen. Irgendwie fühle ich mich allein gelassen, irgendwie durchgerutscht. Ich kenne niemanden in meinem Bekanntenkreis, der Diabetes hat und die nächste Selbsthilfegruppe ist über 50 km entfernt.
    Und so bin ich jetzt hier gelandet. Ich möchte wissen, wie ihr das handhabt, damit ich verstehe, was ich richtig mache und was falsch. Damit ich weiß, dass ich nicht allein damit lebe.

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