- Behandlung
Eiweiß Cathelicidin lässt hoffen
3 Minuten
Französische Forscher haben an Mäusen gezeigt, dass Typ-1-Diabetes durch die Gabe des Eiweißes Cathelicidin “geheilt” werden kann. Ob sich das Studienergebnis auch auf den Menschen übertragen lässt, muss noch erforscht werden.
Unser Körper hat zehnmal mehr Bakterien als Zellen. Besonders im Darm tummeln sich hunderte Bakteriensorten, man geht von mindestens 1 400 verschiedenen Arten aus. Die Gesamtheit der Darmbakterien wird oft als Mikrobiom oder Darmmikrobiom bezeichnet.
Seit einiger Zeit weiß man, dass die Zusammensetzung dieser Bakterienstämme im Darm eine Rolle in der Regulation unseres Immunsystems spielt. Die Darmbakterien sind also nicht nur bei der Verdauung von Bedeutung, sondern regulieren auch die körpereigene Produktion von antimikrobiellen Substanzen, die in der Lage sind, z. B. die Zellwand von Erregern zu zerstören, um den Körper vor schädlichen Eindringlingen zu schützen. Eine dieser Substanzen ist das Eiweiß Cathelicidin. Es wird unter dem Einfluss von Darmbakterien in den Alpha- und Betazellen der Bauchspeicheldrüse hergestellt.
Zerstörung der Inselzellen durch körpereigene Abwehr
Schon seit einiger Zeit mehren sich die Hinweise für eine Rolle des Mikrobioms in der Entstehung des Typ-1-Diabetes. Es ist bekannt, dass die Zerstörung der insulinproduzierenden Betazellen bei Typ-1-Diabetes dadurch erfolgt, dass Immunzellen (T-Zellen), die eigentlich dem Abwehrsystem unseres Körpers dienen, in die Langerhansschen Inselzellen der Bauspeicheldrüse einwandern.
Dieses Einwandern in das Inselgewebe wird möglich durch Kontakt mit einem immer noch unbekannten Diabetesauslöser (Trigger). Durch wiederholten Kontakt mit dem Trigger werden die T-Zellen im Gewebe festgehalten und lösen eine Inselzellentzündung (Insulitis) aus. Bislang haben die Forscher noch keine erfolgreiche Behandlung in dieser Phase des Prädiabetes gefunden, so dass im darauf folgenden manifesten Diabetes der überwiegende Teil der Betazellen zerstört ist. Es kann nicht mehr genügend Insulin produziert werden, um die Blutglukosekonzentration zu regulieren. Eine Hyperglykämie (Überzuckerung) ist die Folge.
Cathelicidin “heilt” bei Mäusen Diabetes
Vor kurzem erschien nun eine aufsehenerregende Forschungsarbeit, die die Rolle der Cathelicidine bei der Enstehung des Dia-betes bei Mäusen untersuchte. Cathelicidine sind antimikrobielle Eiweiße, die unter der Regulation des Darmmikrobioms gebildeten werden.
Zunächst fanden die Forscher, dass die betroffenen Mäuse im Gegensatz zu gesunden deutlich weniger Cathelicidin-assoziiertes antimicrobielles Peptid (CRAMP) bildeten. Daraus leiteten sie die Hypothese ab, dass man durch Injektion von Cathelicidin eine “Heilung” der Mäuse im Prädiabetes-Stadium erreichen könnte. Tatsächlich wurde damit der Autoimmunprozess unterdrückt und eine Inselzellentzündung verhindert.
Darmbakterien als Immunregulator
Denn man weiß, dass im Körper die Produktion dieser Cathelicidine durch im Mikrobiom produzierte kurzkettige Fettsäuren reguliert wird. Dementsprechend fanden sich niedrigere Spiegel dieser Fettsäuren bei den Diabetes-Mäusen. Übertrug man nun das Darmmikrobiom der gesunden Mäuse auf die kranken Mäuse, konnte dadurch ein normaler Cathelicidin-Spiegel erreicht werden. Gleichzeitig führte der Transfer des Darmmikrobioms dazu, dass weniger häufig ein Diabetes auftrat.
Regelmäßige Leser des Diabetes-Eltern-Journals wissen, dass schon viele erfolgversprechende “Diabetes-Heilungen” im Mausmodell beschrieben worden sind, ohne dass sich dies beim Menschen reproduzieren ließ. Aber fraglos machen diese Beobachtungen Hoffnung.
Mikrobiom und Autoimmunkrankheiten
Typ-1-Diabetes ist nicht die einzige Autoimmunkrankheit, bei der man eine Rolle des Mikrobioms annimmt. Auch für Multiple Sklerose, chronisch entzündliche Darmkrankheiten oder Rheuma wurden Verbindungen mit der Zusammensetzung der Darmbakterien diskutiert. Unklar bleibt aber, inwieweit die “krankmachende” Zusammensetzung der Darmbakterien wirklich Ursache oder auch nur Folge einer Erkrankung ist. Auch sind die genauen Zusammenhänge noch ungeklärt. So produziert das Mikrobiom eine Vielzahl von Botenstoffen, die nicht zuletzt über das ausgeprägte Nervengeflecht des Darms vielfältig in unser Leben eingreifen können.
Kontrovers beurteilt wird die Rolle der Ernährung. Ob und wieweit bestimmte Nahrungsmittel die Zusammensetzung des Mikrobioms beeinflussen können, ist eine Fragestellung, an der auch die Nahrungsmittelindustrie großes Interesse hat. Gerade, was die Umstellung der Ernährung zur Änderung des Mikrobioms betrifft, sollte man bereits heute vor wissenschaftlich nicht fundierten Strategien warnen.
Kann man die gesunde Darmflora übertragen?
Tatsächlich wurde bereits in den 1950er Jahren erstmals experimentell eine Stuhltransplantation (Übertragung der Darmflora) aus therapeutischen Gründen von einer Person auf eine andere angewandt. Als wissenschaftlich anerkannte Methode wird sie zur Behandlung der Antibiotika-assoziierten Darmentzündung (Kolitis) angewendet. Aufmerksamkeit erregt diese Behandlungsform seit 2013, als in der renommierten Fachzeitschrift The New England Journal of Medicine ein Artikel zur Behandlung einer Infektion mit dem Erreger Clostridium difficile erschien.
Der wissenschaftliche Hintergrund dabei ist, dass eine geschädigte Darmflora Rückfälle stark begünstigt, da sich Clostridium-difficile-Keime dank fehlender Konkurrenz “normaler” Darmkeime ungehindert vermehren können. Die Biodiversität des Stuhls ist bei einer Antibiotika-assoziierten Kolitis im Vergleich zu normalem Stuhl deutlich reduziert. Durch die Übertragung der Darmflora wird die gesunde Mischung wiederhergestellt.
Da es sich um eine nebenwirkungsarme Behandlung handelt, ist der Ansatz natürlich auch für andere Erkrankungen interessant, wo ein möglicherweise “schädliches” Mikrobiom eine Rolle spielt. Die Ergebnisse der französischen Forscher zur Rolle des von der Darmflora regulierten Cathelicidins bei der Diabetesentstehung geben diesen Überlegungen nun auch zur experimentellen Behandlung von Menschen mit hohem Diabetesrisiko, z. B. Kindern mit Diabetes-Hochrisikogenen oder nachweisbaren diabetesassoziierten Antikörpern ohne manifesten Diabetes, eine neue Grundlage.
von Prof. Dr. Thomas Danne
Kinderdiabetologe, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin „Auf der Bult“, Hannover, Vorstandsvorsitzender diabetesDE
Kontakt:
Kirchheim-Verlag, Kaiserstraße 41, 55116 Mainz, Tel.: (06131) 9 60 70 0,
Fax: (06131) 9 60 70 90, E-Mail: redaktion@diabetes-journal.de
Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2015; 8 (3) Seite 6-7
Diabetes-Anker-Newsletter
Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.
Ähnliche Beiträge
- Ernährung
Nachgefragt Recht | Nur in besonderen Situationen: Mehrkosten für Ernährung geltend machen
3 Minuten
- Leben mit Diabetes
Entwickler der WETID-App im Porträt: Hilfe für den Alltag mit Diabetes
8 Minuten
Diabetes-Anker-Newsletter
Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.
Über uns
Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.
Community-Frage
Mit wem redest du
über deinen Diabetes?
Die Antworten werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.
Werde Teil unserer Community
Community-Feed
-
stephanie-haack postete ein Update vor 23 Stunden
Wir freuen uns auf das letzte virtuelle Community-MeetUp des Jahres! 🎄Morgen, Donnerstag, um 18 Uhr. Alle Infos findet ihr hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-dezember-2/
-
bloodychaos postete ein Update vor 5 Tagen, 5 Stunden
Hey, brauche Eure Hilfe. Habe den G7 genutzt. Als der über mehrere Monate (Frühjahr/Sommer 2025) massive Probleme (teils Abweichungen von 150 mg/dL, Messfaden schaute oben heraus) machte bin ich zum G6 zurückgegangen. Dessen Produktion wird nun eingestellt. Ich habe solche Panik, wieder den G7 zu nutzen. Habe absolut kein Vertrauen mehr in diesen Sensor. Aber mit meiner TSlim ist nur Dexcom kompatibel. Ich weiß nicht was ich machen soll, ich habe solche Angst.
-
ole-t1 antwortete vor 5 Tagen, 1 Stunde
Mit “meinem” Omnipod 5 wird der Dexcom G7 Ende 2026 voraussichtlich der einzige verfügbare Sensor sein.
So richtig begeistert über die Einstellung des G6 bin ich auch nicht, auch wenn es absehbar war.
Ich habe einfach die Hoffnung, dass die Qualitätsprobleme beim G7 bis dahin ausgestanden sind.Ich warte das Thema noch einige Monate ab.
Wenn ich Ende 2026 feststelle, dass die Kombination aus meiner Pumpe und dem CGM für mich nicht funktioniert, bin mir sicher, dass meine Diabetes-Ärztin und ich eine gute Lösung für mich finden.Hier habe ich aufgeschnappt, dass für die t:slim wohl eine Anbindung des Libre 3 in der Mache ist:
https://insulinclub.de/index.php?thread/36852-t-slim-mit-libre-3-wann/
Leider steht keine überprüfbare Quelle dabei. 🤷♂️Ein weiterer mir wichtiger Gedanke:
Angst und Panik sind in diesem Zusammenhang vermutlich keine hilfreichen Ratgeber. Hoffentlich schaffst Du es, dem Thema etwas gelassener zu begegnen.
(Das sagt der Richtige: Ich habe in meinem letzten DiaDoc-Termin auch die Hausaufgabe bekommen, mal zu schauen, was mir gut tut.) -
bloodychaos antwortete vor 4 Tagen, 19 Stunden
@ole-t1: Hey Ole, ganz lieben Dank für Deine Nachricht. Die Produktion des G6 endet laut einem Artikel auf dieser Seite ja zum 1. Juli 2026. Wann der Libre3 mit der TSlim kompatibel sein wird weiß man ja noch nicht. An sich gefällt mir Dexcom auch besser als Libre und die erste Zeit lief der G7 ja auch super bei mir. Ich kann mir schwer vorstellen, dass der G7 von heute auf Morgen nicht mehr bei mir funktioniert? Es gab ja auch das Gerücht das Dexcom eine zeitlang Produktionsprobleme hatte, dass wäre ja eine Erklärung, aber da geht Dexcom natürlich auch nicht mit hausieren.
-
rolli-xx antwortete vor 3 Tagen, 5 Stunden
@bloodychaos: Moin, ich benutze den G 7 seit Dezember 2022 (vorher G 6). Seit Dezember 2024 in Kombination mit der t:slim X 2 Ja, es hat immer mal wieder einen Sensor gegeben, der nicht richtig funktioniert hat . Dann wurde ein neuer gesetzt, der Vorfall an Dexcom gemeldet und es gab dann wenige Tage später einen neuen Sensor.
Wie ole-t1 schon geschrieben hat, erst einmal die Ruhe bewahren und nicht in Panik verfallen. Alle auf dem Markt erhältlichen Sensoren haben Schwankungen in der Genauigkeit ihrer Angaben. Wichtig ist daher zu beurteilen, ob das, was der Sensor anzeigt, überhaupt sein kann.
Zum Beispiel durch blutiges Nachmessen (dabei bitte dran denken, dass der Gewebezucker, den die Sensoren messen, rd. 20-30 Minuten hinter dem Blutzucker hinterher hinkt).
-
-
loredana postete ein Update vor 1 Woche
Die Registrierung mit dem Geburtsjahr war echt sportlich. Wollte es schon fast wieder abbrechen.
