Frau – Mann? Unterschiede auch bei Diabetes

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Frau – Mann? Unterschiede auch bei Diabetes

Lange spielten die Unterschiede zwischen Männern und Frauen in der Medizin keine große Rolle. Doch Krankheiten können bei Frauen anders verlaufen als bei Männern. In den vergangenen Jahren hat die Forschung etliche Geschlechts-spezifische Besonderheiten bei Menschen mit Diabetes entdeckt. Zum Beispiel reagiert das Gehirn von Männern und Frauen unterschiedlich auf Insulin. Und bei Frauen verändert sich die Wirksamkeit des Hormons Insulin während des Zyklus.

Wenn Männer und Frauen die gleichen Medikamente einnehmen, kann das gut funktionieren. Es kann aber auch sein, dass eins der Geschlechter nicht optimal behandelt wird. Denn das Geschlecht spielt bei verschiedensten Krankheiten eine Rolle – so auch bei Diabetes und anderen Erkrankungen des Stoffwechsels. “Die Körper von Männern und Frauen funktionieren auf unterschiedliche Weise und sie erkranken auch unterschiedlich an Stoffwechsel-Erkrankungen”, sagt Prof. Dr. Susanna Hofmann. Die Expertin für Geschlechts-spezifische Unterschiede im Stoffwechsel und Immunsystem arbeitet bei Helmholtz Munich, einem Partner des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD).

Der weibliche Körper speichert Energie eher als Fett unter der Haut von Bauch, Hüften und Oberschenkeln. Dadurch bekommen Frauen ihre typische Figur. Männer lagern überschüssige Energie als Fett im Bauchraum an. Diese Reserven können leichter als bei Frauen wieder in Energie umgesetzt werden. Das kann sich auch auf die Behandlung von Diabetes auswirken. “Es ist von entscheidender Bedeutung, die Gründe für diese Unterschiede auf molekularer Ebene besser zu verstehen. Nur so können wir unser Wissen nutzen, um moderne und individuelle Medizin zu entwickeln”, betont Susanna Hofmann. Diese Einsicht setzt sich in der Wissenschaft mehr und mehr durch.

Frauen und Männer reagieren unterschiedlich auf Insulin

Wie relevant der Blick auf Unterschiede der Geschlechter ist, zeigen Untersuchungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Instituts für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen (IDM), ein Partner des DZD in Tübingen. Die Untersuchungen deuten darauf hin, dass Frauen anders auf Insulin im Gehirn reagieren als Männer.

Die Wirkung des Hormons Insulin im Gehirn spielt eine wichtige Rolle im menschlichen Körper. Sie beeinflusst unter anderem den Stoffwechsel im Körper, die Fettverteilung und das Essverhalten. Studien mit Männern haben gezeigt, dass Personen, deren Gehirn wenig oder gar nicht auf Insulin reagiert, eher an Gewicht zunehmen und mehr Bauchfett bekommen.

Bei Frauen beeinflussen Zyklus und Alter die Insulin-Wirkung

Bei Frauen beeinflusst der Menstruationszyklus die Reaktion des Gehirns auf das Hormon Insulin stark. Das zeigte eine aktuelle Untersuchung. In der Studie bekamen 11 Frauen vor und nach dem Eisprung ein Nasenspray mit Insulin oder mit einem Placebo verabreicht. Was die Forschenden interessierte: Wie empfindlich reagieren die Gehirne dieser Frauen auf Insulin im Verlauf ihres Zyklus? Tatsächlich waren zwischen den Zyklus-Phasen große Unterschiede in der Insulin-Empfindlichkeit zu sehen: Vor dem Eisprung war die Wirkung des Insulins deutlich stärker (hohe Empfindlichkeit) als nach dem Eisprung.

Ähnliche Ergebnisse zeigten sich bei 15 weiteren Frauen, die mit Magnetresonanztomographie (MRT) untersucht wurden. Die Gehirn-Scans zeigten eine höhere Empfindlichkeit auf Insulin im Hypothalamus, einer bestimmten Region des Gehirns, während der ersten Hälfte des Menstruationszyklus im Vergleich zur zweiten Hälfte.

Viele Frauen mit Typ-1-Diabetes passen ihre Insulindosis an den Zyklus an, da ihre Blutzuckerwerte in dieser Zeit stark schwanken. Diese Studie zeigt nun erstmalig eine mögliche Ursache hierfür: die unterschiedliche Insulin-Empfindlichkeit im Gehirn.

Bei Frauen wirkt sich auch das Alter darauf aus, wie das Gehirn auf Insulin reagiert. “Mit zunehmendem Alter lässt die Wirkung von Insulin bei Frauen im Gehirn nach”, berichtet Prof. Dr. Stephanie Kullmann vom IDM von weiteren Studien-Ergebnissen. Das betrifft vor allem die Regionen, die wichtig für das Gedächtnis sind. Diese Regionen sind häufig auch bei der Alzheimer-Erkrankung betroffen.

Sexualhormone beeinflussen den Stoffwechsel

Doch nicht nur Insulin spielt für das Entstehen von Stoffwechselkrankheiten eine zentrale Rolle. Auch Geschlechts-spezifische Hormone beeinflussen den Stoffwechsel. So erkranken Frauen bis zu den Wechseljahren seltener als Männer an Stoffwechselkrankheiten. Das könnte auf eine schützende Rolle der Östrogene, also der Sexualhormone der Frauen, hindeuten. Diese Hormone sind wichtig für die Fortpflanzung und die Entwicklung von weiblichen Körper-Merkmalen.

Östrogene scheinen aber auch zu helfen, Übergewicht zu verhindern. Es gibt Hinweise darauf, dass Frauen nach den Wechseljahren – wenn auch weniger Sexualhormone gebildet werden –, eher zu starkem Übergewicht (Adipositas) neigen als jüngere Frauen. Doch wie genau Geschlechts-spezifische Hormone den Stoffwechsel beeinflussen, ist noch nicht vollständig erforscht.

Im Tiermodell konnten DZD-Forscherinnen und -Forscher zeigen, dass Östrogene den Energie-Haushalt regulieren, indem sie beispielsweise Sättigungs-Signale senden. Zudem haben sie ein Eiweiß entdeckt, das besonders in den Nervenzellen vorkommt, die Signale der weiblichen Sexualhormone verarbeiten.

“Forschungs-Ergebnisse wie diese helfen uns, Geschlechts-spezifische Unterschiede bei Adipositas besser zu verstehen. Damit legen wir einen Grundstein für neue Medikamente, mit denen wir starkes Übergewicht individueller und mit weniger Nebenwirkungen behandeln können”, sagt die Forscherin Cristina García-Cáceres.

Auf dem Weg zur spezifischen Medizin

Bei vielen Krankheiten, auch bei Typ-1- und Typ-2-Diabetes, gibt es Geschlechts-spezifische Unterschiede, die mehr und mehr in den Fokus der Wissenschaft rücken. Forschende am DZD untersuchen molekulare Mechanismen solcher Geschlechts-Effekte, um Diabetes künftig präziser behandeln zu können. Es gibt aber noch viel zu tun.

Schwerpunkt „Forschung für präzisere Behandlung“


von Birgit Niesing

Avatar von birgit-niesing

Erschienen in: Diabetes-Anker, 2024; 73 (8) Seite 20-21

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  • cesta postete ein Update vor 1 Woche, 1 Tag

    Hallo zusammen, ich habe eine Frage an euch. Ich habe seit 4 Jahren Typ 1 LADA und bisher nur mit Basalinsulin ausgekommen. Seit 3 Wochen muss ich nun auch zu jeder Mahlzeit Humalog spritzen. Für die Berechnung wiege ich immer alles ab. Könnt ihr eine App empfehlen, die bei der Berechnung der Kohlenhydrate unterstützt? Oder habt ihr andere Tipps wie man sich daran gewöhnt? Ich wiege bisher alles ab und kann mir gar nicht vorstellen, dass ich mir das zukünftig merken kann bzw. wie ich die Kohlenhydrate schätzen kann. Vielen lieben Dank für eure Hilfe! Liebe Grüße, Christa

    • Hallo cesta, ich habe gute Erfahrungen mit der WETID App gemacht. Hier erhältst du für fast alle Lebensmittel BE – Werte. Man kann auch das Portionsgewicht eingeben und erhält dann die entsprechenden BE’s.
      Die App mit Werbung war bisher kostenlos. App ohne Werbung und im Abo ist besser.

      LG von kw = Kurt mit Diabetes Typ 3c

    • Hallo Christa! Ich verwende die FDDB app. LG Sarah (Lada)

    • @kw: Vielen lieben Dank für den Tipp!

    • @moira: Vielen lieben Dank für den Tipp!

  • hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid

    • Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid

    • Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hallo Heike, oh da hast du aber auch viel geschafft. Ja ich habe die Kinder mit Diabetes bekommen und meine Kinder sind 26,25,23 und bald 19 🥰….und wie du hoffe bald wieder fit zu sein. Beruflich wechsle ich jetzt vom Kinderhospiz wieder in die Krippe da es dort vorausschaubarer ist als im Schichtdienst. In der Hoffnung der Diabetes lässt sich dort wieder besser einstellen. Eigentlich sollte ich auch die Ernährung wieder umstellen, das weiß ich aber es fällt mir so schwer. Wie ist das da bei dir. Was machen deine Werte ? Viele Grüße Astrid

    • @sveastine: Hallo liebe Astrid, sag mal kann es sein, daß du in den Wechseljahren bist? Ich habe meine schon hinter mir, aber das war zuckertechnisch eine der schwierigsten Zeiten, weil ständig alles durcheinander war. Damals war ich allein 2 x in der Diabetes Klinik Bad Mergentheim zum Anpassen innerhalb von 3-4 Jahren. Die Hormonwirkungen waren der Wahnsinn. Jetzt ist es wieder deutlich ruhiger. Was hast du eigentlich für eine Versorgung? Pen? Pumpe? Insulin? Sensor?
      Ich habe die Tandem tslim mit Sensor und Novorapid. Und das ist für mich der game changer gewesen. Seitdem werden die zuckertechnischen Anstrengungen auch mit guten Werten belohnt. Liebe Grüße Heike

    • sveastine antwortete vor 1 Woche

      @mayhe: Hi, ja ich bin in den Wechsel Jahren schon eine ganze Weile und nehme Hormone. Das ist denke ich ist der Hauptgrund der Schwankungen, aber das geht schon seit ca 3 Jahren so, was doof ist. Ich hab das gleiche System wie du tslim und Dexcom, trotzdem schwierig.aber für Bad Mergentheim lt. Diabetologe zu gut um die Genehmigung dafür zu bekommen 🤷🏻‍♀️

    • mayhe antwortete vor 1 Woche

      @sveastine: Das ist ja witzig, das du dieselbe Versorgung hast. Also bist du da optimal versorgt. Jetzt verstehe ich deinen Frust. Nach den Behandlungen in Bad Mergentheim war es wenigstens eine Weile besser. Warst du schon mal in Reha wegen dem Zucker? Ist zwar nicht Bad Mergentheim, aber manche Rehakliniken machen das wohl echt gut. Du musst “nur” darauf achten, dass sie ein spezielles Angebot für Typ1er haben. Ich war 2019 in der Mediclin Klinik Stauffenberg, Durlach. Das war okay. Am wichtigsten fand ich den Austausch mit den Mitpatienten. Aber natürlich ist der Aufwand für dich bei 4 Kindern für 3 Wochen, sehr hoch. Und eine Garantie dafür das dann länger besser läuft gibt es nicht. Ich fand es aber immer wichtig, den zuckertechnischen Input und die Solidarität zu erfahren. Liebe Grüße Heike

    • mayhe antwortete vor 1 Woche

      @mayhe: Nicht Durlach, sondern Durbach.

  • Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂

    Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/

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