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Als ich diese Reise angetreten habe, dachte ich, ich werde hier ganz viel zu berichten haben und hatte schon 100 Ideen im Kopf. Wie es so oft im Leben ist, hat dann leider vorne und hinten die Zeit gefehlt.
Zu erzählen habe ich trotzdem noch viel, denn ich habe viel gelernt in den USA. Über mich, über meinen Diabetes, über meine Denkweise.
Jeder, der mich und mein Diabetesmanagement kannte, hat immer gesagt, ich sei sehr streng mit mir selbst. Stets habe ich perfekte Dexcom-Kurven erstrebt und genau darauf geachtet, dass meine Werte nicht nach oben durch die Decke gehen. Ich habe mir immer viel Zeit genommen, meine Werte und Vorgaben zu optimieren. Einmal alle 3 Monate habe ich strikt meinen Basalratentest durchgezogen, auch wenn ich vom „Zwangsfasten“ genervt war.
Die ersten Wochen in den USA war ich weiterhin sehr dahinter, alles gut optimiert zu halten. Langsam, aber sicher hatten sich dann aber die Faulheit und der „Zeitmangel“ eingeschlichen.
Meine größte Sorge vor meinem Abflug war, dass ich meinen Arbeitskollegen bei Disney mit meinem Diabetes auf die Nerven gehen würde und zu viel verlange, wenn ich regelmäßig meine Arbeit unterbrechen müsste. Auch wenn bei Disney jeder sehr verständnisvoll war, hatte ich immer im Hinterkopf: „Sei nicht zu aufdringlich und fordernd.“ Also war ich das auch nicht!
Während ich in Deutschland bei einem Wert über 200 mg/dl (11,1 mmol/l) sofort zu meiner Pumpe gesprintet wäre und alles stehen und liegen gelassen hätte, habe ich mir in den USA einfach gedacht: „Von der halben Stunde mit dem Wert stirbst du jetzt nicht.“
Natürlich lief nicht immer alles glatt. Natürlich hatte ich während der Arbeitszeit auch mal einen Unterzucker. In diesem Fall bin ich dann fix zur nächsten Sodamaschine, habe mir eine Cola rausgelassen und 2 Minuten später ging es weiter.
Natürlich hat mich niemand dazu gezwungen, aber ich wollte mir selbst etwas beweisen. Der Job bei Disney war in den ersten Wochen körperlich sehr fordernd und ich bin auch das ein oder andere Mal an meine physischen und psychischen Grenzen gekommen, dazu aber ein anderes Mal mehr.
Ich wollte mir selbst etwas beweisen. Ich hatte mir selbst in den Kopf gesetzt, dass mich diese Krankheit nicht aufhalten würde, und ich wollte genauso gefordert werden wie jeder andere meiner Kollegen.
Mal abgesehen von der neuen Arbeitssituation habe ich in den USA auch ein komplett anderes Leben geführt. Wir waren oft essen oder haben uns einen schnellen Imbiss im Park geholt an unseren freien Tagen. In einem Land, in dem ein „Snack“ mal eben locker 10KE hat, ist das natürlich eine Herausforderung. Und auf meinen morgendlichen Ice-Coffee mit french Vanilla und extra Creamer und stolzen 37g Kohlenhydraten WOLLTE ich einfach nicht verzichten.
Nach ein paar Wochen ist mir aufgefallen, dass auch noch alles gut läuft, wenn meine Werte nicht dauerhaft über 90% im Zielbereich sind. Und mit dieser Strategie bin ich die letzten Monate recht gut gefahren.
Mein HbA1c liegt trotzdem mit 6,1% im absolut grünen Bereich. Darauf bin ich sehr stolz. Auf der anderen Seite hat mich diese Erfahrung sehr viel gelehrt! Man wird nicht immer die Zügel in der Hand haben können und alle 5 Minuten auf den Dexcom zu schauen und sich Gedanken über seine Werte zu machen ist auch nicht erstrebenswert. Natürlich sollte man sobald wie möglich reagieren, wenn der Blutzucker nach oben oder nach unten ausbricht. Aber auch mal ein hoher Wert ist menschlich und bringt einen nicht sofort um.
Wie geht es nun weiter, da ich wieder in Deutschland bin? Ich hoffe einfach, ich kann meine entspannte Denkweise beibehalten, ohne ins Negative abzudriften. In den letzten 5 Jahren habe ich mich von einer sehr nachlässigen zu einer überstrikten Diabetikerin entwickelt. Ich hoffe einfach, dass ich jetzt auf dem Weg zum gesunden Mittelweg bin.
Mehr über Nadjas USA-Aufenthalt erfahrt ihr hier:
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