- Behandlung
Neuer Wirkstoff lindert neuropathischen Schmerz
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Bei Menschen, die an Nervenverletzungen oder Erkrankungen wie der diabetischen Neuropathie leiden, kann die leichteste Berührung heftigen Schmerz auslösen. Ein Forschungsteam am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) hat nun einen Weg gefunden, wie sich der Schmerz bei Mäusen durch Injizieren eines chemischen Wirkstoffs in die Haut unterdrücken lässt. Die Methode könnte auch beim Menschen funktionieren.
Die Injektion eines Anästhetikums, wie beim Zahnarzt, betäubt das umliegende Gewebe. Oft ist dies auch der einzige Behandlungsansatz für Menschen, die an einer schmerzhaften Überempfindlichkeit leiden, wie sie häufig bei Nervenschädigungen auftritt. Anästhetika, die alle Funktionen mechanorezeptiver Nervenendigungen blockieren, unterdrücken zwar die Schmerzen – sie bewirken aber auch, dass andere, wichtige Reizwahrnehmungen unterdrückt werden. Ein neu entdeckter Wirkmechanismus könnte eine gezielte Schmerzabschaltung ermöglichen.
Forscher testen 35.000 verschiedene chemische Stoffe in In-Vitro-Experimenten
Sehr leichte Berührungen werden von molekularen Sensoren in der Haut detektiert, wie dem Ionenkanal namens „Piezo2“. Diese Kanäle verhalten sich wie winzige Ventile in der Membran von Nervenzellen: sie öffnen sich, wenn die Haut leicht berührt wird. Im geöffneten Zustand passieren elektrisch geladene Teilchen das Ventil und es entsteht ein elektrisches Signal, das dann durch die Zelle verstärkt und letztlich an das Gehirn weitergeleitet wird. Das Protein STOML3 moduliert die Funktion des Ionenkanals Piezo2.
Die Forschergruppe des MDC unterzog STOML3 einem Wirkstoff-Screening, bei dem 35.000 verschiedene chemische Stoffe in groß angelegten In-Vitro-Experimenten getestet wurden. Die Wissenschaftler fanden eine Substanz namens OB-1, die verhindert, dass sich mehrere STOML3-Proteine zusammenlagern und damit die Funktion des Proteins hemmt. Folgende elektrochemische Messungen an Zellen bestätigten: wenn das geschieht, bleibt der Ionenkanal Piezo2 geschlossen.
Versuchstiere empfanden Berührungsreize nicht mehr als schmerzhaft
Bei Mäusen hemmte die Chemikalie wirksam die Wahrnehmung leichter Berührungen. Unter dem Einfluss von OB-1 ließ die Empfindlichkeit der Tiere deutlich nach. Nach Abklingen der Wirkung des Wirkstoffs kehrte die normale Empfindlichkeit wieder zurück.
„Kollegen am MDC haben eine Reihe von Verhaltensexperimenten entwickelt, durch die die Mäuse sozusagen mit uns ‘sprechen’ konnten“, erklärt Prof. Lewin. „Es wurde jeweils eine kleine Menge der Substanz in die Pfote injiziert. Dann wurde die Pfote leicht berührt. Die Maus bekam eine Belohnung, wenn sie den Berührungsstimulus richtig erkannte.“
Substanz beeinflusst nur eine ganz spezielle Art von Rezeptoren
OB-1 hatte einen deutlichen Effekt auf Tiere mit neuropathischen Schmerzen, die durch Nervenschädigung oder Diabetes verursacht wurden. OB-1 verhinderte, dass diese Tiere Berührungsreize als schmerzhaft empfanden. Dies ist ein Hinweis darauf, dass STOML3 in der Tat den Piezo2-Kanal moduliert. Die Funktion von Piezo2 so zu dämpfen, wäre also eine Möglichkeit, die Krankheitssymptome zu behandeln.
„Die Ergebnisse sind aus vielen Gründen ermutigend“, erklärt Prof. Lewin. „Wir haben damit eine neue Therapiestrategie geschaffen, und zwar aus dem Verständnis der Mechanismen, die Berührungsempfindungen in Schmerzen umwandeln. Soweit wir bisher sagen können, beeinflusst die Substanz nur eine ganz spezielle Art von Rezeptoren, die sowohl mit STOML3-Proteinen als auch mit Piezo2-Kanälen ausgestattet sind. Sie dämpft die Wahrnehmung von Schmerzreizen so, dass andere, für das Tier wichtige Signale nicht beeinträchtigt werden. Und die Wirkung ist reversibel.”
Weiterentwicklung zum Wirkstoff für Menschen wird noch lange dauern
Die Weiterentwicklung des Wirkstoffs zur medizinischen Behandlung werde lange dauern, sagt Lewin, aber irgendwann werde er bereit sein für Studien an menschlichen Probanden. Wenn diese ebenso positiv reagierten, wäre das ein großer Schritt zur Behandlung einer Nervenerkrankung, welche die Lebensqualität vieler Menschen derzeit sehr stark einschränke.
Quelle: Pressemitteilung des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft
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