Sehbehinderungen bei Diabetes: Hilfen, Helfer, Absprachen

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Sehbehinderungen bei Diabetes: Hilfen, Helfer, Absprachen

Glukosemessung, Insulindosis wählen, Kohlenhydrate abschätzen etc.: Allein schon der Diabetes sorgt für Probleme, wenn man nicht mehr oder nicht mehr gut sehen kann. Im folgenden Artikel sagt unsere Autorin, in welche Kategorien man Sehbehinderungen eingruppiert und über welches Diabetes-Wissen Einrichtungen für Sehbehinderte idealerweise verfügen sollten.

Mehrfache tägliche Glukose- oder Blutzuckerkontrollen, die Anpassung der Insulinmenge je nach gemessenen Ausgangswert und Aktivität, Abschätzen der aufgenommenen Kohlenhydrate…: allein der Diabetes erfordert im Alltag Tätigkeiten, für die es sehr förderlich ist, sehen zu können. Die meisten Menschen setzen dies als absolute Selbstverständlichkeit voraus, was sonst? Was aber, wenn Betroffene nicht mehr richtig oder gar nicht mehr sehen können?

1,2 Mio. Menschen in Deutschland sind sehbehindert oder blind

Blinde und Sehbehinderte werden in Deutschland laut DBSV (Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband e. V.) nicht gezählt. Die Zahl der blinden bzw. sehbehinderten Menschen in Deutschland lässt sich mutmaßen auf rund 1,2 Millionen – die Zahl ergibt sich aufgrund Daten anderer Länder wie Dänemark, Finnland, Großbritannien, Irland, Italien oder den Niederlanden sowie nach Erhebungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), deren veröffentlichte Daten aus dem Jahr 2004 stammen.

Ab wann gilt man als blind bzw. sehbehindert?

Hierfür liegt eine Definition vor, welche sich in drei verschiede Kategorien gruppieren lässt:

  1. Sehbehindert bedeutet, dass das bessere Auge trotz einer Brille oder Kontaktlinsen nicht mehr als 30 Prozent im Vergleich zu Menschen mit normaler Sehkraft erfassen kann.
  2. Bei einer hochgradigen Sehbehinderung ist die Einschränkung auf < 5 Prozent Sehkraft herabgesetzt. Als blind gelten Menschen mit einem Sehvermögen unter 2 Prozent.
  3. Eine Seheinschränkung oder Blindheit kann erworben sein (durch Diabetes, hohes Lebensalter, Unfall) oder erbliche Ursachen haben. Das bedeutet, dass nicht bei jedem Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung und Diabetes der Diabetes auch die tatsächliche Ursache dafür darstellt. Völlig unabhängig von der Ursache ist die Komplexität des täglichen Lebens mit Diabetes ohne Augenlicht: Es beginnt bei der Blutzuckerselbstkontrolle, geht über das Abschätzen der Kohlenhydrate in Lebensmitteln, bis hin zur Insulininjektion. Für all diese Routinearbeiten ist Augenlicht gefragt.

2000 Neuerblindungen jährlich sind Folgen des Diabetes

Laut der Gutenberg-Gesundheitsstudie (Gutenberg Health Study – GHS) haben 1,53 Prozent der Gesamtbevölkerung eine „diabetische Retinopathie“, sprich diabetesbedingte Netzhauterkrankung. Die nationale Versorgungsleitlinie zur Prävention und Therapie der Netzhautkomplikationen bei Diabetes (2. Auflage, 2015, Version 2) zeigt eine Erkrankungsrate der diabetischen Retinopathie beim Typ-2-Diabetes zwischen 9 – 16 Prozent, beim Typ-1-Diabetes von 24 bis 27 Prozent.

Wichtig: hörbare Hilfsmittel!

Für stark sehbehinderte oder blinde Menschen mit Diabetes gibt es glücklicherweise technische Hilfsmittel, die unterstützend wirken sollen: Lebensmittelwaagen, die sprechen können; Insulinpens, welche je eingestellte Einheit hörbar „klicken“; oder auch Insulinpumpen mit „Easybolus/Quickbolus“, bei denen pro Knopfdruck eine definierte Schrittgröße zum Programmieren der Insulindosis hinterlegt ist sowie mit vorgefüllten Insulinpatronen, die den Insulinwechsel vereinfachen.

Auch kontinuierliche Glukosemesssysteme, welche den Wert per Sprachausgabe über das Handy ansagen, sind eine immense Erleichterung. Die Alarmierung bei sehr niedrigen oder erhöhten Glukosewerten ist ideal und erleichtert die Therapie beträchtlich. Dies gilt sowohl für die Betroffenen selbst als auch für die Angehörigen oder Betreuer.

Menschen mit Sehbehinderung fördern

Es gibt spezielle Einrichtungen, die sich auf die Förderung sehbehinderter und blinder Menschen spezialisiert haben. Dazu zählen Blindeninstitutsstiftungen sowie spezielle Berufsförderungswerke z. B. in Halle, Düren, Frankfurt am Main, Mainz und in Würzburg (Adressen finden Sie hier). Hier ist der Diabetes mellitus die Herausforderung.

Im November durfte ich bei einem Besuch in einer Blindeninstitutsstiftung erleben, was die Betreuer/Lehrer besonders bewegt und mit welchen Konfrontationen sie sich immer wieder auseinandersetzen müssen. Für die Lehrer und Betreuer ist es von besonderer Bedeutung, alle ihre Schüler fair zu behandeln. Ganz gleich welche weiteren Erkrankungen noch zusätzlich bestehen.

Risikofaktoren für Augenprobleme sind z.B.:
  • die Diabetesdauer
  • ein schlecht eingestellter Diabetes
  • arterielle Hypertonie
  • Nephropathie
  • hormonelle Umstellung (Schwangerschaft, Pubertät)
  • Rauchen (bei Typ-1-Diabetes) sowie männliches Geschlecht

Weiterhin möchten sie unterstützend mitwirken, um beim Abschätzen/Wiegen der Kohlenhydrateinheiten oder in Notsituationen bei Seite zu stehen. Dafür bedarf es entsprechenden Hintergrundwissens, sodass eine Diabetesschulung für die Betreuer ratsam ist. Der Einfluss der Glukosewerte auf die Leistungsfähigkeit war eines der Hautthemen. Nur so können Wissen sowie spezielle Verhaltensweisen der Schüler, die glukoseabhängig sein können, loyal beurteilt werden.

Im Zeitalter technischer Medizinprodukte sollten Informationen darüber auch an die jeweiligen Betreuer weitergegeben werden. Denn wenn Glukosewerte fehlinterpretiert werden, so kann es durchaus vorkommen, dass es zu einer therapeutischen Fehlentscheidung kommt – und z. B. bei einer Unterzuckerung so lange gegessen wird, bis der Wert auf dem Empfängergerät des Glukosesensors normnah ist oder voreilige Korrekturen des Glukosewertes durchgeführt werden.

Pädagogischer Tag mit „Diabetes“

Da sich der Diabetes sehr individuell gestaltet und auch jeder Mensch mit einer Sehbehinderung unterschiedlich stark eingeschränkt und auf Unterstützung angewiesen ist, sind allgemeine Empfehlungen schwierig. Individuelle Absprachen mit dem Diabetesteam, der Familie und natürlich mit dem Betroffenen selbst sind das A und O, um Konflikten aus dem Weg zu gehen und beste Erfolge zu erzielen.Hierfür muss die Möglichkeit geschaffen werden, dass Betreuer Fragen stellen können – ebenso ist deren Bereitschaft gefragt.

Im Blindeninstitutsstift in Würzburg wurde der Materie „Diabetes“ bei einem pädagogischen Tag Raum gegeben (Workshop). In Anbetracht, dass der Diabetes nur einer von durchaus sehr vielen Begleiterkrankungen der Bewohner/Schüler ist, konnten sich die Lehrer/Betreuer ihren eignen Schwerpunkt setzen. Der Workshop war auf drei Stunden angesetzt. Die Teilnehmer zeigten großes Interesse und Engagement. Genau das spielgelt auch den großen Bedarf wider.

Schwerpunkt „Auf die Augen aufpassen“

von Diabetesberaterin Juliane Ehrmann

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2020; 69 (3) Seite 18-19

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  • gingergirl postete ein Update vor 1 Woche

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

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    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 1 Woche, 1 Tag

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

  • tako111 postete ein Update vor 1 Woche, 5 Tagen

    Fussschmerzen lassen leider keine Aktivitäten zu!

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