Sexualhormone: Viele Unterschiede – und ihre Folgen auf den Diabetes

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Sexualhormone: Viele Unterschiede – und ihre Folgen auf den Diabetes

Manche Unterschiede zwischen Männern und Frauen sind offensichtlich – andere offenbaren sich erst, wenn man, wie Prof. Dr. Alexandra Kautzky-Willer, ganz genau hinschaut und auch männliche und weibliche Hormone genau unter die Lupe nimmt.

Männer und Frauen unterscheiden sich nicht nur aufgrund der Geschlechterrollen, Belastungen und Umweltbedingungen, sondern auch in verschiedenen körperlichen, biologischen Aspekten. Offensichtlich sind die Unterschiede in den Geschlechtsorganen und den sekundären Geschlechtsmerkmalen, also den äußerlichen Merkmalen, aber es finden sind auch in allen anderen Organsystemen und Körperfunktionen mehr oder weniger ausgeprägte Unterschiede.

Frauen haben mehr Körperfett, Männer mehr Muskelmasse

Ein wesentlicher Unterschied besteht zum Beispiel in der Körperzusammensetzung: Frauen haben schon von Geburt an mehr Körperfett als Männer, während Männer mehr Muskelmasse haben. Auch die Fettverteilung ist unterschiedlich: So haben Frauen typischerweise mehr Fettspeicher im Bereich der Hüften und Oberschenkel, Männer jedoch mehr Fett im Bereich des Rumpfes.

Frauen haben mehr Unterhautfettgewebe, unabhängig vom Körpergewicht, während Männer mehr gesundheitlich gefährliche Fetteinlagerungen im Bereich der Organe und vor allem im Bereich der Eingeweide (viszerales Fett) aufweisen. Das ist auch besonders mit dem Auftreten einer Fettleber verbunden, die vor allem bei Männern mit Dia­betes (aber auch bei älteren Frauen mit Diabetes) sehr häufig anzutreffen ist.

Diese Fetteinlagerungen sind wiederum mit mehr Entzündungsprozessen und der Freisetzung von ungünstigen Fettgewebshormonen verbunden. Wichtige Unterschiede finden sich auch in der Aktivität der Leberenzyme, was erklären kann, warum Medikamente bei Männern und Frauen unterschiedliche Effekte haben.

Auch Sexualhormone tragen zu den Unterschieden bei

Viele dieser Unterschiede gehen mit der unterschiedlichen Verteilung von Andockstellen für Sexualhormone einher, viele sind auch – vor allem von der Pubertät bis zur Menopause (Zeitpunkt der letzten spontanen Menstruation) – durch die wechselnden Konzentrationen von Sexualhormonen zu erklären, insbesondere durch höhere Spiegel von Östrogen und Progesteron bei Frauen und höheren Testosteronspiegel bei Männern.

Ab der Pubertät treten deshalb auch bei Männern und Frauen unterschiedliche Krankheitshäufigkeiten auf: Bei Frauen nehmen vor allem die Autoimmunerkrankungen zu, während nach der Menopause sich die Häufigkeit hier eher angleicht und dafür chronisch entzündliche Erkrankungen, aber auch der Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich ansteigen.

Einige Unterschiede sind auch durch Unterschiede in den Geschlechtschromosomen erklärbar sowie in unterschiedlichen Auswirkungen von Lebensstil und Umwelteinflüssen auf die Genexpressionsaktivität, also darauf, wie eine genetische Information zum Ausdruck kommt.

Frauen sind empfindlicher für Insulin

Durch den höheren Anteil an Muskelmasse haben Männer einen höheren Grundumsatz und einen höheren Energiebedarf als Frauen. Viele Untersuchungen haben gezeigt, dass Frauen im Vergleich zu Männern generell insulinempfindlicher sind. Dies könnte auch durch die unterschiedliche Körperfettverteilung und Körperzusammensetzung sowie die Auswirkungen der Sexualhormone erklärt werden, aber auch durch Unterschiede in Fettgewebs­hormonen.

So haben Frauen generell höhere Spiegel von Adiponektin, einem Fettgewebshormon, das auch mit einer besseren Insulinempfindlichkeit und einem geringeren Risiko für Atherosklerose in Verbindung steht. Die Bauchspeicheldrüsen nichtdiabetischer Frauen reagieren auch besser auf Reize zur Insulinausschüttung und die Frauen weisen niedrigere Blutzuckerspiegel auf als Männer.

Im Stadium des Prädiabetes sind bei Frauen vor allem die Blutzuckerwerte nach dem Essen bzw. nach einem Zuckerbelastungstest (oralen Glukosetoleranztest, oGTT) erhöht, was auf die unterschiedliche Körpergröße und eine langsamere Zuckeraufnahme im Darm zurückzuführen sein dürfte.

Mehr Testosteron, höheres Diabetesrisiko

Viele Unterschiede hängen, wie gesagt, mit den Sexualhormonspiegeln zusammen. Eine Dysbalance der Sexualhormonspiegel ist meist auch mit einer Veränderung des Risikos für Dia­betes, aber auch für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbunden. Seit langem ist bekannt, dass Frauen mit höheren männlichen Sexualhormon­spiegeln (Testosteron, Androgenen) ein höheres Risiko dafür haben, Diabetes zu entwickeln, aber auch häufiger Herz-Kreislauf-Erkrankungen aufweisen.

Ein Beispiel sind Frauen mit einem Polyzystischen Ovarial-Syndrom, einer Erkrankung, die ungefähr 8 Prozent der Frauen betrifft und häufig aufgrund eines unerfüllten Kinderwunsches, von Zyklusanomalien, einem männlichen Behaarungstyp oder Akne dia­gnostiziert wird. Männer wiederum haben bei erniedrigtem Testosteronspiegel (Testosteronmangel) ein höheres Risiko für Diabetes. Stark übergewichtige Männer zeigen häufig ein doppelt so hohes Risiko für verminderte Testosteronspiegel oder auch Sexualfunktionsstörungen wie normalgewichtige.

Deutliche Unterschiede finden sich bei den Blutfetten: Frauen haben typischerweise niedrigere LDL-Cholesterin-Spiegel, um ca. 10 mg/dl höhere HDL-Cholesterin-Spiegel und niedrigere Triglyzerid-Spiegel – also insgesamt ein günstigeres Profil der Blutfette. Das erklärt ihr generell niedrigeres Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall in jüngeren Jahren. Im Schnitt sind Frauen zehn Jahre später als Männer betroffen.

Höhere Risiken für Frauen mit Diabetes

Entwickelt sich ein Prädiabetes oder ein manifester Diabetes, ändert sich diese Risikokonstellation, und es scheint so, als ob die Diabetesentwicklung den weiblichen Schutz vor Gefäßerkrankungen und anderen Komplikationen aufhebt. Im Vergleich zu nichtdiabetischen Männern und Frauen ist die Risikoerhöhung für Komplikationen bei Frauen höher als bei Männern.

So kostet Diabetes Frauen mehr Lebensjahre als Männer – vor allem jüngere Frauen, wobei in den letzten Jahren gerade in dieser Gruppe eine deutliche Verbesserung eingetreten ist, wie eine schwedische Studie gerade gezeigt hat. Bei Männern wird Diabetes meist in jüngeren Jahren und bei niedrigerem Körpergewicht festgestellt. Frauen, bei denen ein Diabetes diagnostiziert wird, sind meist stärker übergewichtig als Männer und auch älter.

Stress dürfte bei Frauen mit einem noch höheren Anstieg des Diabetesrisikos als bei Männern einhergehen. Zum Teil ist das dadurch erklärbar, dass Frauen in Stresssituationen häufig mehr Energie zuführen („Frustessen“) und so ein Teil des Risikos durch mehr Übergewicht zu erklären ist. Zudem findet man aber auch Unterschiede in den Regelkreisen der Hormone, die vom Nervensystem ausgeschüttet werden, und Unterschiede in der Stress­empfindlichkeit und in den Anpassungsvorgängen. Schlafentzug und Schichtarbeit sind auch mit einem höheren Diabetesrisiko bei Männern und Frauen verbunden und dürften Frauen mehr gefährden, obwohl die Datenlage unterschiedlich und teilweise auch widersprüchlich ist.

Frauen ernähren sich gesünder, bewegen sich aber weniger

Deutliche Unterschiede finden sich bei Lebensstil, Ernährung, Bewegungsverhalten und -ausmaß. Frauen ernähren sich prinzipiell gesünder und essen mehr Gemüse, Obst, Vollkornprodukte und weniger Fleisch, während Männer fettreicher und mehr rotes Fleisch essen – sich also insgesamt weniger gesund ernähren. Allerdings haben Frauen meist auch einen relativ höheren Konsum an Zucker.

Die meisten Erhebungen zeigen, dass von klein auf Mädchen und Frauen bis ins hohe Alter deutlich weniger körperlich aktiv sind. Ein wichtiger Präventionsansatz wäre, Jungen von klein auf mehr Freude an einer gesunden Ernährung zu vermitteln und Mädchen schon früh zu zeigen, wie viel Freude Bewegung machen kann.

Schwerpunkt „Frauen sind anders – Männer auch“


von Prof. Dr. Alexandra Kautzky-Willer

Avatar von alexandra-kautzky-willer

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2016; 65 (10) Seite 16-21

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  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 6 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

    Uploaded Image
    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 3 Wochen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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