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Hoher Blutdruck (Hypertonie) ist bei Diabetes genauso gefährlich wie ständig zu hohe Blutzuckerwerte. Wer Bluthochdruck hat, sollte regelmäßig Selbstmessungen durchführen, um seine Behandlung zu überprüfen. Dies fordern neue Leitlinien.
Viele Menschen mit Diabetes haben Bluthochdruck; wichtig ist, ihn früh zu erkennen und zu behandeln. Die neuen Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie und der Europäischen Gesellschaft für Hypertonie gewichten neu: Erstmals stehen Schulung und Selbstmessung des Blutdrucks ganz vorne!
Anders als in den vergangenen Jahren ist die Formel wieder ganz einfach: Der Blutdruck sollte unter 140/90 mmHg gesenkt werden, bei Menschen mit Diabetes und Nierenschädigung etwas niedriger. Die Autoren der Leitlinie sehen keinen Grund mehr darin, den Blutdruck bei Menschen mit Diabetes im Regelfall niedriger als auf 140 mmHg systolisch zu senken.
In der Realität ist leider nur ein sehr geringer Teil der Menschen mit Hypertonie so gut behandelt. Intensivere Früherkennung und bessere Therapie und Schulung der Betroffenen werden von den Experten dringend gefordert.
Neu an den Leitlinien der beiden Gesellschaften ist, dass der Selbstmessung des Blutdrucks durch die Betroffenen ein deutlich höherer Stellenwert zugesprochen wird. Neuere Studien zeigen, dass die von den Betroffenen selbst gemessenen Werte eine größere Bedeutung haben für die Prognose der Hypertonie als die in der Arztpraxis gemessenen Werte. Schon bei der Feststellung der Hypertonie leistet die Selbstmessung einen wichtigen Beitrag.
Dabei ist zu bedenken, dass die von den Patienten unter häuslichen Bedingungen selbst gemessenen Werte um circa 5 mmHg niedriger liegen als die in der Praxis gemessenen Werte. Immer sollte die Diagnose der Hypertonie auch durch selbst gemessene Werte bestätigt werden. Geschieht dies nicht, kann es vorkommen, dass eine Therapie mit Medikamenten eingeleitet wird, obwohl unter häuslichen Bedingungen der Blutdruck normal ist: Der Blutdruck ist nur dann erhöht, wenn der Patient einen weißen Kittel sieht.
Es gibt auch Fälle, in denen der Blutdruck in der Praxis normal ist, zu Hause gemessene Werte aber eine Hypertonie zeigen; dies ist ein weiterer Grund, dass Sie als Betroffener von Beginn der Hypertonie an die Selbstmessung des Blutdrucks beigebracht bekommen und dass diese Messungen in Diagnose und Behandlung einbezogen werden.
Lassen Sie sich die korrekte Messung von einer Fachkraft zeigen:
Der Blutdruck wird im Sitzen gemessen; vor jeder Blutdruckmessung sollten Sie mindestens 3 Minuten ruhig sitzen. Eine Oberarm-Manschette wird so angelegt, dass sich die Membran des Stethoskops über der Armschlagader befindet. Der untere Rand der Manschette soll 2 bis 3 Zentimeter oberhalb der Ellenbeuge liegen.
Die Manschette muss locker angelegt sein, darf aber nicht verrutschen. Ärmel dürfen den Oberarm nicht einengen, sonst wird die Messung verfälscht. Legen Sie den Arm, an dem der Blutdruck gemessen wird, mit leicht gebeugtem Ellenbogen entspannt auf. Die Manschette sollte in Herzhöhe sitzen:
Häufige Fehler bei der Blutdruckmessung:
Deutlich rät die neue Leitlinie von Blutdruckmessgeräten ab, die am Handgelenk messen – sie kommen nach den Empfehlungen nur bei extrem übergewichtigen Patienten in Frage. Sicherer sind die Ergebnisse, die mit der guten, alten “Riva-Rocci-Methode” gemessen werden: einem einfachen, nichtelektronischen Gerät, mit dem man selbst die pochenden Geräusche hört, die bei Unterschreitung des oberen Blutdruckwertes auftreten. Wer schwerhörig ist, hört die Geräusche nicht mehr gut – dann ist ein elektronisches Gerät angezeigt.
Erstmals diskutiert die europäische Leitlinie zur Hypertonie die Bedeutung persönlicher Zielwerte für sehr alte Menschen. Ähnliches ist in der Diabetologie von der europäischen und der amerikanischen Diabetesgesellschaft gemeinsam veröffentlicht worden; all diese wissenschaftlichen Gesellschaften beziehen sich auf neuere Studien, in denen klar geworden ist, dass die Ziele und Ergebnisse der Therapie bei der zunehmenden Zahl sehr alter Menschen sehr verschieden sein können von den Ergebnissen bei jungen Menschen.
So führt eine “Supernormalisierung” der Blutzuckerwerte bei sehr alten Menschen nicht mehr zur Verlängerung der Lebenserwartung. Die Ziele der Behandlung dieser Betroffenen sind an ihrer Lebensqualität zu messen, nicht an der Lebenserwartung. Auch für den hohen Blutdruck gilt: Bei sehr alten Menschen muss für jeden Einzelnen überlegt werden, welche Vor- und Nachteile eine Behandlung mit verschiedenen Zielwerten hat, eine Normalisierung ist nicht in allen Fällen notwendig.
Die europäischen Kardiologen und Hypertensiologen fordern auch, nichtmedikamentöse Maßnahmen zur Behandlung des hohen Blutdrucks einzusetzen: Bei hohem Blutdruck sollte man versuchen, Gewicht abzubauen , weniger Salz zu essen, sich regelmäßig zu bewegen. Wichtig: Die Behandlung einer Hypertonie bringt wenig, wenn geraucht wird.
Patientenschulung bei Hypertonie wird im Rahmen der Disease-Management-Programme angeboten. In Deutschland ist die Schulung für Menschen mit Hypertonie kostenlos, ebenso für Betroffene mit Diabetes, die hohen Blutdruck haben. Fragen Sie Ihren Hausarzt, ob er eine Schulung für Hypertonie anbietet.
Viele Ärzte in Deutschland bieten eine Schulung für Menschen mit Hypertonie an. Im Rahmen dieser Schulung erhalten Betroffene das im Kirchheim-Verlag erschienene Buch
„Mein Buch über den hohen Blutdruck“
. Die neueste Auflage erschien 2013.
Die Schulung umfasst vier Unterrichtseinheiten und wird von entsprechend fortgebildeten Schulungskräften in Zusammenarbeit mit den Hausärzten in den Praxen erteilt. Viele tausend Praxen in Deutschland sind für diese Schulung qualifiziert. Fragen Sie Ihren Arzt!
Dr. med. Viktor Jörgens, Geschäftsführer EASD | Dr. Marion Grüßer, stellv. Geschäftsführerin EASD |
Kontakt:
Europäische Gesellschaft für Diabetologie (EASD), Rheindorfer Weg 3, 40591 Düsseldorf, Tel.: 0211-758 469 0, E-Mail: secretariat@easd.org
, Internet: www.easd.org
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2014; 63 (5) Seite 36-38
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